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Interview mit Linken-Vorstand Bernd Riexinger

„Bei der Geschichtsaufarbeitung sind wir weiter als die CSU“

Von den übrigen lokalen Medien wurde sein Besuch ignoriert. Am Mittwoch war der Bundesvorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, in Regensburg, um seine Partei im Endspurt des Kommunalwahlkampfs zu unterstützen. Der 58jährige Bankkaufmann ist über sein Engagement bei der Gewerkschaft zur WASG gekommen und war dort im Landesvorstand der Partei in Baden-Württemberg. Seit 2012 ist er gemeinsam mit Katja Kipping Bundesvorsitzender der Linken. Ein kurzes Gespräch.

Beim Wahlkampfendspurt der Linken im Dollingersaal: Bundesvorsitzender Bernd Riexinger. Foto: Herbert Baumgärtner

Beim Wahlkampfendspurt der Linken im Dollingersaal: Bundesvorsitzender Bernd Riexinger. Foto: Herbert Baumgärtner

Hallo Herr Riexinger. Wie landet man als Bankkaufmann eigentlich bei der Linken?

Ich war ja nicht wirklich bei einer Bank, sondern bei einer Bausparkasse. Und das war mehr der proletarische Bankbetrieb ohne direkten Kundenverkehr, hoch gewerkschaftlich organisiert im Übrigen. Und ich bin ein bisschen stolz darauf, dass die Leonberger Bausparkasse der erste Bankbetrieb war, der in der Nachkriegsgeschichte gestreikt hat. Es gab da also schon ein bisschen politischen Drive und ich war stark gewerkschaftlich geprägt. Dann landet man eben irgendwann bei der Linken.

Bei Ihrer Gewerkschaftsaffinität kann es Ihnen aber dann nicht wirklich schmecken, dass die Gewerkschaften der SPD auf Bundesebene eine große Koalition empfohlen haben.

Ich kenne ja meine Gewerkschaftsführungen. Die sind sehr pragmatisch aufgestellt sagen: Wir nehmen doch lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Aber in der Tat wäre Rot-Rot-Grün viel näher an gewerkschaftlichen Positionen gewesen. Ich bin schon enttäuscht, dass die Gewerkschaften in der Summe nicht viel mehr für einen grundlegenden Politikwechsel geworben haben. Aber es gab ja Ausnahmen, meine Gewerkschaft ver.di zum Beispiel.

Realistisch wäre Rot-Rot-Grün ja ohnehin nicht gewesen. In der Elefantenrunde unmittelbar nach der Wahl haben Jürgen Trittin (Grüne) wie auch Peer Steinbrück (SPD) eine Regierungsbeteiligung der Linken kategorisch ausgeschlossen. Jetzt hat SPD-Vize Ralf Stegner vor wenigen Tagen Spitzengespräche mit den Linken gefordert. Von Sigmar Gabriel wurde er aber recht schnell wieder zurückgepfiffen. Was glauben Sie denn, wie lang es noch dauern wird, bis die Linke eine Koalitionspartner auf Bundesebene abgibt?

Erstmal ist es positiv zu werten, dass es eine Öffnung gibt. Nicht nur bei der SPD, auch bei den Grünen. Aber wir müssen registrieren, dass die SPD sich jetzt erst einmal in einer großen Koalition befindet. Die Grünen neigen sehr stark zu Schwarz-Grün und probieren das gerade in Hessen aus. Die nächsten drei Jahre sind wir also ganz klar Opposition und werden diese Rolle wahrnehmen. Danach wird sich zeigen, ob die Zeit reif ist für einen grundlegenden Politikwechsel. Wir wollen ja nicht einfach regieren. Wir wollen eine andere Politik machen. Und SPD und Grüne müssen sich entscheiden, ob es ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt gibt. Im Herbst wissen wir ein bisschen mehr. Wenn es nach drei Landtagswahlen eine Option für Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün gibt, wird man sehen, ob SPD und Grüne das machen wollen oder ob sich die SPD wieder in eine große Koalition flüchtet.

„Wenn wir unsere Position zu Kriegseinsätzen aufweichen, sind wir überflüssig.“

Eine Position, die den Linken besonders wichtig ist, ist die Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Speziell Sie persönlich betonen immer wieder, was für ein überzeugter Pazifist Sie sind. Das ist auch ein wesentlicher Knackpunkt, an dem eine Koalition auf Bundesebene mit der SPD, aber auch den Grünen scheitert. An welche Schmerzgrenze gehen Sie denn, um mitregieren zu dürfen? Vielleicht doch ein bisschen Auslandseinsatz?

Wir führen ja jetzt keine Koalitionsverhandlungen. Es gibt nicht einmal ein Gespräch auf der Spitzenebene. Wir brauchen also auch nicht über eventuelle Zugeständnisse zu reden. Was die Frage der Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr betrifft, fühlen wir uns aber auch durch die Fakten bestätigt. Jetzt wird das Fiasko in Afghanistan für alle deutlich. Und überall wo es Kriegseinsätze gab, auch da, wo Deutschland nicht beteiligt war, im Irak oder in Libyen, sind die Folgen doch verheerend. Ich glaube, dass die anderen Parteien sich uns annähern werden und sich die Position der Linken, dass Krieg keine geeignete Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, durchsetzen wird. Zumal ja die offensichtliche Mehrheit der Bevölkerung da weiter ist als die Parteien im Bundestag.

Aber grundsätzlich müssen Sie sich doch Gedanken machen, ob diese Position der Linken sich nicht doch irgendwann verändern wird. Sie wollen schließlich irgendwann mitregieren. Dafür macht man doch Kompromisse. Ein Beispiel: Flüchtlingspolitik ist auch ein Kernthema der Linken. Und wenn man sich Brandenburg ansieht, wo die Linke mitregiert, dann unterscheidet sich die Abschiebepraxis dort nicht all zu sehr von der in anderen Bundesländern.

In Brandenburg hat die Linke dafür gesorgt, dass die Residenzpflicht abgeschafft wurde. Ich denke also doch, dass dort eine etwas andere Flüchtlingspolitik gemacht wird. Und noch einmal zum Thema Auslands- und Kriegseinsätze: Ich bin mir sehr sicher, dass es keine Beteiligung der Linken an einer Regierung geben wird, die Kriegseinsätze der Bundeswehr verabschiedet. Wenn wir das machen würden, bräuchten wir keine Linke mehr. Ein Kernpunkt linker Politik ist Friedenspolitik. Wenn wir das aufgeben, würden wir uns selbst überflüssig machen.

„Über die Grünen wird drei Mal so oft berichtet wie über die Linke.“

Sie haben sich heute nach Bayern gewagt, ein Bundesland, in dem die Linke von der CSU immer noch ab und zu mit der NPD gleichgesetzt wird. Warum? Ist es üblich, dass Sie zu Kommunalwahlkämpfen kommen oder haben Sie ein spezielles Verhältnis zu Regensburg oder Richard Spieß?

Ich bin heute zum ersten Mal in Regensburg. Und dass ich bei Kommunalwahlkämpfen vorbeischaue, ist nichts Ungewöhnliches. Die sind für uns insbesondere in westlichen Ländern enorm wichtig, weil die Linke hier vor Ort nicht ausreichend verankert ist. Ich habe Richard Spieß und Irmgard Freihoffer im Vorfeld des Besuchs ein wenig kennengelernt und ich habe das Gefühl, dass die beiden hier einen guten Ruf haben, auch über die Parteigrenzen hinaus. Das ist eine Voraussetzung, damit sich die Linke etabliert. Obwohl es uns in Bayern insgesamt schon schwer gemacht wird.

Bei der Elefantenrunde nach der Bundestagswahl sind Sie vor allem mit Beschwerden darüber aufgefallen, dass Sie zu selten zu Wort kommen. Fühlen Sie sich von den Medien ungerecht behandelt?

Kleine Parteien werden gegenüber den beiden großen in der Berichterstattung generell benachteiligt und die Linke noch einmal deutlich mehr. Es gibt unabhängige Medienuntersuchungen, etwa aus der Schweiz, die wir jeden Monat bekommen. Die belegen, dass die Linke insbesondere im Fernsehen deutlich weniger beachtet wird, als dies ihrem Wahlergebnis entspricht. Obwohl wir stärkste Oppositionspartei im Bundestag sind, wird über die Grünen drei Mal häufiger in den Nachrichten berichtet als über uns. Im Dezember waren wir in den Medien auf dem Niveau der FDP, obwohl die nicht einmal mehr im Bundestag sind. Fair ist das nicht. Insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten widerspricht das auch dem öffentlichem Auftrag. Aber Medienschelte sollte man nicht betreiben. Davon wird das ja nicht besser.

„Bei der Geschichtsaufarbeitung sind wir weiter als die CSU“

Hier in Regensburg läuft das mit der Berichterstattung über die Linke ähnlich. Von der lokalen Tageszeitung, dem lokalen Fernsehsender oder Radio ist heute niemand vor Ort. Ein Teil der Berührungsängste könnte auch mit der SED-Vergangenheit Ihrer Partei zu tun haben. Wie stehen Sie dazu? Glauben Sie, dass die Linke damit offen genug umgeht und dass das ausreichend aufgearbeitet wurde?

Ich selber komme aus der undogmatischen Linken und aus der linken Gewerkschaftsbewegung. Ich hatte zur DDR und zum Sowjet-Kommunismus ein eher ein distanziertes oder zumindest ein sehr kritisches Verhältnis. Von daher kann ich völlig unbelastet damit umgehen. Ich habe aber den Eindruck, dass insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern eine wirklich sehr gründliche Geschichtsaufarbeitung stattgefunden hat. Völlig klar ist für die gesamte Linke, dass es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann. Ich glaube, dass da viel gelernt wurde. Wir haben erst vor kurzem eine Gedenktafel im Karl-Liebknecht-Haus angebracht, wo kommunistische und sozialistische Opfer der Stalin-Ära gewürdigt werden. Ich glaube, in punkto Geschichtsaufarbeitung sind wir wesentlich weiter als die CSU.

Bürgerbegehren darf nicht sammeln

Versammlungsfreiheit? Nicht im Gewerbepark!

Das Bündnis „Pro Stadtpass“ darf vor dem Jobcenter der Stadt Regensburg keine Unterschriften sammeln. Man sein nicht zuständig, heißt es von der Stadt. Das Gebäude befinde sich auf Privatgelände im Gewerbepark. Die Geschäftsführung der Gewerbepark GmbH wiederum genehmigt „grundsätzlich“ keine solchen Veranstaltungen. Juristisch ist die Sache allerdings nicht so einfach. Schließlich geht es um ein Grundrecht.

Der Wahlkampf wird rauer

„Liebling der Massen“ versus „Dipl. Ing. (TU)“

Der taktische Koalitionsbruch zeigt: Während die CSU gemeinsam mit mal mehr, mal weniger offensichtlich freundschaftlich verbundenen Medien ihren Kompetenzwahlkampf für Christian Schlegl führt, setzt das „Team Wolbergs“ weiter darauf, dass ihre Sympathiekampagne mit netten Fotos und angeblich „völlig unabhängig gegründeten“ Initiativen („Künstler für Wolbergs“, „Migranten für Wolbergs“, „Arbeitnehmer für Wolbergs“) verfängt.

Wolbergs: "Die haben panische Angst"

Koalitionsbruch mit Hintertürchen

Man wolle eine „stabile Mehrheit ohne SPD“. Unter dieser Überschrift verkünden Franz Rieger und OB-Kandidat Christian Schlegl am Freitagabend den Bruch der großen Koalition. Auch nach der Wahl wolle man einen anderen Partner. Seinen SPD-Konkurrenten Joachim Wolbergs bezichtigt Schlegl der Lüge. Wolbergs indes weist das zurück, spricht seinerseits von einer „glatten Lüge“ Schlegls und erklärt: „Die haben panische Angst vor der Wahlniederlage“.

Filmkritik: Und Äktschn!

Hitler privat

In seinem neuen Film nimmt Gerhard Polt nicht nur Video Blogger und Imagefilmer aufs Korn, sondern wirft auch spannende Fragen zur künstlerischen Verklärung des Lebens von Adolf Hitler auf. „Und Äktschn!“ ist nichts weniger als ein kleines Juwel.

Interview mit OB-Kandidat Benedikt Suttner

„Es ist mein Job, eine drauf zu kriegen.“

Er kam 2009 als Nachrücker in den Stadtrat, ist dort mit 31 Jahren der jüngste und nun gleich Oberbürgermeisterkandidat: der Grundschullehrer Benedikt Suttner (ÖDP). Im Stadtrat fiel die ÖDP in den letzten Jahren vor allem durch ihre Gegnerschaft zu fast allen Großprjekten auf. Im Zuge der Debatte um den BVP-NSDAP-CSU-Politiker Hans Herrmann hat sie zuletzt eines ihrer Zugpferde, Eberhard Dünninger, an die CSB verloren. Wie will Suttner mit seiner Partei bei dieser Wahl punkten? Wir haben ihn gefragt.

Wahlwerbung bizarr

„Und? Ois in Ordnung?“

Bei dem einen befindet man sich auf der Suche nach den Tassen im Schrank, der andere ist ganz und gar farblos und eine dritte plaudert munter sinnfrei vor sich hin. Es ist nur schwer festzustellen, ob sich Kandidaten im Vorfeld der Kommunalwahl bewusst lächerlich machen, um – wie man so schön sagt – viral im Netz verbreitet zu werden oder ob sie das, was sie da sagen und tun tatsächlich ernst meinen. Wir verleihen Preise.

Experte kritisiert angebliche Studie

„Jobwunder“ Regensburg? „Quatsch!“

Dass mit der Studie des Suchmaschinenbetreibers Adzuna, laut der Regensburg den „attraktivsten Arbeitsmarkt“ in ganz Deutschland hat, etwas nicht stimmt, beweist bereits ein Blick auf aktuelle Zahlen. Dass die Herangehensweise an sich zu keinem ernstzunehmenden Ergebnis führt, bestätigt jetzt auch der renommierte Experte Prof. Dr. Ernst Kistler.

Eine "Studie" mit Schwankungen

Großes Job-Wunder(n) in Regensburg

Regensburg ist „das neue Symbol für das deutsche Jobwunder“. Das behauptet nicht irgendjemand. Das vermeldet (online) die Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Verfasser bezieht sich dabei auf eine „Studie“ von zweifelhaftem Wert. Diese Woche, Stand heute, ist Regensburg übrigens gerade kein Jobwunder. Doch das kann morgen schon ganz anders sein.

Hans Herrmann hat keine Ehren verdient

Vom Arisierer zum Planierer

Nach wie vor läuft er: der Diskussionsprozess darüber, ob ein Nazi-Bürgermeister Schulpate, Ehrenbürger und Namensstifter eines Parks in Regensburg sein soll. Man müsse Hans Herrmann differenziert sehen und auch seine Verdienste in der Nachkriegszeit beachten, sagen die Verteidiger des BVP-NSDAP-CSU-Politikers. Recherchen von Regensburg Digital belegen nun: Als CSU-Oberbürgermeister hat Herrmann auch im Nachkriegs-Regensburg mehr als genug Schaden angerichtet.

Interview mit OB-Kandidat Richard Spieß

„Ich hatte auch Angst davor, dass der Russe kommt“

Er ist bislang der Kandidat mit den wenigsten Wahlplakaten und den wenigsten Fotos in der Mittelbayerischen Zeitung, darf sich aber dafür auf die Fahnen schreiben, die meisten (verbalen) Watschen im Stadtrat eingefangen zu haben („Wendehalskommunist“, „rote Socke“, „gnadenloser Demagoge“ etc.) und häufiger Auslöser von Wutanfällen des Bürgermeister-Trios zu sein: Richard Spieß. Seit 2004 ist der selbständige Handwerker bei der Linken (damals noch WASG) und kandidiert nun zum zweiten Mal als Oberbürgermeister-Kandidat. Im Interview erzählt er uns, warum in Verwaltungsvorlagen Schaidingers Wunschzahlen stehen, wohin ihn sich manche Medien wünschen und wie er den überhitzten Immobilienmarkt in den Griff bekommen möchte.

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