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OB-Kandidat Jürgen Huber im Interview

Herr Huber und der kleine Putin

Im Vorfeld der Kommunalwahl führt unsere Redaktion Interviews mit allen OB-Kandidaten. Nach Joachim Wolbergs, mit dem wir vor kurzem über den Sozialbericht gesprochen haben, ist dieses Mal die Reihe an Jürgen Huber von den Grünen, den Künstler (Kunstverein Graz) unter den OB-Kandidaten (Ein Porträt aus dem Jahr 2012). Vom Kulturentwicklungsplan, der Kurzfilmwoche und dem kleinen Putin…

Jürgen Huber

Herr Huber. CSU und SPD wünschen auf ihren Plakaten „Frohe Weihnachten“ oder machen Regensburg zum Geschenk, sie versprechen „10.000 Wohnungen“ oder „Mehr Wohnungen“ und die Grünen fügen dem Ganzen grüne Plakate hinzu, auf denen draufsteht „Die Grünen“. Zu Weihnachten wird dann mit Sprühdosen „Frohe Weihnachten“ draufgesprüht. Ist das die konsequente grüne Weiterführung eines inhaltslosen Wahlkampfs?

Das war kostengünstiges Konzept. Wir haben nicht einmal zehn Prozent des Wahlkampf-Budgets der CSU (Die hat mehr als 350.000 Euro, Anm. d. Red.). Wir konnten also nicht die 150 Plakatständer nach der Landtagswahl abbauen und dann für den Kommunalwahlkampf wieder aufbauen. Also haben wir erst mal günstige grüne Plakate als Platzhalter geklebt. Die haben wir dann als Tafeln genutzt, wo man etwas draufsprühen konnte und jetzt kommen Aufkleber mit inhaltlichen Schlagworten. Wir werden dann eben nicht 10.000 Wohnungen drauf schreiben, sondern 100.000. Nein, Schmarrn. Eben die Themen, um die es im Großen geht. Details kommen nicht auf die Plakate. Wir setzen auf direkten Kontakt, auf Stände und gehen in die einzelnen Stadtteile. Inhalte haben wir im Programm zuhauf.

„Im persönlichen Umgang hat die CSU mehr Format als die SPD.“

Und nach der Wahl? Ihnen wird nachgesagt, dass Sie am Liebsten mit der CSU und Christian Schlegl koalieren würden. Stimmt das?

Ich begreife mich grundsätzlich als Linker bei den Grünen, aber ich bin kein Verfechter dieser Lagertheorien. Es geht darum, dass wir in Regensburg grüne Gedanken, unser Programm, durchbringen. Und da ist es nicht prioritär, ob mit der CSU oder der SPD. Das wahrscheinlichste nach der Wahl ist aber sowieso wieder eine große Koalition. Nur wenn SPD und CSU sich im Wahlkampf übel zerstreiten, könnte das schwierig werden. Aber danach sieht es im Moment nicht aus. Beide Seiten scheinen da ein paar rote Linien eingezogen zu haben. Die ganze Diskussion um die Grünen kommt doch nur auf, weil die kleine Möglichkeit besteht, dass es sich für eine große Koalition nicht ausgehen könnte.

Und was werden die Grünen dann machen? Oder was würden Sie dann machen wollen?

Wenn Christian Schlegl auf uns zukommt, sehe ich keinen Grund, nicht mit ihm über eine Zusammenarbeit zu reden. Er geht wenigstens freundlich mit uns um. Bei der SPD sieht das schon etwas anders aus. Fraktionschef Norbert Hartl hat versucht, mich in einer Art und Weise zu desavouieren (Zum Nachlesen: Der angebliche Abrechnungsskandal), dass ich – und das tue ich sehr, sehr selten – mit ihm bislang nicht mehr rede.

Persönlich ist das eine, aber steht Ihnen die SPD nicht inhaltlich näher als die CSU?

Bei vielen Themen, die mir persönlich am Herzen liegen – sei es die Gedächtniskultur im Allgemeinen oder die Debatte um das Colosseum im Speziellen – habe ich von einer inhaltlichen Nähe der linken Gruppierungen, wenn man die SPD denn so bezeichnen will, nicht allzu viel merken können. Dasselbe gilt für das Thema Kulturentwicklungsplan oder die Wiederwahl von Kulturreferent Klemens Unger. Aber: Nur weil ich mich am Liebsten nicht mit Norbert Hartl an einen Tisch setzen möchte, heißt das nicht, dass ich das nicht mit Joachim Wolbergs tun würde. Danach sieht es aber überhaupt nicht aus. Die SPD hat aus den Zeiten der Regenbogenkoalition unter Oberbürgermeisterin Christa Meier ein Trauma. Hartl hat ja schon oft genug hinausposaunt, dass er vor einer Zusammenarbeit mit den Kleinen warnt. Und nochmal: Vom persönlichen Umgang her hat die CSU oft mehr Format als die SPD.

„Der Kulturentwicklungsplan ist nur dazu da, sich auf die Schulter zu klopfen“

Sie haben den Kulturentwicklungsplan (KEP) angesprochen. Das war ja immer ein Wunsch von Ihnen. Hat die weitere Arbeit daran jetzt überhaupt noch einen Sinn? Da gab es schon einige Ungereimtheiten bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen im Vorfeld, jetzt beschweren sich viele Kulturschaffende darüber, dass ihre Arbeit nicht oder kaum berücksichtigt worden wäre.

Dieser Kulturentwicklungsplan ist überhaupt kein Plan. Man hat den Eindruck, dieser KEP ist dazu da, sich – wie immer in Regensburg – auf die Schulter zu klopfen. Kritik ist Meckern, hat Christian Schlegl mal über uns Grüne gesagt. Kritik ist deshalb nicht erlaubt. Und so sieht auch dieser KEP aus.

Was meinen Sie konkret?

Der KEP ist für Kulturreferent Klemens Unger ein Werkzeug, um sich selbst abzusichern. Das Wichtigste für ihn war die Befragung dazu, ob die Leute mit der Kultur in Regensburg einverstanden sind. Was die Aktiven in den Arbeitsgruppen gemacht haben, hat er dann nur noch irgendwie eingestreut, so als ob man Pfeffer und Salz drüber streut. Das Stadttheater fehlt völlig. Natürlich darf man dem Theater kritisch gegenüberstehen, aber es ist nunmal zugleich der größte Posten in der Kulturpolitik. Und das lässt man weg? Die Kulturverwaltung desgleichen. Was ist denn das für eine Vorgehensweise?

„Ein bisschen Taschengeld für die freie Szene. Aber nicht streiten, gell!“

"Der kennt sich nicht aus." Jürgen Huber über Kulturreferent Unger. Foto: Archiv

“Der kennt sich nicht aus.” Jürgen Huber über Kulturreferent Unger. Foto: Archiv

Vom Kulturentwicklungsplan hätten sich aber viele aus der freien Szene etwas erhofft. Denen dürfte es nicht so wichtig sein, ob das Theater erwähnt wird oder nicht.

Ja, aber wie ist denn die Haltung gegenüber der freien Szene? Da heißt es doch einfach: Wir haben da noch ein bisschen Taschengeld zu verteilen, aber nicht streiten, gell. So geht man doch auf die Leute zu. In Regensburg gibt es für die freie Szene eine Alimentierung auf niedrigstem Niveau – etwa für das GRAZ, die Schauspielschule und so weiter. Die bekommen ein paar Brosamen, damit sie ruhig sind. Damit sie nicht aufbegehren. Damit es nicht heißt, die Stadt hätte nichts gemacht. Aber die eigentliche städtische Kulturpolitik läuft doch woanders ab.

Wo denn?

Da zaubert man ein Event ins Museum (die Furtmeyr-Ausstellung 2011, Anm. d. Red.), damit niemandem auffällt, dass da das ganze Jahr nichts passiert, dass es kein Konzept gibt, dass es nicht renoviert wird und dass es personell unterbesetzt ist. Da macht man für 300.000 Euro zum hundertsten Mal Carmina Burana im Stadtpark und das war dann das kulturelle Highlight des Jahres. Das muss man sich mal vorstellen. 300.000 Euro für Fahnen, für Masten, PR und den Veranstalter Reinhard Söll. Der hat das Geld schon verdient. Der hat seine Arbeit gut gemacht. Aber was hätte mit dem Geld in der freien Szene alles passieren können? Was hätten die daraus machen können. Klemens Unger hat keine Ahnung von der Materie. Der kennt sich nicht aus.

„Bei Herrn Unger ist man mit Kirchenführungen bestens bedient.“

Mit dem Einprügeln auf den Kulturreferenten wird man aber auf Dauer auch nicht weiter kommen.

Herr Unger ist sicher niemand, mit dem ich zum Kegeln gehen würde, aber ich habe nichts gegen ihn als Person. Wenn man mit ihm eine Kirchenführung macht, ist man bestens bedient. Da ist er bravourös. Keiner kann das so gut wie er. Oder Tourismus. Das kann er bestimmt gut. Aber keine moderne Kulturpolitik, mit der man die Stadt nach vorne bringt. Klemens Unger ist der Repräsentant einer Kulturauffassung, die erzkonservativ ist, die auf Brauchtumspflege und Bewahren setzt und die die Asche von längst Vergangenem am Liebsten noch hinter Glas konservieren würde.

Was wäre denn Kulturpolitik, die die Stadt nach vorne bringt? Wie würden Sie das denn machen?

Da gehört vieles dazu. Sicher auch das kleine Atelier, das man unterstützen soll. Aber mir wäre mehr daran gelegen, sag ich mal ein wenig boshaft, nicht die Laienkultur zu alimentieren, damit die auch ein bisschen malen können, sondern eine zeitgenössische Kunst und Kultur, die den Menschen ein Angebot dazu macht, wie man im 21. Jahrhundert möglicherweise zurechtkommen kann mit diesem unglaublich kompliziertem Leben. Das wäre mein Anliegen. Anspruchsvolle kulturelle Bildung.

„Die Kurzfilmwoche muss einen kommerziellen Sektor entwickeln“

Das hört sich jetzt sehr allgemein an. Geht’s nicht ein wenig konkreter?

In Regensburg könnte man so etwas zum Beispiel mit der Kurzfilmwoche machen. Die muss irgendwann in die Lage versetzt werden, ihre Leute zu bezahlen. Wenn Insa Wiese (die momentane Leiterin der Kurzfilmwoche) jetzt auch noch aufhören sollte, dann wäre Schicht im Schacht. Dann wär es vorbei. Und diese Situation haben wir mittlerweile zum dritten Mal. Dann schreien immer alle, mittlerweile sogar Christian Schlegl: „Kurzfilmwoche! Toll! Toll! Unterstützen!“ Aber es ist ja nicht damit getan, dass man der Kurzfilmwoche ein paar Euro mehr gibt. Das ist immer nur Geld auf Abruf. Wenn irgendwann wieder eine Krise kommt, dann werden die freiwilligen Leistungen gekürzt und das war’s dann wieder. Also muss das Konzept weiterentwickelt werden. Ich würde Insa Wiese meinetwegen 100.000 Euro draufgeben und ihr ins Aufgabenbuch schreiben, dass sie auch einen kommerziellen Sektor entwickeln muss.

Festivalleiterin Insa Wiese (mit Mitorganisator Philipp Weber).  Foto: pm

Ihr würde Huber etwas ins Aufgabebuch schreiben: Festivalleiterin Insa Wiese (mit Mitorganisator Philipp Weber). Foto: pm

Kommerzieller Sektor hört sich auch wieder recht schwammig an.

Es gibt in München und Nürnberg zum Beispiel ein Regionalbüro Film. Warum sollte in Regensburg nicht ein Regionalbüro Film Ostbayern entstehen? Dann können sich drumherum Protagonisten ansiedeln, die kommerziell etwas machen.

Wir hatten hier im GRAZ mal einen Grafiker, der Episoden der Mainzelmännchen fürs ZDF gemacht hat. So jemand zum Beispiel. Es gibt immer mehr Unternehmen, die Filme für ihre Werbung nutzen, Slapstick, Guerilla-Marketing. Jack Ass zum Beispiel, das sind zum Teil Werbefilme für Nike und andere. Und Firmen, die solche Filme drehen, könnten sich um so ein Regionalbüro ansiedeln. Dafür wäre Regensburg mit seiner Kurzfilmwoche prädestiniert.

Das ginge auch in anderen Bereichen, Professionalisierung reinbringen. Strukturen zu entwickeln, wo nicht nur Leute sind, die sich selbst verwirklichen wollen, sondern solche, die, sag ich jetzt Mal, einen höheren Benchmark haben. Und damit ziehe ich von unten automatisch wieder Leute nach. Wir haben in Regensburg aber genau die umgekehrte Entwicklung. Bei uns gehen die Leute weg. Wir haben einen brutalen Brain Drain. Dabei müsste das Gegenteil der Fall sein: Leute aus Tirschenreuth, Deggendorf oder dem Bayerischen Wald, die etwas machen wollen, müssten zu uns kommen. Das könnte Regensburg schon wollen, aber dafür muss man die Bedingungen herstellen, die richtige Labortemperatur.

„Der Alte Schlachthof wäre ein idealer Ort mit Labortemperatur gewesen“

Dafür bräuchte es aber erst Mal ein Labor. Wo sollte denn ein solches hinkommen? Wo sollen sich denn diese Leute ansiedeln, um auf Betriebstemperatur zu kommen?

Ich bin ganz ehrlich: Im Moment fällt mir da kein Ort ein. Für mich wäre das der Alte Schlachthof gewesen. Aber den hat man jetzt für ein kleines Tagungszentrum verschenkt. Dort wäre der Platz gewesen. Nicht nur für ein paar Ateliers in der Zollingerhalle. Das ganze Viertel hätte man so entwickeln können. Mit Quartiersqualität. Das ist auch Kulturpolitik. Ein neues Stadtviertel aufzumachen. Den Versuch zu unternehmen, mal rauszukommen und diese Fixierung auf die Altstadt zu relativieren, statt noch eine Schlafstadt.

Kongresszentrum statt Kulturviertel: Erste Grafiken des geplanten Tagungszentrums hat das Immobilienzentrum schon fertig.  Grafik: IZ

Kongresszentrum statt Kulturviertel: Erste Grafiken des geplanten Tagungszentrums hat das Immobilienzentrum schon fertig. Grafik: IZ

Und wie könnte so ein Viertel dann wieder aussehen?

Ein Quartier für Leute eben, die Abends nicht um zehn den Schlüssel in der Haustür rumdrehen. Die wären da falsch. Für mich gehört zu so einem Viertel Clubatmosphäre. So etwas wie der Kulturpark Ost in München vielleicht oder das Hafenquartier in Münster. Da muss auch Abends was los sein. Da braucht es eine bohemistische Umgebung. Toleranz, Talent, Kreativität, unkonventionelle Lösungen. Da kann auch der Personalchef von Conti oder BMW kommen. Der soll da auch kommen. Nur umgekehrt wird kein Schuh draus: Ich kann den Personalchef nicht fragen, wie Kreativwirtschaft geht.

Der Schlachthof ist aber jetzt weg. Wäre das Gelände rund um die H5 auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik nicht so etwas?

Der dortige Investor (Schmack Immobilien) ist nicht groß anders, als der am Alten Schlachthof (Immobilienzentrum Regensburg). Der nimmt keinen Euro in die Hand, um so etwas ordentlich zu unterstützen. Außerdem ist das schon wieder zu weit draußen. Wir haben in Regensburg eine kleine, eine sehr kleine Großstadt. Wenn man also solche urbanen Dinge wie Kreativwirtschaft etablieren will, muss man sich als kleine Stadt schon saumäßig anstrengen, um auf der einen Seite alle Akteure zusammenzubringen und auf der anderen Seite eine Lage zu finden, wo die Leute dann auch hingehen. Der Alte Schlachthof wäre so etwas gewesen. Aber der ist perdü. Genauso wie das Schenker-Areal an der Galgenbergbrücke.

„Investorenmodell Flachdachwürfel: Da war ja die DDR vielfältiger.“

Na ja. Kreativwirtschaft ist gut und schön, aber im Moment geht es eben eher darum, Wohnraum zu schaffen. Da muss gebaut werden und zwar schnell – sagt zumindest die Mehrheit im Stadtrat. Und dafür braucht es eben Bebauungspläne und Bauland.

Natürlich haben wir Interessenskonflikte. Natürlich geht es dringlich um Wohnraum. Und das Problem, dass es jetzt plötzlich schnell gehen muss, kommt daher, dass Hans Schaidinger das jahrelang unterdrückt hat. Weil er immer gesagt hat: Erst die Arbeit, dann das Wohnen. Neoliberaler , also naiv marktgläubiger geht es nimmer. Jetzt muss natürlich alles ganz schnell gehen und jetzt müssen wir, wenn es nach den Vorstellungen von Wolbergs und Schlegl geht, Wohnsilos bauen.

Wir haben keine Ansprüche an Qualität mehr, nur an Masse. Null Anspruch an irgendwas. Wenn wir so etwas wie ein französisches Viertel vorschlagen – das hätte eben zum Schlachthof auch dazugehört – dann werden wir kritisiert. Weil in Regensburg anscheinend nicht geht, was in Freiburg oder Tübingen gemacht wird. Hier haben wir überall diese Investorenmodelle. Auch auf dem Gelände der Nibelungenkaserne, das der Stadt gehört, wird alles dafür bereitet, dass nur diese weißen Flachdachwürfel drüber gestreut werden, wie wir sie in den letzten Jahren in Regensburg zuhauf haben. Einheitlicher geht es nimmer. Das war ja in der DDR bald vielfältiger.

 „Im Stadtrat wäre jeder Einzelne gefragt.“

Aber Wohnungen müssen gebaut werden.

Ja. Aber man muss zusehen, dass man anders baut. Bauen bedeutet, Lebensraum für Menschen zu schaffen und nicht, maximale Rendite zu erzielen oder in Beton zu investieren. Da dürfen auch Unternehmen in die Verantwortung genommen werden. Das ist auch kein Problem, wenn man denen die entsprechenden Vorgaben macht. Natürlich machen die das nicht freiwillig. Aber wenn Investoren und Hans Schaidinger sich zusammensetzen und das womöglich unter Parteifreunden diskutieren, dann werden sie es eben so machen, wie es bis jetzt immer gemacht worden ist. Das ist ja noch nicht mal verwerflich. Die vertreten eben ihre Überzeugungen, bloß: Die Stadtgesellschaft und da wäre eben der Stadtrat und zwar jeder Einzelne abseits seiner Partei gefragt, müsste dann entscheiden, was wir in Regensburg wirklich wollen: diese Schuhschachteln oder etwas anderes, Quartiere mit Charakter.

„Systeme der Politik, wie ich sie seit sechs Jahren im Stadtrat erlebt habe, funktionieren nicht mehr.“

Die Forderung, dass jeder Einzelne abseits von Partei oder Fraktion entscheiden soll, hört sich zwar gut an, aber ist dann doch ein wenig naiv.

Mir ist schon klar, dass man mir da Naivität vorwerfen kann. Es wäre auch ein Quantensprung, wenn es eine echte Zusammenarbeit des Kollegialorgans Stadtrat gäbe, nach dem Muster: Hier sind die Vorschläge und jetzt berät das Gremium ohne Ansehen der Partei oder Fraktion, was das Beste für Regensburg ist und dann bildet man Mehrheiten. Das hat mit CSU oder Grünen nämlich erst Mal nix zu tun, ob man eine Brücke baut oder nicht. Das könnte quer durch die Fraktionen gehen.

Gearbeitet wird aber nach dem Muster: Wie beschaffe ich Mehrheiten für ein Machtsystem. Der Schaidinger wollte eben durchregieren, ohne das ihm jemand dreinredet. Da ist er wie ein kleiner Putin. Das würde ich nicht wollen.

"Ein Monarch, ein Putin mit einem Rückgrat aus Granit." Jürgen Huber über Hans Schaidinger. Foto: Archiv

“Ein Monarch, ein kleiner Putin.” Jürgen Huber über Hans Schaidinger. Foto: Archiv

Ich habe in der Schule gelernt: Politik ist Kampf um Macht und die Ausübung der Macht. So war es früher: Antipoden stehen sich unversöhnlich gegenüber, prügeln aufeinander ein und versuchen den Hebel in die Hand zu bekommen, um die Weichen umzustellen. Aber das ist heute vorbei. Das hat zu nichts geführt. Wenn wir die Demokratie weiterentwickeln wollen, können wir auch konsensual vorgehen.

Ich glaube, dass diese eingefahrenen Systeme der Politik, wie ich sie seit sechs Jahren im Stadtrat erlebt habe, nicht mehr funktionieren. Das ist nicht zukunftsfähig. Es gibt ein großes Unbehagen über eine solche Politik in der Bevölkerung. Im Großen wie im Kleinen. Wenn dieses Unbehagen größer wird, dann ist sogar die Demokratie in Gefahr. Dann wird man wieder Lösungen von einer Einzelperson fordern. Wenn die „Quatschbude“ Stadtrat oder Parlament nicht mehr funktioniert, dann bekommen wir vielleicht wieder so etwas wie Weimarer Verhältnisse.

Der Oberbürgermeister erhält vielleicht sein Machtsystem und hat ein Rückgrat aus Granit, aber ihm wird zumindest eine Wirtschaftskompetenz bescheinigt, wie man sie sonst keinem zurechnet. Regensburg ist in allen Rankings weit vorne, die Wirtschaft brummt, es gibt jede Menge Arbeitsplätze…

Erst mal eine kleine Vorrede: Immer selbstversichernd darauf zu verweisen, dass wir Boomtown sind und bei Rankings an der Spitze stehen hat nicht in erster Linie etwas mit der Wirtschaftskompetenz des Oberbürgermeisters zu tun. Das haben vor allem die Menschen draußen erarbeitet. Das waren die Fließbandarbeiter bei BMW, Leute, die bei der Maschinenfabrik Reinhausen die richtigen Entscheidungen getroffen haben oder auch die Bäckereiverkäuferin, die jeden Tag zuverlässig und freundlich hinter der Ladentheke steht. Richtiges Produkt-Design, gute Qualität, niedrige Preise, mit all dem hat die Stadtverwaltung nur sehr begrenzt zu tun.

Natürlich ist die Wirtschaftsförderung in Regensburg sehr gut aufgestellt. Die Beamten machen einen sehr guten Job. Wenn es aber so wäre, dass die Verwaltungsspitze all das bewirkt hätte, dann hätte man sie auch dafür verantwortlich machen müssen, als wir keinen genehmigungsfähigen Haushalt hatten, weil BMW Rover gekauft, und damit neun Milliarden in den Sand gesetzt hatte und uns deshalb die Gewerbesteuer fehlte. Der OB kann ja nicht nur verantwortlich sein, wenn alles gut läuft.

Wirtschaftspolitik heißt doch im Wesentlichen, dass man einen attraktiven Standort zur Verfügung stellt – Flächen und Infrastruktur. Was macht die CSU da? Straßen und Parkplätze bauen. Intelligente Verkehrskonzepte, um 70.000 Pendler in die Stadt zu bringen, fehlen. Und Vorschläge wie eine sechsspurige Autobahn, noch eine Tunnelröhre oder Parallelbrücke in Pfaffenstein, noch eine Straße, noch eine Ostumgehung, noch eine Brücke sind keine Lösungen. Das ist blind. Das ist auch keine Wirtschaftspolitik. Da diktiert irgendeiner in der Wirtschaft eine Lösung, die er für sinnvoll hält und die CSU führt das dann aus. Intelligent ist was anderes.

Und wir brauchen auch qualitativ hochwertige Arbeitsplätze, wo man soviel Geld verdient, dass man seine Miete und seine Heizung bezahlen kann. Und wenn man sich derzeit manche Arbeitsplätze anschaut, dann ist das eben nicht der Fall. Das ist auch Wirtschaftspolitik.

„Schaidinger denkt, er hätte die Autos bei BMW selber gebaut.“

Jürgen Huber1Glauben Sie denn, dass es – unabhängig vom Wahlausgang – einen anderen Umgangston, eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, also die von ihnen erhoffte andere politische Kultur im Stadtrat geben könnte, wenn Schaidinger abtritt?

Als Neuling im Stadtrat war ich schon überrascht, wie das dort abläuft. Das Desinteresse am konstruktiven Gespräch und am Austausch. Das war schon bescheuert, wie das abläuft. Nach der Wahl wird es auf jeden Fall anders. Das Schaidinger-Modell ist vorbei für Regensburg. Der Mann war ja oft wie ein Monarch, einer, der denkt er hätte die Autos bei BMW selber gebaut. So ist keiner von den möglichen Nachfolgern. Insofern hoffe ich schon, dass wir bei der Wahl einen Stich machen. Ich glaube, dass sowohl Wolbergs wie auch Schlegl Hilfe brauchen, wenn sie Oberbürgermeister werden. Die brauchen Leute, die sie gut beraten. Und mit dem Grünen-Kandidaten hat jeder neue OB gute Chancen, dass er eine gute Beratung bekommt. Aber dazu müssen wir Grüne gut abschneiden.

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