Der politische Schnee von gestern
Ohne Not hat Christian Schlegl seinen Anspruch auf den Vorsitz der CSU-Fraktion aufgegeben. Warum er das getan hat, können sich selbst enge Parteifreunde nicht erklären. Und diejenigen, die das Wahldesaster mitzuverantworten haben, sind nicht nur fein raus, sondern erklären Schlegl schon vor der Stichwahl für politisch tot.
Es ist – fast wortgleich – immer dieselbe Antwort, die er gibt. Und fast muss man Christian Schlegl ein wenig bewundern. „Die Wahl von Hermann Vanino zum Fraktionschef sollte ein Zeichen unserer Geschlossenheit sein“, sagt er. „Ich wollte mich nicht mit einem Posten rückversichern. Schließlich will ich Oberbürgermeister werden.“
Wenn es jemandem zu verdanken ist, dass sich die CSU nach ihrem desaströsen Wahlergebnis bislang (noch) nicht selbst zerfleischt, dann ist es Schlegl. Sehenden Auges scheint er dafür seine politische Karriere zu opfern. Alles andere als ein Sieg von SPD-Kandidat Joachim Wolbergs bei der OB-Stichwahl am kommenden Sonntag wäre nämlich mehr als nur eine kleine Sensation. Und warum Schlegl ohne Not noch vor diesem Termin seinen Anspruch auf den Fraktionsvorsitz aufgab, können sich selbst enge Vertraute nicht erklären.
Zustimmung für Vanino erst nach Schlegl-Bitte
Als die neugewählte, auf 16 Stadträte zusammengeschrumpfte CSU-Fraktion sich vergangene Woche zu einer ersten Sitzung im Bischofshof am Dom traf, war für die meisten nämlich längst nicht ausgemacht, dass an diesem Tag ein neuer Fraktionschef gewählt werden sollte. Und Hermann Vanino hatte in dieser Fraktion längst keine Mehrheit. Es dauerte bis kurz vor Mitternacht, ehe die Stadträte sich einigten. Und erst auf die eindringliche Bitte von Christian Schlegl hin („Ich wünsche mir einen einstimmigen Beschluss für Hermann Vanino.“), erklärten sich auch jene Stadträte, die früher seinem Lager zugerechnet wurden (heute gibt man sich ja vordergründig befriedet) bereit, den früheren Skandal-Staatsanwalt auf diesen Posten zu hieven.
Warum Schlegl diesem Empfehlung gab, kann sich nicht einmal Oberbürgermeister Hans Schaidinger erklären. Bei mehreren Stadträten, die an dieser Entscheidung beteiligt waren, soll er nachgefragt und am Ende sogar die Vermutung geäußert haben, dass Schlegl irgendwie erpresst worden sei. Sicher zu sein scheint, dass die Neuwahl eines Fraktionschefs unmittelbar nach der Kommunalwahl zu den Bedingungen gehört hat, die Franz Rieger und Hermann Vanino bei den Friedensverhandlungen der CSU gefordert haben.
Die drei Strategie-Genies
Neben den beiden, Rieger und Vanino, war der Veranstalter Peter Kittel der Dritte im Bunde, als es darum ging, eine Strategie für den Schlegl-Wahlkampf auszubaldowern. Kittel insbesondere auch wegen seiner Kontakte zur Mittelbayerischen Zeitung. Er ist ein alter Spezl von MZ-Herausgeber Peter Esser. Und wie gut seine Verbindungen sind, zeigte der (am Ende erfolglose) Versuch der MZ, Kittel den Auftrag für die Ausrichtung des Katholikentages herbeizuschreiben. Im laufenden Wahlkampf gab es mehrfach Hinterzimmer-Treffen in Kittels „Mega In“-Lokal Emma, an denen neben Rieger, Vanino und Schlegl auch – das behaupten zumindest mehrere Zeugen – ab und an leitende Redaktionsmitglieder der MZ beteiligt gewesen sein sollen.
Die Entscheidung, öffentlich den Bruch mit der SPD zu vollziehen, kam insbesondere auf das Betreiben des Triumvirats Rieger, Vanino, Kittel zustande. Es ist auch bezeichnend, dass Schlegls offizieller Wahlkampfmanager Jochen Meyer bei der Veranstaltung am Wahlsonntag im Leeren Beutel nicht einmal mehr anwesend war. Abgesehen davon, dass die Entscheidung zum Bruch das Ergebnis für die CSU nicht eben positiv beeinflusst haben dürfte, ist sie nun ein gutes Argument für all jene in der SPD, welche die CSU – einen Wahlsieg von Wolbergs vorausgesetzt – für die kommenden sechs Jahre in die Opposition schicken und stattdessen ein Bündnis mit den Kleinen schmieden wollen.
„Zuletzt hat Rieger zu Schlegl gesagt, er sei politisch Schnee von gestern“
Für Christian Schlegl könnte es das – wohl nicht nur vorläufige – Aus seiner politischen Karriere bedeuten. Und es ist schon ein wenig tragisch, dass die CSU an seiner Stelle nun mit Vanino einen Fraktionsvorsitzenden hat, der angesichts seiner Vergangenheit politisch eigentlich nicht tragbar ist. Ebenso tragisch ist es, dass Franz Rieger nach Thomas Fürst und Armin Gugau auf seinem Weg nach oben nun auch Schlegl hat über die Klinge springen lassen, ohne selbst irgendwelche Konsequenzen für den von ihm mitverantworteten Wahlkampf ziehen zu müssen. „Zuletzt hat Rieger zu Schlegl gesagt, er sei politisch Schnee von gestern“, erzählt uns ein Mitglied der neugewählten Fraktion.
Dafür, dass Schlegl sich all das gefallen lässt, kann man ihn entweder bewundern oder bedauern. Aber wer weiß schon, was aus der alles andere als homogenen CSU-Fraktion noch werden kann. Dort sitzen mindestens acht Schlegl-Leute.