SOZIALES SCHAUFENSTER

Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
Holocaustleugner scheitert mit Berufung

Niederlage voller Theaterdonner

Erneute Niederlage für den Holocaustleugner Richard Williamson. Das Landgericht Regensburg wies die Berufung des Vagantenbischofs am Montag ab. Zuvor gab es zwei Stunden Plädoyer von Williamsons Verteidiger-Duo.
Edgar Zeiler und Andreas Geipel (v.l.): Notfalls wollen sie für ihren Mandanten bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Foto: Archiv

Edgar Zeiler und Andreas Geipel (v.l.): Notfalls wollen sie für ihren Mandanten bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Foto: Archiv

„Völlig ungeeignet.“ „Keinerlei Sachzusammenhang.“ „Bedeutungslos.“ Immer wieder muss sich Richter Dr. Walter Boeckh am Montag mit Beweisanträgen der Verteidigung befassen (und diese durchweg ablehnen). Sie sind ebenso zahlreich wie vielfältig. Eine kleine Auswahl: Um die Unschuld ihres Mandanten Richard Williamson bei der Berufung vor dem Landgericht Regensburg zu beweisen, wollen Andreas Geipel und Edgar Weiler Richterin und Staatsanwalt der ersten Instanz vernehmen lassen, Geipels Honorarvertrag für Buchveröffentlichungen vorlegen dürfen, der oder die Intendanten des schwedischen Fernsehsenders SVT sollen vorgeladen werden und eine Meinungsumfrage zu den Fernsehgewohnheiten und -kenntnissen der argentinischen Bevölkerung möge in Auftrag gegeben werden.

„Ein mildes Urteil“

Die mittlerweile fünfte Runde im Prozessmarathon gegen den holocaustleugnenden Bischof endet dennoch erneut mit einer Verurteilung des 73jährigen zu 90 Tagessätzen. Dem Richter ist es durchaus anzumerken, dass er nach den stundenlangen Plädoyers der beiden Verteidiger ein klares Zeichen setzen will. In seiner Urteilsbegründung arbeitet er Punkt für Punkt deren Einwände ab. Am Ende spricht Boeckh von einem „milden Urteil“. Doch angesichts der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft selbst keine Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts eingelegt habe, könne er auch nicht darüber hinaus gehen.

Verteidiger: Der Tatort ist Schweden

2008 hatte Williamson in Zaitzkofen (Landkreis Regensburg) einem schwedischen Fernsehteam erklärt, dass es keine Gaskammern gegeben habe, dass allenfalls „200.000 bis 300.000 Juden“ in Konzentrationslagern „umgekommen“ seien und dass es eine „massive Ausbeutung der Deutschen“ gegeben hätte, die unter einem „Schuldkomplex“ litten. Die Strategie der Verteidigung kann man recht kurz zusammenfassen. Natürlich habe Williamson diese Aussagen getroffen. Allerdings sei der Tatort Schweden gewesen und nicht Deutschland. Für die darüberhinausgehende Verbreitung – Internet, Empfang über Satellitenfernsehen, Aufbereitung in den deutschen Medien – sei der Bischof nicht verantwortlich und gewollt habe er dies ganz sicher nicht. So kurz sind die Plädoyers indes nicht. Zwei Stunden dauert der Theaterdonner der beiden Strafverteidiger.

Ein jüdischer Jurist muss herhalten

Edgar Weiler bemüht gar Max Alsberg – einen jüdischer Juristen in der Weimarer Republik, der sich 1933 das Leben nahm – um die Unschuld seines Mandanten argumentativ zu untermauern. Schon dessen, Alsbergs, Leitgedanke sei gewesen: „Keine Strafe ohne Gesetz.“ Das unterscheide den Rechts- vom Unrechtsstaat. Und, zu diesem Schluss würde Weiler zufolge eben auch Alsberg kommen, es gebe nun mal kein Gesetz, das Williamson gebrochen habe. Weder habe der Ex-Piusbruder den „unbestreitbaren Massenmord“ an den Juden bestritten, noch habe er ihn verharmlost oder gar gutgeheißen. „Ob die von ihm genannte Zahl stimmt oder nicht stimmt, ist gar nicht die Frage. Die Verteidigung muss sich hier gar nicht äußern“, so Weiler.

Schuld sind die anderen…

Williamson habe seine Aussagen zudem „unbestreitbar nichtöffentlich“ in einer Sakristei in Zaitzkofen getroffen, ohne den Vorsatz dies weiter zu verbreiten. Allenfalls in Schweden. Und dort sei das nunmal nicht strafbar. „Es gibt auch in Europa nur sehr wenige Staaten die Meinungsdelikte unter Strafe stellen“, so Weiler. Dass Williamsons Aussagen im Internet und via Satellit im Fernsehen verbreitet werden würden, habe dieser nicht ahnen können, nicht gewollt und schon gar nicht habe er dem zugestimmt. Täter seien diejenigen, die das Video verbreitet hätten, nicht der vermeintlich arglose Bischof. Wie soll dieser auch gewusst haben, dass Journalisten so etwas tun könnten – ein Interview verbreiten. Was diese getan hätten, sagt später Andreas Geipel, sei „skandalös und nicht mit dem journalistischen Ehrenkodex vereinbar“. Es könne doch nicht jeder Journalist einfach mit einem Interview machen, was er wolle.

„So blauäugig kann niemand sein.“

Boeckh braucht immerhin eine halbe Stunde, um in seiner Urteilsbegründung mit alledem aufzuräumen. Immer wieder zitiert er dabei die höchstrichterliche Rechtsprechung. Dass Williamson den Holocaust geleugnet und sich der Volksverhetzung schuldig gemacht habe, könne wohl niemand ernsthaft in Zweifel ziehen. „Wer die Existenz von Gaskammern bestreitet, leugnet einen wesentlichen Teilaspekt. Was braucht es denn sonst noch?“, so Boeckh. Getan habe Williamson dies vorsätzlich und im vollem Bewusstsein der möglichen Folgen. Generell sei ein Interview immer öffentlich und dass Journalisten solche Aussagen aufgreifen und verbreiten würden, sei klar gewesen. „Es ist auch allgemein bekannt, dass Fernsehen über Satellit zu empfangen ist.“ Niemand, auch nicht Williamson, könne so blauäugig sein, nicht zu überblicken, was seine Äußerungen für eine Brisanz gehabt hätten. Dass sie Deutschland verbreitet werden würden – zumal er sie hier getroffen hatte – liege auf der Hand, auch angesichts der gerade anstehenden Wiederaufnahme der Piusbruderschaft in den Schoß der katholischen Kirche. Und es gebe gerade in Deutschland gute Gründe, weshalb Holocaustleugnung strafbar sei. Es gelte, den Anfängen zu wehren. Dass der öffentliche Friede durch Williamsons immer noch „massiv gestört“ sei, liege auf der Hand. „Sonst würden wir hier nicht seit fünf Jahren verhandeln.“

OLG Nürnberg: Hält der Strafbefehl dieses Mal?

Der Prozessmarathon wird indes munter weitergehen. Geipel und Weiler haben angekündigt, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Doch zunächst geht es an das Oberlandesgericht Nürnberg. Dort wird vor allem die Frage entscheidend sein, ob Strafbefehl und Anklage der Staatsanwaltschaft den Rügen der Verteidiger standhalten. Einen ersten Strafbefehl hatte das OLG 2012 wegen formaler Fehler aufgehoben und das Verfahren nach Regensburg zurückverwiesen.
Geistheiler in Lederhosen

Nikolaus und das weinende Mädchen

Normalerweise bringt Nikolaus die Kinder zum Strahlen. Für den üblen Teil hat er den Krampus. Doch bei dem Geistheiler Nikolaus fängt eine 12jährige an, vor 60 Leuten zu weinen. Trotzdem finden das alle irgendwie gut oder zumindest tolerabel, denn niemand unterbricht die “Heildemonstration”. Stattdessen halten fünf Erwachsene Menschen mit chronischen Schmerzen Alu-Bällchen in der Hand und an die 60 Leute lauschen gespannt, wie man rausfindet, dass ein Arm auf den anderen eifersüchtig ist, oder sehen fasziniert zu, wie sich Beine in Sekundenschnelle um mehrere Zentimeter verlängern. Geistheiler Nikolaus im Kolpinghaus – ein Erlebnisbericht.

Stellungnahme

Rabiate Festnahme: Polizei will Vorwürfe „umfassend prüfen“

Die Polizei hat ihr Vorgehen bei der Räumung der Anti-NPD-Blockade am vergangenen Donnerstag verteidigt. Die rabiate Festnahme eines jungen Mannes, die unsere Redaktion auf Video dokumentiert hat, soll gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft „umfassend geprüft“ werden. Wir dokumentieren die schriftlichen Antworten des Polizeipräsidiums auf unseren Fragenkatalog.

Räumung der NPD-Blockade

Einsatzstrategie: Eskalation der Gewalt (Video)

Warum brechen Polizisten jemandem die Rippen, gegen den sie nicht einmal Anzeige erstatten, geschweige denn seine Personalien aufnehmen? Die Gewalt bei der Räumung der Blockade gegen den NPD-Truck am Donnerstag war nicht nur sinnlos, sie wurde von der Einsatzleitung billigend in Kauf genommen – auch auf Kosten ihrer eigenen Beamten.

drin