Versammlungsfreiheit? Nicht im Gewerbepark!
Das Bündnis „Pro Stadtpass“ darf vor dem Jobcenter der Stadt Regensburg keine Unterschriften sammeln. Man sein nicht zuständig, heißt es von der Stadt. Das Gebäude befinde sich auf Privatgelände im Gewerbepark. Die Geschäftsführung der Gewerbepark GmbH wiederum genehmigt „grundsätzlich“ keine solchen Veranstaltungen. Juristisch ist die Sache allerdings nicht so einfach. Schließlich geht es um ein Grundrecht.
Flüchtlinge, Empfänger von Arbeitslosengeld II, von Grundsicherung oder Wohngeld – für sie ist er gedacht: der Stadtpass. Zehn Euro im Monat soll er kosten und neben einem Busticket 50 Prozent Ermäßigung für städtische Einrichtungen mit sich bringen. Seit Ende Januar werden Unterschriften für ein entsprechendes Bürgerbegehren gesammelt. Doch just dort, wo ein Großteil der Betroffenen zu erreichen wäre, wird das untersagt: beim Jobcenter der Stadt Regensburg. Die kuriose Begründung, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken: Die öffentliche städtische Einrichtung, zuständig für tausende Hartz IV-Empfänger in Regensburg, befinde sich auf Privatgelände.
Ordnungsamt „nicht zuständig“
„Beim Informationsgespräch mit dem Ordnungsamt wurde uns mitgeteilt, dass die Stadt für eine Genehmigung nicht zuständig sei“, sagt Bettina Moser. Sie ist Mitglied der „Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union“ (FAU), die zum Bündnis Pro Stadtpass gehört und wollte in dieser Eigenschaft einen Infostand auf dem Vorplatz des Jobcenters anmelden. Doch das ging nicht.
Der Gewerbepark Regensburg, wo sich das Jobcenter eingemietet hat, sei nämlich Privatgrund und entsprechend müsse man bei der dortigen Geschäftsführung nachfragen, so die Auskunft des Ordnungsamtes. Und dort, bei der Geschäftsführung, sei man, „nach langwierigen Gesprächen“, abgeblitzt, so Moser weiter.
Gewerbepark „genehmigt grundsätzlich nichts“
Roland Seehofer, Geschäftsführer des Gewerbeparks, bestätigt gegenüber unserer Redaktion, dass es eine entsprechende Anfrage der FAU gegeben und dass man diese abgelehnt habe. Man genehmige so etwas, also Unterschriftensammlungen, Demonstrationen oder ähnliche politische Veranstaltungen, grundsätzlich nicht. Weder vor dem Jobcenter, noch sonstwo. „Das bedeutet nicht, dass wir etwas gegen dieses politische Anliegen haben“, sagt er. Aber wenn man einmal etwas erlaube, könnten sich andere darauf berufen. Und wer solle dann entscheiden, ob man nun etwas zulasse oder nicht.
Eine interessante Frage. Wie ist das mit dem Versammlungsrecht auf Privatgelände?
Ist der Gewerbepark ein „allgemeines öffentlich zugängliches Kommunikationsforum“
Damit hat sich bereits das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Es ging um das Verteilen von Flugblättern im Rahmen einer Demonstration auf dem Frankfurter Flughafen. Damals, 2011, wurde in der sogenannten „Fraport-Entscheidung“ festgestellt, dass Versammlungen auf privatem Gelände nur genehmigt werden müssen, wenn der Raum ein „allgemeines öffentlich zugängliches Kommunikationsforum“ sei.
Was ist nun der Gewerbepark, der in den 80er Jahren von dem Unternehmer Johann Vielberth im Stadtnorden Regensburgs errichtet wurde und der sich in Eigentum der „Gewerbepark Regensburg GmbH“ befindet?
Gastronomie, Geschäfte, Grünflächen
Auf einer Grundfläche von 220.000 Quadratmetern stehen dort 30 Gebäudekomplexe. Dort gibt es Geschäfte, Büros, Gastronomie, Arztpraxen, Bildungseinrichtungen, Betriebe und eben auch das Jobcenter der Stadt Regensburg. Täglich halten sich, laut Angaben der Gewerbepark GmbH, dort, neben den rund 5.000 Beschäftigten, etwa 15.5000 Besucher auf. Es gibt Parkplätze und Verkehrsflächen, Bänke zum Verweilen, eingebettet auf 60.000 Quadratmeter großen Grün- und Wasserflächen.
Ist dieses Gelände also ein „öffentliches Kommunikationsforum“?
„Wunsch nach Wohlfühlatmosphäre“ darf Grundrechte nicht einschränken
In der Urteilsbegründung heißt unter anderem: Ein Verbot zum Verteilen von Flugblättern könne nicht auf den „Wunsch gestützt werden, eine Wohlfühlatmosphäre in einer reinen Welt des Konsums zu schaffen, die von politischen Diskussionen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen frei bleibt. Ein vom Elend der Welt unbeschwertes Gemüt des Bürgers ist kein Belang, zu dessen Schutz der Staat Grundrechtspositionen einschränken darf.“
Beim Frankfurter Flughafen handelt es sich um ein Unternehmen, dass sich überwiegend in öffentlicher Hand befindet. Insofern ist die erwähnte Fraport-Entscheidung nicht einfach so auf den Gewerbepark Regensburg umzusetzen.
Die Verfassungsrichter ließen in ihrer Entscheidung 2011 auch offen, ob in voll privatisierten Straßenzügen oder rein privaten Einkaufszentren das Recht auf Versammlungen und Demonstrationen eingeräumt werden muss. Ausgeschlossen haben sie es allerdings nicht.