„Rechtsfehlerhafte“ Beschäftigung an der Uni
Die Universität Regensburg hat mindestens 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „rechtsfehlerhaft“ befristet beschäftigt. Das hat kürzlich Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spaenle in einem Schreiben Anfang Januar klargestellt. Alle davon betroffenen Beschäftigungsverhältnisse gelten damit als unbefristet. Jetzt muss das Geld dafür – es geht jährlich um einen hohen sechsstelligen Betrag – irgendwoher kommen. Müssen jetzt die Fakultäten an anderer Stelle dafür bluten, dass der Kanzler sehenden Auges zu einer fragwürdigen Praxis gegriffen hat?
UPDATE: In einer früheren Version des Artikels war von bis zu 40 Betroffenen die Rede. Die Universität hat zwischenzeitlich die Auskunft gegeben, dass 14 Studiengangskoordinatorinnen von der Angelegenheit betroffen sind. Möglicherweise gibt es aber unabhängig davon noch Betroffene in anderen Bereichen.
WissZeitVG – hinter dieser etwas sperrigen Abkürzung verbirgt sich das „Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft“. Damit können die Beschäftigungsverhältnisse für wissenschaftliches oder künstlerisches Personal an Hochschulen und Universitäten auf maximal zwölf Jahre befristet werden. Der Grundgedanke dabei war unter anderem: Der Gesetzgeber trägt den Gegebenheiten an einer Universität – der Dauer einer Promotion oder Habilitation – Rechnung und ermöglicht eine längere Befristung anstelle des sofortigen Übergangs zu einer unbefristeten Stelle oder der früheren Kündigung.
Ein Koordinator als wissenschaftlicher Mitarbeiter?
Dieses Gesetz gilt wohlgemerkt nur für wissenschaftliches Personal, also den „Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt“. So steht es am 9. Januar 2014 in einem Schreiben von Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spaenle an Prof. Dr. Susanne Modrow. Die Frauenbeauftragte der Universität Regensburg hatte sich an das Ministerium gewandt und um Klärung gebeten, da in Regensburg „etliche Studiengangkoordinatorinnen in der Verwaltung der Fakultäten befristet als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen“ eingestellt worden seien.
Die Aufgabe eines Studiengangskoordinators beschreibt die Universität selbst in ihrem Blog 2010 vergleichsweise eindeutig: Es handelt sich um beratende, organisatorische und, wie der Name schon sagt, koordinierende Tätigkeiten. Von Forschung, Lehre oder irgendwie gearteten wissenschaftlichen Tätigkeiten ist darin keine Rede.
Ein Auszug:
„Ihnen allen gemein ist aber, dass sie die Umstellung von alten Diplom- und Magisterstudiengängen in das neue Bachelor- und Mastersystem koordinieren und erleichtern. Für Studierende gibt es also endlich konkrete Ansprechpartner, an die sie sich mit Fragen und Problemen wenden können. Dabei wird im Vordergrund nicht nur jedes ‘Individuum’ beraten, sondern im Hintergrund das ‘Kollektiv’ betreut – durch Informationsaufbereitung und -bereitstellung, so umfassend und komplett wie möglich.“
Ein klarer Fall sollte man also meinen: Eine Beschäftigung nach dem WissZeitVG ist damit nicht möglich. Das ergibt auch eine informelle Anfrage bei der „Gewerkschaft Erziehung Wissenschaften“ (GEW). Auch ist die Diskussion um die befristete Beschäftigung nicht neu: Bereits im August 2012 wurde diese Praxis von der Studierendenvertretung der Universität als nicht gesetzeskonform kritisiert.
Minister Spaenle: „Beschäftigungspraxis ist rechtsfehlerhaft“
Dennoch wurden, unter Verantwortung von Kanzler Dr. Christian Blomeyer, sämtliche Studiengangskoordinatorinnen auf Basis dieses Gesetzes befristet eingestellt. 14 Personen sind nach Auskunft der Universität von dieser Praxis betroffen. Wissenschaftsminister Spaenle bezeichnet diese Praxis als „rechtsfehlerhaft“. „Die Beschäftigten (haben) Anspruch auf unbefristete Beschäftigung.“
Die bislang befristet beschäftigten Studiengangskoordinatoren haben damit – nach Einschätzung von Arbeitsrechtlern – mit sofortiger Wirkung eine unbefristete Stelle. Diese Stellen bzw. das Geld dafür müssen nun irgendwoher kommen. Und nun bleibt die Frage, wer das bezahlen soll.
Unbefristete Stellen müssen nämlich vom Finanzministerium bewilligt werden. Im Gegensatz zu befristeten Stellen, die die Universität in Eigenverantwortung schaffen kann und anderweitig finanzieren muss, zum Beispiel aus Drittmitteln. Dass nun das Geld für 14 unbefristete Stellen so ohne weiteres vom Ministerium bewilligt werden wird, ist zumindest zweifelhaft.
Die Kosten für eine Stelle vom Kaliber einer Studiengangskoordinatorin belaufen sich auf jährlich rund 60.000 Euro. Auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass sämtliche Studienkoordinatoren in Vollzeit beschäftigt sind, bleibt in jedem Fall ein hoher sechsstelliger Betrag.
Unileitung: „Das Schreiben ist uns nicht bekannt.“
Auf eine Anfrage unserer Redaktion reagiert die Universitätsleitung etwas seltsam. Als wir uns wegen der Stellungnahme von Ludwig Spaenle an die Pressestelle wenden und dazu mehrere Fragen stellen, bekommen wir lediglich zur Antwort: „Ein entsprechendes Schreiben des Ministeriums ist uns nicht bekannt.“
Das ist etwas erstaunlich. In Spaenles Schreiben wird nämlich ausdrücklich erwähnt, dass die Universitätsleitung über die „Rechtsauffassung des Staatsministeriums informiert“ wurde, Stellung genommen und schließlich erklärt hat, Abstimmungen zu treffen, um die „notwendigen Dauerstellen“ zu schaffen.
„Nicht bewusst oder blauäugig gehandelt“
Erst als wir der Universitätsleitung das „nicht bekannte“ Schreiben per Fax zukommen lassen, werden unsere Fragen teilweise beantwortet. Es handle sich um eine „diffizile Rechtslage“, lässt man über Pressesprecher Alexander Schlaak mitteilen. Auf keinen Fall habe man sich „bewusst oder blauäugig“ in diese Situation gebracht. Zur Frage, um wie viel Geld es dabei geht, woher es kommen soll und ob dadurch möglicherweise Regressansprüche entstanden sind, äußert sich Kanzler Blomeyer nicht. Und bis geklärt sei, wie man nun in dieser Angelegenheit verfahren wolle, könnten wohl noch einige Wochen vergehen.
Dem Ministerium hat man, so heißt es in Spaenles Schreiben, die Auskunft gegeben, dass man „zur Schaffung der (…) notwendigen Dauerstellen (…) derzeit mit universitätsinternen Abstimmungen befasst“ sei.
Kündigung? Druck auf Fakultäten? Schadenersatz von der Unileitung?
Was kann das konkret heißen?
Die Universität könnte, das deutet Pressesprecher Schlaak an, das Stellenprofil für Studiengangskoordinatoren neu definieren und diese verstärkt mit wissenschaftlichen Tätigkeiten betrauen. Das entspräche allerdings zum Einen weder den bislang geforderten Aufgaben und zum Anderen würde das nur künftige Einstellungen betreffen.
Man könnte den Studiengangskoordinatoren betriebsbedingt kündigen. Das ist allerdings unwahrscheinlich, wo man doch diese Stellen über Jahre für wichtig und notwendig erachtet hat. Und in jedem Fall würde der Kündigungsschutz für die Betroffenen greifen.
Man könnte die Fakultäten unter Druck setzen, andernorts Stellen einzusparen. Dass dies dort klaglos hingenommen werden wird, steht indes nicht zu erwarten.
Natürlich könnte das Ministerium sich auch bereit erklären, diese Stellen ohne Ausgleich zu finanzieren? Doch was wäre die Konsequenz einer solchen Praxis? Könnte dann nicht die Universitätsleitung künftig häufiger sehenden Auges Stellen „rechtsfehlerhaft“ befristen, die dann nach Klärung der Rechtslage umgewandelt und vom Ministerium bezahlt werden? Unwahrscheinlich.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob nicht das Ministerium selbst auf die Idee kommen könnte, den Kanzler für die Kosten der nun unverhofft entstandenen unbefristeten Stellen in Regress zu nehmen.
Kanzler und Präsident: Zerrüttetes Verhältnis
So oder so dürften diese Vorgänge nicht dazu angetan sein, das Verhältnis zwischen Kanzler Blomeyer und Präsident Professor Udo Hebel wesentlich zu entspannen. Im Zuge der Affären um den Leiter der Personalabteilung, Mahmoud Al-Khatib, auf der einen und den geschäftstüchtigen Immobilienwirtschaftler Professor Wolfgang Schäfers auf der anderen Seite ist es zum Bruch zwischen den beiden gekommen. Das bestätigen uns verschiedene Quellen an der Universität.
Wegen einer anonymen Strafanzeige zu den zweifelhaften Nebentätigkeitsgenehmigungen und Beurlaubungen für Schäfers ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits seit mehreren Monaten, auch gegen den Kanzler.
Am 30. Januar tagt der Hochschulrat der Universität. Ein Tagesordnungspunkt: die Anhörung zur Bestellung eines Vertreters des Kanzlers. Spekulationen in einem Medium, denen zufolge dies darauf hindeuten könnte, das Blomeyers Stuhl wackelt, bezeichnet Pressesprecher Schlaak als „absolut haltlos“. Die Bestellung eines Stellvertreters sei ein „ganz normaler Vorgang“. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Stelle des Vizekanzlers seit 2009 nicht besetzt war.