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Obgleich die Legende des ehemaligen Wehrmachtsmajors Robert Bürger in ihren Grundfesten zerstört wurde, hält die Regensburger Bundeswehr-Kameradschaft (ERH) an den Erzählungen des selbsternannten Retters Regensburgs fest. Ihr Vorsitzender Oberst a.D. Norbert Hettmer plant eine Verteidigungsschrift, womit er die Bürger-Legende intern mit eigenen Überlegungen aufrechterhalten will. Neulich aufgetauchte Unterlagen bezichtigen Bürger jedoch erneut als Kriegstagebuch-Fälscher.

Robert Bürger als Kommandeur der Unteroffizierschule Sonthofen um 1965. Foto: privat

Robert Bürger als Kommandeur der Unteroffizierschule Sonthofen um 1965. Foto: privat

Nachdem Robert Bürger seine Erzählungen vom Kriegsende 1983 in den Verhandlungen des Historischen Vereins (VHVO Bd. 123) veröffentlichen konnte, galten sie der Stadtgesellschaft als historische Wahrheit. Ihnen zufolge habe er als 31jähriger Wehrmachtsmajor nach einem rettenden Gedankenblitz in den frühen Morgenstunden des 27. Aprils 1945 die „Regensburger Kampftruppe“ unter dem Kampfkommandanten Hans Hüsson aus dem fast vollständig von amerikanischen Truppen eingekesselten Regensburg geführt. Im allerletzten Moment, nach der Motorisierung von Pferdegespannen, auf einem allein ihm bekannten Schleichweg. Und dies kurz vor der angeblich bereits geplanten Zerstörung Regensburgs durch die US-Truppen. Der von ihm geführte Abzug des kampfbereiten Regiments habe die Stadt vor der bereits angeordneten „Einäscherung“ durch die Amerikaner bewahrt.

Legenden der Selbstvergewisserung

Lieb gewonnene oder tradierte Erzählungen zum Weltkriegsgeschehen zu hinterfragen und aufzugeben, ist unangenehm. Dies würde eine redliche und zeitraubende Auseinandersetzung bedeuten. Die Zähigkeit der Figur von der im Vernichtungskrieg „sauber gebliebenen Wehrmacht“ erklärt sich zum Teil nach diesem Muster. Geht es um eine heldenhafte Legende, die über Jahrzehnte zusammen mit Bundeswehrverband, angepasster Lokalberichterstattung und Kameraden eingeübt wurde, wird nicht aufgegeben, sondern verteidigt.

In Regensburg verteidigt man mit aller Kraft. Die Kameradschaft „Ehemaliger Soldaten, Reservisten und Hinterbliebener Regensburg“ (ERH) organisiert seit 1994, jeweils Ende April, ein Gedenktreffen auf dem Adlersberg. Sie will nicht von ihrem Helden und Retters Regensburgs, dem Bundeswehroberst Robert Bürger, lassen. Die unter „Friedensgebet“ firmierende Zusammenkunft am Adlersberg wurde auch von der lokalen Politprominenz, wie etwa Christian Schlegl, MdL Phillip von und zu Lerchenfeld oder MdL Tanja Schweiger, besucht. Dem kameradschaftlichen Abend geht ein ökumenischer Gottesdienst voraus, zu dem diesen Jahres wie folgt eingeladen wurde:

„Der Zivilcourage eines Soldaten war es im April 1945 zu verdanken, dass der geordnete Abzug des Militärs im Schutz der Dunkelheit glückte. Major der Wehrmacht und später Oberst der Bundeswehr, Robert Bürger wagte die Räumung der Stadt und ermöglichte damit am nächsten Tag eine kampflose Übergabe der Stadt. Ohne diese mutige Tat wäre heute ein „Weltkulturerbe Regensburg“ nicht möglich gewesen.“ Aus der Einladung 2013

Auch nächstes Jahr soll in Adlersberg wieder eine Gedenkveranstaltung für Bürger stattfinden, obwohl seine Erzählungen durch die Publikation von Peter Eiser und Günter Schießl (Kriegsende in Regensburg – Revision einer Legende, 2013) gemeinhin als demontiert gelten.

Keine eigene Überprüfung der Heldenerzählung

Fragt man den Vorsitzenden der ERH-Kameradschaft Norbert Hettmer, worauf seine Verteidigung der Darstellung Bürgers von den letzten Kriegstagen gründet, ist erstaunlich wenig zu hören. Er nennt neben dem o.g. Beitrag aus den Verhandlungen ein oder zwei Aufsätze aus dem Regensburger Almanach. Hettmer sieht keinen Grund, die Darstellung Bürgers im Kern anzuzweifeln. Die neulich vorgetragenen Ausführungen des Münchner Historikers Sven Keller hingegen findet Oberst a. D. Hettmer weder überzeugend, noch relevant. Ebenso die Rechercheergebnisse von Peter Eiser und Günter Schießl.
Mit den diversen Abhandlungen Bürgers selbst oder mit archivalischen Unterlagen habe er sich allerdings nicht beschäftigt. Hettmer betont indes, dass ihm von mehreren Kameraden und Stadtheimatpfleger Werner Chrobak die Glaubwürdigkeit des Zeitzeugen Robert Bürger, den er selbst nie kennenlernte, versichert worden sei. Die alljährliche Organisation des Gedenktages hat Hettmer im Jahr 2008 als neuer ERH-Vorsitzender übernommen.

Nur dass Robert Bürger sich selbst zum Teil in ein sehr positives Licht gerückt habe, will Norbert Hettmer einräumen. Dies sei aber doch bloß menschlich, ändere aber nichts an dem entscheidenden Faktum, dass unter Bürgers Beteiligung Truppen aus der Stadt abgezogen worden seien. Oberst a.D. Hettmer ist bemerkenswerterweise auch Sprecher der Milita Ratisbonensis, der Interessengemeinschaft der Regensburger Soldatenverbände, die sich dem Namen nach zu urteilen als Regensburger Kampfgruppe von heute versteht.

In der andauernden Auseinandersetzung um die letzten Kriegstage klammert sich ERH-Chef Hettmer offenbar mangels inhaltlicher Substanz allein an die angebliche Glaubwürdigkeit des Protagonisten bzw. Autors der fraglichen Legende und blendet dabei alles aus, was eben diese Glaubwürdigkeit infrage stellt. In gewisser Weise erinnert ein solches Vorgehen an eine autoritär geführte Sekte oder Partei, die ihren Guru nicht infrage stellen darf oder kann.

Verschriftlichung der Bürger-Legende weitgehend rekonstruiert

Durch die Auswertung entsprechender Unterlagen kann der Entstehungsprozess der Bürger-Erzählungen nun rekonstruiert werden. Demnach ist davon ausgehen, dass Robert Bürger seine Erinnerungen erstmals 1955 auf eineinhalb Schreibmaschinenseiten für einen Zeitungsbericht niederlegte. „Ein gnädiges Schicksal“ habe, wie Bürger damals vergleichsweise dezent resümierte, „vor 10 Jahren unsere Stadt vor der Vernichtung bewahrt.“ Anders als in der voll ausgebildeten Legende kommt Bürger in dieser frühen Schilderung der letzten Kriegstage ohne Motorisierung der Gespanne, ohne Schleichweg und ohne Erwähnung irgendeines Kriegstagebuchs aus.

Ein Jahr später trat Bürger in die Bundeswehr ein, wo er seine Regensburger Heldentat wohlweislich nicht thematisierte. Erst nach seiner aktiven Dienstzeit schloss er die schriftliche Abfassung des sogenannten „Kriegstagebuchs“ bzw. eines militärisch gehaltenen Rapports ab. Beide Schriftstücke ließ er im Jahre 1975 im Stadtarchiv mit der für Chronisten eher untypischen „Verpflichtung zur vorläufigen Geheimhaltung“ deponieren. Offenbar hatte er nicht unbegründete Angst vor grundsätzlichen Anfechtungen.

Peter Eiser und Günter Schließl haben Bürgers spätere erfolglos gebliebenen Versuche rekonstruiert, seine Chronik dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt schmackhaft zu machen. Im weiteren Verlauf überarbeitete er seine Werke nochmals und wandte sich Anfang der 1980er ans Bischöfliche Zentralarchiv. Dort erfuhr er außergewöhnliche Unterstützung durch den dort tätigen Historiker Werner Chrobak, insbesondere bei der weitreichenden letzten Umarbeitung und Veröffentlichung seiner Erzählungen in den Verhandlungen (Bd.123).

Anhand markanter, jedoch unterschiedlich lautendender Schlüsselstellen in diversen Abhandlungen Bürgers soll nun ein weiteres Mal aufgezeigt werden, dass es den Machwerken des ehemaligen Bundeswehroffiziers grundsätzlich an Seriosität, Logik und Stimmigkeit mangelt.

Eine nicht-geschwärzte Fassung des fingierten Kriegstagebuch

Bürgers wichtigste Primärquelle stammt von ihm selbst: eine angeblich von ihm am 6. Mai 1945 angefertigte Abschrift des offiziellen Kriegstagebuchs der „Regensburger Kampfgruppe“. In einem solchen Verzeichnis sollten alle relevanten Geschehnisse der besagten militärischen Truppe (wie Wetter, Verluste, Befehle des Kommandostabes) dokumentiert sein. Das von Bürger vorgelegte Kriegstagebuch sagt an entscheidenden Stellen allerdings entweder gar nichts aus, oder es trägt bloß eine nachträgliche handschriftliche Ergänzung. Ein Original dieses Tagebuchs ist nicht erhaltenen. Eiser und Schießl arbeiteten in ihrer Publikation in überzeugender Weise heraus, dass es von Bürger nachträglich fingiert wurde. Die von Bürger zur Legitimation seiner Erzählungen vorgelegte und mehrfach deponierte „Abschrift“ ist zum Teil geschwärzt und nur als Kopie einer Kopie greifbar.

Vor kurzem tauchte überraschenderweise eine ältere Version des „Kriegstagebuchs“ auf, die er, wie erwähnt, 1975 im Regensburger Stadtarchiv deponiert hatte. Diese Ausfertigung unterscheidet sich gravierend von jener, die Bürger 1981/1982 unter anderem im Bischöflichen Zentralarchiv und in der Staatlichen Bibliothek hinterlegte und die für die Ausarbeitung seines VHVO-Beitrags (1983) benutzt wurde. Vergleicht man die zwei jeweils sechsseitigen Versionen sind eindeutige Fälschungsmerkmale zu erkennen. So wurden in der späteren Version vielfach Stellen geschwärzt. Darüber hinaus wurden Namen durch „Überweißen“ unkenntlich gemacht, was nur durch einen direkten Vergleich erkenntlich und rekonstruierbar ist. Anscheinend wollte Bürger durch die Dezimierung der angeführten Namen eine nähere Überprüfung seiner Angaben erschweren und Verleumdungsklagen vorbeugen.

Auffällig oft bemüht sich Bürger in allen Tagebuchversionen insbesondere seine Treue und Kampfesmut bis über das Kriegsende herauszukehren. Im Gegensatz dazu lässt er keine Gelegenheit aus, angeblich mutlose Kameraden missgünstig abzuwerten, beispielweise als „Etappenkavaliere“, die sich am französischen Kognak gütlich taten.

Auszug aus nicht geschwärztem „Kriegstagebuch“ (um 1975) zu den entscheidenden Stunden des 26. April 1945 mit handschriftlichem Nachtrag.

Auszug aus nicht geschwärztem „Kriegstagebuch“ (um 1975) zu den entscheidenden Stunden des 26. April 1945 mit handschriftlichem Nachtrag.

Obwohl Bürger Notizen davon anfertigte, welche Archive er mit welchen Materialien versorgte, verlor er anscheinend irgendwann den Überblick darüber, dass er widersprüchliche Machwerke abgegeben hatte. Einen Wahrheitsanspruch hat er aber nie aufgegeben.

Allererste Erstfassung und Verdienst der Wehrmacht

Zusammen mit dem oben genannten nicht geschwärzten „Kriegstagebuch“ deponierte Bürger 30 Jahre nach Kriegsende eine neunseitige Version seiner Erinnerungen: „Die militärische Lage in Regensburg vom 23. April 1945 bis zum Einmarsch der Amerikaner“. Auch diese Abhandlung wurde bislang in der öffentlichen Debatte nicht erwähnt. Bürger überarbeitete sie im Mai 1981, korrigierte sie erneut im Dezember desselben Jahres und nannte sie seither „Erstfassung“. Folgt man dieser eigentlich falschen Benennung, wären die neun Seiten von 1975 als die „allererste Erstfassung“ zu bezeichnen.
Gleich zu Beginn des Rapports von 1975 kommt Bürger zur ideologischen Kernaussage. Er hält mit seinem Ansinnen nicht hinterm Berg:

„Bisher war nur den wenigen Beteiligten die Wahrheit über die Geschehnisse in der Nacht vor der kampflosen Übergabe der Stadt Regensburg an die Amerikaner bekannt. Die vorausgegangene ungeheure Angst der Einwohner vor der sinnlosen Zerstörung und der Vernichtung von Frauen und Kindern im Bombeninferno hatte der Phantasie am Morgen der friedlichen Übergabe an die Amerikaner breiten Raum gegeben und Gerüchte zur Legende werden lassen. Denn wie durch ein Wunder ist Regensburg bei Kriegsende nicht zerstört worden. Das ist in erster Linie ein Verdienst der deutschen Wehrmacht!“

Ein Verdienst der Wehrmacht! Welch ein realitätsferner Einstieg, der versucht die am Angriffs- und Vernichtungskrieg beteiligte Wehrmacht in eine ehrenwerte Verteidigungsarmee und als Beschützer der Frauen und Kinder umzudeuten. Alle Vernichtungspraxis projiziert er dabei in einer grandiosen Schuldumkehr auf den „Feind“. Eine Wunschvorstellung, die in ähnlich grotesker Weise ebenfalls von Angehörigen der an der Donau bei Bad Abbach kämpfenden „SS-Division Nibelungen“ in Anspruch genommen wurde und wird.

Grabstein in Bad Abbach zur Erinnerung an Angehörige der „SS-Division Nibelungen“. Foto: Werner

Grabstein in Bad Abbach zur Erinnerung an Angehörige der „SS-Division Nibelungen“. Foto: Werner

Im Regensburger Kontext sind solche realitätsverleugnende Phantastereien keine Ausnahme, sie sind sogar in offizielle Verlautbarungen eingegangen. So zum Beispiel in den Nachruf für den SS-Bürgermeister Otto Schottenheim (1980), als OB Friedrich Viehbacher seinerzeit verkündete, dass der Verblichene die Stadt 1945 unter Todesgefahr kampflos übergeben habe. In den entsprechenden Einlassungen Schottenheims zum Kriegsende spielte ein Robert Bürger übrigens keinerlei Rolle.

Umdeutungen des treuen Soldaten

In den Erzählungen von 1975 entfaltet Bürger, angetrieben von einem krankhaft anmutenden Geltungsbedürfnis, seine subjektive Rekonstruktion der Ereignisse. Er spielt die Hauptrolle, er ist treu und wagemutig. Seinen Gegenspieler, den Stabsoffizier Othmar Matzke, überzeichnet er als unerfahren. Um keine Missdeutungen oder Zweifel am schmeichelhaften Selbstbild aufkommen zu lassen, schließt Bürger seinen Rapport mit dem absoluten Wahrheitsanspruch eines Fälschers, der allerdings nicht ohne logische Brüche auskommt:

„Dreißig Jahre nach Kriegsende sollte die historische Wahrheit festgehalten werden. Der Großangriff amerikanischer Panzerverbände auf Regensburg nach vorheriger Einäscherung der Stadt durch Fliegerangriffe war für den 27. 4. 45 bereits befohlen. Es sind verantwortungsbewußte und bis zum bitteren Ende treue Soldaten gewesen, die in einem wagemutigen Nachtunternehmen die Frontsoldaten mit Waffen und Gerät aus der bereits belagerten Stadt herausgeführt haben, um dadurch Frauen und Kinder zu retten. Die alte ehemals ‚Freie Reichsstadt‘ Regensburg ist so vor der Vernichtung bewahrt worden.“

An diesem treuen Soldaten Bürger halten nicht nur Oberst a. D. Hettmer und seine ERH-Kameraden fest, sondern auch der „Stadtlegendenpfleger“ Werner Chrobak.

Wer sich etwas genauer mit den Hinterlassenschaften des gefälligen Chronisten in eigener Sache auseinandersetzt, erkennt in Robert Bürger rasch einen Manipulator, der seiner Leserschaft im Laufe seiner Selbstbetrügereien immer abwegigere und abstrusere Details zumutete, ohne dass ihn jemand zurechtwies. Peter Eiser und Günter Schießl kommt das Verdienst zu, Bürgers Erzählungen erstmals substanziell überprüft und entzaubert zu haben.

Die geprüfte Voraussetzung für einen geordneten Truppenabzug 1975

In der oben erwähnten „allerersten Erstschrift“ von 1975 präsentierte Oberst a. D. Bürger auch den Ablauf der alles entscheidenden Minuten vom 26. April 1945. Übersichtlich, durchstrukturiert und logisch stimmig, wie man es ohne Weiteres von einem ehemaligen Kommandeur einer Unteroffizierschule erwarten könnte. Demnach habe der kommandierende General um 22 Uhr 30 beim Regensburger Kampfkommandanten telefonisch anfragen lassen, ob „die Truppen des Feldheeres Regensburg noch ordnungsmäßig räumen können.“ Daraufhin habe man die Anfrage im Stab diskutiert und der Kampfkommandant sei seiner, also Bürgers, Einschätzung gefolgt:

„Unter der Voraussetzung, daß die pferdebespannten Fahrzeuge der Grenadiere durch Lastwagen der Stadt ersetzt werden und daß der Befehl umgehend gegeben wird, können wir vor Tagesanbruch die Stadt geräumt haben.“

Da Bürger eine unerlässliche Bedingung formuliert hatte, musste er diese im nächsten Schritt folgerichtig auch einlösen, um die anstehende Anfrage nach einem eventuellen Rückzug korrekt und begründet beantworten zu können. So schreibt Bürger gleich im Anschluss:

„Nach telefonischer Rücksprache mit der Stadtverwaltung wegen der benötigten Lastenwagen meldete der Kampfkommandant meinen Vorschlag als seinen Entschluß dem LXXXII. Armeekorps.“

Gegen 23 Uhr sei dann der entsprechende Abzugsbefehl eingegangen und die Stadtverwaltung habe „die bespannten Teile motorisiert“. Um 3 Uhr 30 habe das Regiment vom Emmeramsplatz aus die Stadt verlassen und Alteglofsheim ohne Zwischenfälle gegen 6 Uhr 30 erreicht.

Einmal abgesehen von der Frage, ob die Stadtverwaltung in diesen Zeiten überhaupt handlungsfähig gewesen wäre, ungeachtet der desaströsen Versorgungslage, wonach auch Regensburg zum Kriegsende weder gespanntaugliche Fahrzeuge bzw. Fahrer noch Treibstoff hatte und ohnehin kein kampftüchtiges Regiment mehr in der Stadt war, wie Eiser und Schießl überzeugend ausführen, muss man Bürgers Bericht von 1975 zugestehen, dass er die Gesetze der Logik und seine eigenen diesbezüglichen Angaben halbwegs ernst nimmt. In der „Erstfassung“ von 1981 tat er dies nicht mehr.

Truppenabzug ohne Zusage

In der Ausfertigung von 1981 formuliert Bürger zwar ähnliche Abzugs-Bedingungen: „Motorisierung der Fußtruppen und rechtzeitiger Befehl“. Er kümmert sich in der Folge aber nicht mehr um die Überprüfung der Bedingungen. Dies wird daran deutlich, dass der Regensburger Kommandant gemeldet hatte, man könne aus Regensburg ausziehen, bevor eine Zusage der Stadtverwaltung für die Abstellung von LKW vorlag. Denn die angebliche Meldung der Stadt zur Unterstützung des Truppenauszugs kam, so Bürger 1981, erst kurz vor dem eigentlichen Rückzugsbefehl. Der Zeitzeuge weicht also von seinem früheren Bericht und den eigenen Bedingungen willkürlich ab, bringt seine Erzählungen dennoch zu einem guten Ende. Vermutlich erkannte und verschleierte Bürger bereits zu diesem Zeitpunkt die Problematik, dass der von ihm geschilderte massive Truppenabzug in dieser Form allein organisatorisch schon nicht zu bewältigen gewesen wäre.

Truppenabzug ohne Motorisierung?

In seinem mit Hilfe von Werner Chrobak veröffentlichten Bericht (VHVO Bd. 123) mutet Bürger seiner Leserschaft eine prahlerische Angeberei zu, die logisch nicht mehr nachvollziehbar ist.

In dieser Variante wird die Anfrage des kommandierenden Generals, wohl gemerkt, bereits um 22 Uhr entgegen genommen und mit der daraufhin geführten Diskussion sei man zu folgendem Ergebnis gelangt:

„Regensburg kann geräumt werden auf dem Weg durch die Kavalleriekaserne über den Napoleonstein, Scharmassing, dicht westlich an den Schießständen bei Höhenhof vorbei über Wolkering in Richtung Landshut, wenn die Bewegungen vor Morgengrauen abgeschlossen sind.“

Ohne weitere Diskussion habe der Kampfkommandant Hüsson sogleich eben dieses Resultat an den Kommandierenden General gemeldet, der daraufhin um 23 Uhr den gleichlautenden Rückzugsbefehl für die Truppe erteilte.

Die von Bürger bislang betonte Voraussetzung für einen gelungenen Rückzug, wonach die Gespanne unbedingt motorisiert werden müssten, erhob er in der VHVO-Variante nicht mehr. Folglich brauchte er in dieser Darstellung auch nicht mehr klären bzw. davon berichten, ob die Stadt die unentbehrlichen Lastkraftwagen überhaupt zur Verfügung hätte stellen können. Anstelle dessen schob Bürger eine angebliche Anfrage bei der Stadtführung lapidar nach: Oberbürgermeister Dr. med. Otto Schottenheim sei „schon vorsorglich“ wegen einer Motorisierung der Truppe gefragt worden. Auch in der Erzählvariante kann sich so dasselbe wunderbare Ende einstellen.

Dass die Frage der Motorisierung eine zentrale Schlüsselstelle in der Bürger-Legende darstellt, zeigt sich auch an einem Brief vom November 1983. Darin schreibt Bürgers unverblümt, dass bei der Anfrage des kommandierenden Generals vom 26. April wegen eines eventuellen Rückzugs nicht bekannt gewesen sei, „ob und wieviel Kraftfahrzeuge wir uns in Regensburg beschaffen könnten.“

Alle Versionen der Bürger-Legende brauchen eine Motorisierung der Gespanne, denn nur so gelingt der legendär-spektakuläre Truppenabzug und nur so entsteht das Minimum an Spannung, das Helden-Geschichten nun einmal brauchen.

Regensburgs Schicksal und Bürgers Willkür

In Bürgers Erzählungen werden die zentralen Entscheidungen zwischen 22 und 23 Uhr des 26. Aprils getroffen. Er kann entsprechende Vorgänge in willkürlichen Varianten vortragen, weil sein „Kriegstagebuch“ auch und gerade an dieser Stelle eklatante Lücken aufweist. Deshalb war es erforderlich, den Zeitpunkt des alles verändernden Anrufs des Generals von 22 Uhr 30 handschriftlich im Tagebuch nachzutragen. Von einem vorsorglichen Telefonat mit Schottenheim wegen der Abstellung städtischer LKW weiß das fingierte Tagebuch nichts, stattdessen spricht es von „rücksichtslose(r) Unterstellung aller Fahrzeuge des zivilen Sektors“.

Weder der Wortlaut der Anfrage noch die Antwort des Kampfkommandanten sind in der Tagebuch-Abschrift angegeben. Geschweige denn, dass Bürger diese Schlüsselstellen anderweitig belegen könnte. Was ihn freilich nicht daran hinderte, entsprechende Befehlsphrasen wie Zitate niederzuschreiben.

Anscheinend misstraute selbst Bürger seiner Abschrift als Primärquelle, da er nur ein einziges Mal wörtlich daraus zitiert. Hierbei ging es ihm offenbar eine Bekräftigung der abstrusen Erzählungen über die „SS-Division Nibelungen“, die angeblich dafür sorgte, dass „der aus Abbach gemeldete Feind“ am 26. April 45 nicht weiter gekommen sei. (VHVO Bd. 123, S. 386)

Indem Bürger mit einer weiteren Bezugnahme auf das Tagebuch behauptet, dass der Stabsoffizier Othmar Matzke „wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe gemeldet“ (S. 389) worden sei, straft er sowohl sich als auch seine Abschrift der Lüge. Das Tagebuch weiß nämlich nichts von einer solchen Meldung.

In Bürgers diversen Schriften herrscht eigennützige Willkür vor, vom Mangel an logischer Nachvollziehbarkeit oder elementaren wissenschaftlichen Standards ganz zu schweigen.

Robert Bürger ein Paradebeispiel

Oberst a.D. Robert Bürger war ein ungeschickter Fälscher, der zu Recht ständig befürchtete aufzufliegen. Seine erste Niederschrift über die letzten Kriegstage stammt von 1955, sie schildert völlig andere Abläufe als spätere. Seine „Erstfassung“ von 1981 stellt bestenfalls einen selbstgefällig-subjektiven Rapport dar, aber keine eigenständige wissenschaftliche Arbeit. Die von Bürger vorgelegten Manuskripte waren keinesfalls brauchbar bzw. „bereits so gut ausgearbeitet“, wie Werner Chrobak im Vorwort des Bürger-Aufsatzes meint. Obwohl sie grundsätzlich überarbeitet und gravierende Änderungen vorgenommen worden waren, blieben „gewisse Unstimmigkeiten“, die vertuscht werden mussten. Dass dies nicht einmal halbwegs gelang, zeigen die manipulierten Fassungen des so genannten „Kriegstagebuchs“ und die Widersprüche in den diversen Darstellungen der Schlüsselentscheidungen vom 26. April zwischen 22 und 23 Uhr. Wer Bürgers Ausführungen trotzdem glaubhaft findet, macht sich selber unglaubwürdig, verfolgt wohl eigennützige Interessen.

Robert Bürger taugt nicht als Hauptfigur eines Gedenktags des Bundeswehrverbands. Eher schon als Lehrbeispiel für Geschichtsklitterung und systematische Manipulation in einem Umfeld mit ähnlicher Interessenlage. Und: als Exempel für unseriöse Traditionsbildung mit Hilfe eines Bundewehroffiziers, der seine Rolle in und die Wehrmacht selber verklärte.

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