Ein Zugezogener mit Elan
Ein wenig nach Wahlkampf riecht es schon, wenn eine Piratin einen Piraten laudatiert. Aber der Bund für Geistesfreiheit (bfg) zeigt sich von seiner Wahl überzeugt: Freier Geist 2013 ist Benedikt Pirk. Er habe sich mutig dafür eingesetzt, „dass man nicht alles glauben soll, was die Kirche einem vorlügt“, sagt der bfg-Landesvorsitzende Erwin Schmid.
Nein. So voll wie im Dom ist es nicht. Die Anhängerschaft des Bunds für Geistesfreiheit ist noch etwas kleiner als jene der katholischen Kirche. Ein gutes Dutzend Freigeister hat es am Donnerstagabend zu den heutigen Feierlichkeiten ins RESI geschafft. Anstelle des Chors der Regensburger Domspatzen sorgt hier der Holländer Mark Hoogslag mit einem Schmählied auf Kaiser und Obrigkeit für den musikalischen Rahmen. Weihrauch, Eucharistie und goldprangende Gewänder werden durch einen Tschechow-Einakter ersetzt. Und anstelle von Hostie gibt es Bier.
„Wir sind verletzt! Wehe! Sakrileg! Unsre religiösen Empfindungen…“
Den Freien Geist des Jahres 2013 will der Zusammenschluss der Konfessionslosen heute ehren. Es ist Benedikt Pirk, ehemals Landtagskandidat der Regensburger Piraten. Und weil dieser, als aus Stuttgart Zugezogener, mit seinem Elan und seinem Organisationstalent für Demos (z.B. gegen Acta) so begeistert habe, sei die Wahl recht rasch auf ihn gefallen, sagt Armin Schmid, der Pirk vorgeschlagen hat.
Und man fühlt sich ein wenig an den Opferkult des nach Rom beförderten Gerhard Ludwig Müller beim Missbrauchsskandal erinnert, wenn Tina Lorenz, gleichfalls eine Piratin, ihre Laudatio mit folgendem Zitat einleitet:
„Die Kirche rollt durch die neue Zeit dahin wie ein rohes Ei. So etwas von Empfindlichkeit war überhaupt noch nicht da. Ein scharfes Wort, und ein ganzes Geheul bricht über unsereinen herein: Wir sind verletzt! Wehe! Sakrileg! Unsre religiösen Empfindungen…“
Ob Kurt Tucholsky, als er 1930 diesen „Brief an eine Katholikin“ schrieb, geahnt hatte, dass sich an dieser Empfindlichkeit nichts, aber auch gar nichts ändern würde?
Als Pirk Mitte des Jahres mit dem Slogan „Weil Religion Privatsache ist“ in den Wahlkampf zog und sich auch noch erdreistete, den Umgang katholischer Krankenhäuser in Regensburg mit der „Pille danach“ in offenen Briefen und per Pressemitteilung zu kritisieren, erhielt er zahlreiche böse Anrufe und mehrere Drohbriefe. Einen wunden Punkt scheint er da bei manchem Gläubigen getroffen zu haben. „Da wurde ich ganz schön angeschrien“, sagt Pirk recht ruhig, fast schon ein wenig zu schüchtern für einen, der in den Landtag wollte und darüber hinaus, das bescheinigt ihm Lorenz „ein mutiger Mann“ sein soll.
Regensburg: „eine Stadt, in der die Institution Kirche einen sakrosankten Standpunkt vertritt“
Mutig, weil er die Vermengung zwischen Werten einer dominanten Glaubensgemeinschaften mit den alltäglichen Abläufen einer weltlichen Gesellschaft kritisiert habe: Privilegien im Arbeitsrecht, die sich in der Diskriminierung von Homosexuellen, Geschiedenen und Nichtkatholiken oder dem Streikverbot äußert, etwa. Staatlich beigetriebene Kirchensteuer. Und die Verweigerung von Notfallverhütung aus ideologischen Gründen in katholischen Krankenhäusern, die erst vor kurzem ein wenig gelockert wurde.
Religionskritik? Gehört dazu wirklich Mut? Ist das nicht gerade hip und en vogue? Von wegen, meint seine Laudatorin. Pirk habe dies nämlich nicht in einer „weltlich geprägten Großstadt“ getan, sondern in Regensburg, „einer Stadt, in der die Institution Kirche einen sakrosankten Standpunkt vertritt.“ Er habe sich dagegen auf seinem Wahlplakat klar dagegen positioniert, „in einer Stadt, in der Politiker viel tun, um sich die Unterstützung dieser Institution zu sichern“. Und das zeuge von Rückgrat.
„Da hab ich wohl irgendetwas richtig gemacht.“
Viel Wählerstimmen hat es ihm freilich nicht gebracht, dem vorlauten Zugezogenen, der da die religiösen Gefühle der Regensburger Mehrheitsgesellschaft verletzt hat, aber dass er angebrüllt und per Brief geschmäht worden sei, habe ihm gezeigt: „Da hab ich wohl irgendetwas richtig gemacht.“