„Liebling der Massen“ versus „Dipl. Ing. (TU)“
Der taktische Koalitionsbruch zeigt: Während die CSU gemeinsam mit mal mehr, mal weniger offensichtlich freundschaftlich verbundenen Medien ihren Kompetenzwahlkampf für Christian Schlegl führt, setzt das „Team Wolbergs“ weiter darauf, dass ihre Sympathiekampagne mit netten Fotos und angeblich „völlig unabhängig gegründeten“ Initiativen („Künstler für Wolbergs“, „Migranten für Wolbergs“, „Arbeitnehmer für Wolbergs“) verfängt. Hans Schaidinger indes greift im Kampf für Schlegl mit falschen Unterstellungen in die Auseinandersetzungen ein.
„Der Wahlkampf macht sehr viel Spaß. Wir erhalten sehr viel Zuspruch. Dass sich Initiativen für einen Kandidaten bilden hat es in Regensburg noch nie gegeben. So eine Bewegung für einen Kandidaten – nicht für eine Partei – hat es noch nie gegeben.“
„Scheidung auf Raten“
Als Joachim Wolbergs diese Sätze spricht, ist die Pressekonferenz kurz vor ihrem Ende. Angesichts der „Scheidung auf Raten“ (Norbert Hartl), welche die CSU mit ihrem taktisch motivierten Bruch der Koalition am Vorabend vollzogen hat, wurde zum Eil-Termin ins SPD-Wahlkampfbüro geladen. Und die Gelassenheit und Zuversicht, welche die SPD hier demonstrieren möchte, hat soeben ihren Höhepunkt erreicht. Dass man sich in der Defensive befindet – diese Sicht der Dinge will man heute keinesfalls aufkommen lassen.
Die CSU sei angezählt, lässt Fraktionschef Hartl die Medienvertreter wissen. Schließlich laufe es für die SPD einfach gut. Mehrfach betont Hart dabei, dass „Sie mich wohl selten so gelassen gesehen haben“. In der CSU, grinst Hartl, liebe man eben den Streit, aber davon lasse die SPD sich nicht beeindrucken. Das sei nicht der Stil der Sozialdemokraten, sagt er unter zustimmendem Nicken von Altoberbürgermeisterin Christa Meier, die mit am Tisch sitzt. Schließlich ist sie ja Wolbergs’ „Wahlkampfmanagerin“. Das erzählt man zumindest all jenen, die noch nicht mitbekommen haben, dass dafür, den Wahlkampf, die österreichische Agentur „Platzl Zwei“ (“Wir haben die Trendwende für die SPD in Bayern geschafft.”) engagiert worden ist. Doch das nur am Rande.
Weiter im SPD-Sympathiewahlkampf-Text.
„Der stabile Faktor“ und „das Rückgrat“
Sechs Jahre sei man „der stabile Faktor“ in dieser Stadt gewesen, lautet das Mantra. „So viel Rückgratlosigkeit habe ich nach diesen sechs Jahren nicht für möglich gehalten“, sagt Wolbergs mit Blick auf Schlegl und Rieger. Und dass man gut zusammengearbeitet habe, das habe ihm Oberbürgermeister Hans Schaidinger zuletzt am Sonntag – anlässlich der Feierlichkeiten zu seinem 65. Geburtstag – in die Hand hinein bestätigt.
Wie es in der CSU zugehe sehe man ja schon daran, dass Christian Schlegl – im Gegensatz zu Wolbergs und Hartl – den Oberbürgermeister auf der Gratulationsseite der Mittelbayerischen Zeitung nicht zu dessen Leistungen in den letzten 18 Jahren beglückwünscht habe. „Das ist schon einigermaßen bedenklich“, sagt Wolbergs und legt – demonstrativ gelassen natürlich – nach: Schlegl sei sich eben, wie jeder wisse, mit seinem Ziehvater Hans Schaidinger nicht mehr einig (Schaidinger hatte bei einem Termin im Presseclub insbesondere Schlegls Idee für einen Bustunnel unter der Altstadt scharf kritisiert. Ebenso sein Wahlversprechen für ein kostenloses zweites Kindergartenjahr.).
Schaidinger kann’s: Blödsinn verbreiten
Etwa zur selben Zeit als der SPD-Oberbürgermeisterkandidat all das sagt, veröffentlicht die Mittelbayerische Zeitung ein Statement von Hans Schaidinger, bei dem Wolbergs die Ohren klingen dürften.
Er habe mehrfach die Kastanien für Wolbergs aus dem Feuer holen müssen, so der Oberbürgermeister. Dieser habe als Sozialreferent „nicht ordentlich gearbeitet“. Und dass es Wolbergs an „Management-Qualitäten“ fehle, sehe man auch am Kulturzentrum Alte Mälzerei. Dort arbeite Wolbergs als Vorsitzender nicht effizient.
Damit holt Wolbergs ein Thema ein, mit dem bereits im letzten Wahlkampf gegen ihn Front gemacht wurde.
Wörtlich hieß es zunächst in dem MZ-Artikel:
Ebenso unzureichend sieht Schaidinger die Management-Fähigkeiten des SPD-Kandidaten. Joachim Wolbergs ist Vorsitzender des Vereins, der die Alte Mälzerei betreibt.
(…)
Schaidingers Eindruck: In der Alten Mälzerei gibt es sehr wohl noch Kapazitäten, die genutzt werden können. „Die Mitarbeiter dort haben mir auch nicht widersprochen, als ich festgestellt habe: Das eine oder andere könnte man dort schon noch besser machen.“
Das hätte jedoch auch dem Beirat des Vereins auffallen können, in dem zwölf Stadträte, darunter Astrid Freudenstein, Erich Tahedl (beide CSU), Dr. Thomas Burger, Lothar Strehl (beide SPD) und Jürgen Huber Grüne), sitzen. „Dieser Beirat ist von dem Verein in den letzten Jahren satzungsmäßig völlig unzureichend einberufen worden“, kritisiert Schaidinger. „Vorsitzender des Alte Mälzerei e.V. ist nach wie vor der Herr Wolbergs. Ich meine, wir könnten das Thema Alte Mälzerei effizienter managen.“
Damit ist Schaidinger sich nicht zu schade, zu lügen (oder ungeprüfte Behauptungen in die Welt zu setzen), um das Thema Mälzerei erneut aufzuwärmen: Entgegen seiner Behauptung gegenüber der MZ ist Wolbergs bereits seit mehreren Jahren nicht mehr Vorsitzender des Mälze-Vereins. Die MZ hat ihren Artikel in diesem Punkt später korrigiert und um ein Statement von Wolbergs ergänzt.
UPDATE, 17.50: Mittlerweile sind sämtliche Aussagen von Schaidinger zur Alten Mälzerei aus dem MZ-Artikel verschwunden. Auch die Überschrift wurde geändert.
Nun darf man – auf der einen Seite – noch gespannt sein, mit welchem „Skandal“ der allseits verspezelte Veranstalter Peter Kittel in seiner zum CSU-Wahlkampfblatt umfunktionierten Stadtzeitung aufmachen wird, um den SPD-Spitzenkandidaten als inkompetent darzustellen. Und auf der anderen Seite muss man abwarten, ob sich demnächst Bauchtänzerinnen, Pfeifenraucher oder Diplomingenieure in einer völlig „unabhängig gegründeten Initiative“ für Wolbergs zusammentun werden.
Anmerkungen der Redaktion am 26.02.14
1. Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen hat uns Folgendes mitgeteilt:
Für die Grünen ist nicht Jürgen Huber im Beirat Alte Mälzerei, sondern Dr. Wolfgang Mache. Ich habe das auch der MZ mitgeteilt, die daraufhin eine Änderung in der “vorübergehenden” online-Berichterstattung vorgenommen hat.
2. Darüberhinaus haben wir den Vorwurf der Lüge gegen Hans Schaidinger etwas abgeschwächt. Es kann ja sein, dass der OB tatsächlich mal etwas nicht wusste.
3. Die unabhängige Gründung der Initiativen für Joachim Wolbergs haben wir bewusst und auf Basis von gesicherten Aussagen in Frage gestellt.