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Der baldige Ex-Oberbürgermeister Hans Schaidinger ist für Joachim Weller ein physiognomischer Glücksfall, CSU-Fraktionssprecher Hermann Vanino ein karikaturwürdiger Nachfolger und der Nationalpark Bayerischer Wald ein Etikettenschwindel. Ein Porträt über einen Forstleiter a. D. und seine Lust am Karikieren.

Von Dike Attenbrunner

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Karikaturist Joachim Weller malt seit er zum ersten Mal einen Stift halten konnte. Fotos: ad

„Hans Schaidinger, mein jetziger Star, ist bald weg. Ach, der hat schon eine einmalige Physiognomie. Der ist wahrlich leicht zu zeichnen!“ Eine gewisse Wehmut ist unverkennbar, in den Augen von Joachim Weller. Zu Tränen gerührt ist der Karikaturist aber nicht. Dafür hat Schaidinger, der baldige Ex-Oberbürgermeister von Regensburg, sich in seiner 18 Jahre währenden Amtszeit dann doch das ein oder andere Sperenzchen zu viel geleistet. „Und außerdem steht mit dem CSU-Fraktionssprecher Hermann Vanino ja schon wieder ein karikaturwürdiger Nachfolger auf der Polit-Bühne!“

Des Abpausens verdächtigt…

Wie ein Lausbub, der sich auf den nächsten Streich freut, sitzt Jo Weller beim Gespräch im Orphée und arbeitet scheinbar gedanklich schon an der filigranen Ausarbeitung seines neuen Stars. Der 78-Jährige malt seit er zum ersten Mal einen Stift halten konnte. Als Kind wurde er deshalb auch ganz gerne mal mit Buntstiften und Papier ruhig gestellt. Die Begabung des Jungen aus dem vogtländischen Ellefeld war nicht zu übersehen: In der Grundschule waren seine Zeichnungen dermaßen realistisch, dass ihn die Lehrer des Abpausens verdächtigten. Eine im Umgang mit der Kreide wenig versierte Lehrerin setzte ihn als Hilfszeichner an der Wandtafel ein.

Beruflich verschlug es ihn trotzdem nicht an eine Staffelei, sondern in den Wald. In Eberswalde, das zur damaligen DDR gehörte, begann er Mitte der 50er ein Forststudium. Als er von dort aus mit der S-Bahn für einen Freund ein von ihm gemaltes Hochzeitsbild nach Westberlin brachte, geriet er ins Visier der Stasi. Vor dem Studentenkreis wurde er wegen dieser Kurierfahrt als Wirtschafts- und Devisenverbrecher hingestellt („Das muss man sich mal vorstellen!“). Weiteren Ermittlungen entkam er jedoch, weil er sich mit seinem Fahrrad und ein paar wenigen Habseligkeiten heimlich in den Westen absetzte.

Über das Auffanglager Marienfelde gelangte Weller schließlich nach München, wo er sein Forststudium beenden konnte. Zuletzt war er Leiter des Forstamts an der Prüfeninger Straße. Als er in Rente ging, wurde diese Dienststelle im Zuge einer Umstrukturierung aufgelöst. Während seiner forstwirtschaftlichen Tätigkeit kam er auch auf den Geschmack des Karikierens.

Vom Etikettenschwindel des Nationalparks Bayerischer Wald

Der sportliche Forstamtler machte früher öfters bei den forstwirtschaftlichen Skiwettkämpfen mit und lernte so Erhard Engelstädter kennen, den damaligen Leiter des Forstamts Zwiesel. Der hatte, als bekannt wurde, dass im Bayerischen Wald ein Nationalpark entstehen sollte, mit Gleichgesinnten die „Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e.V.“ gegründet und war für eine größere Ausstellung zum Thema noch auf der Suche nach passenden Zeichnungen.

Wellers Karikaturen, die von der Bürgerbewegung unter dem Titel „Von der Serengeti in den Bayerischen Wald“ herausgegeben wurden, handelten vom Etikettenschwindel des ersten Nationalparks in Deutschland. „Voraussetzung für unberührte Naturlandschaften, die im Sinne einer Ausweisung als Nationalpark geschützt werden sollen, ist logischerweise eine nur äußerst schwache oder am besten fehlende Besiedelung größerer Gebiete“, erklärt Weller. „Die seit Jahrhunderten in Deutschland genutzten und bewirtschafteten Waldlandschaften der Mittelgebirge erfüllen deshalb – so müsste man meinen – die Qualifikation eines Nationalparks doch gar nicht!“, entrüstet er sich.

joachim wellerDiese Gebiete wären, so Weller, bestenfalls als Naturparks geeignet. Welche weitreichenden Folgen der Nationalpark für die Waidler gehabt habe, sei spätestens mit dem großflächigen Borkenkäferbefall in den 90ern sichtbar geworden. „Aufgrund der Gebietsstruktur wurde der Nationalpark ohne ausgewiesene Pufferzone errichtet. Nehmen Sie mal das Dorf Waldhäuser, das am Lusen liegt. Der Nationalpark reicht teilweise bis an die Häusergrenzen. Natürlich wurden die Privatwälder der Anwohner auch vom Borkenkäfer angeflogen!“ Ernst genommen habe man die Leute dennoch nicht: „Als eine Anwohnerin gegen den Nationalpark klagte, weil ihr Wald vom Borkenkäfer befallen worden war, hielt ihr der Richter lediglich entgegen: `Beweisen Sie, dass der Borkenkäfer aus dem Nationalpark kommt!´ Den Prozess verlor sie.“ Nur: Mit einer vernünftigen Schutzzone wäre das nicht passiert, ist Weller überzeugt.

“Regensburger – und andere – Bruchstücke”

„Zunächst hatte die Nationalparkverwaltung unter ihrem Leiter Hans Biebelriether das Problem geleugnet“, erzählt Weller, „dann mehrmals abgewiegelt und totgesagt. Gegenüber Außenstehenden und Politikern versuchte man – sogar unter Heranziehung von (Gefälligkeits-)Gutachten – unter Übergehung aller aus Erfahrung begründeter, forstfachlicher Warnungen, eine nur 200 m breite Borkenkäferbekämpfungszone entlang der Nationalparkgrenze zum anliegenden Privatwald als ausreichend zu deklarieren. Als der erwünschte Effekt ausblieb und die ersten Klagen der Angrenzer auf Entschädigung eingingen, erweiterte man die Bekämpfungszone auf 500 m Breite. Und als sich auch dadurch der Käfer nicht aufhalten ließ, musste 1997 sicherheitshalber, wie es hieß, der Einschlag über eine Breite von 1500 m ausgedehnt werden! Was dabei von der Nationalparkidee übrigbleibt, mag sich jeder selbst ausrechnen.“

So ein Vorgehen habe es weltweit sonst nirgends gegeben, betont Weller, das habe mit einem Nationalparkgebiet nicht mehr viel zu tun gehabt. „Aber der Nationalpark war nun mal von der CSU gewollt, die wollten damit die Grünen ausbremsen.“ Da sei vieles nicht ganz koscher gelaufen. Über das „an den Leuten und am Wald Vorbeireden“ schüttelt er noch heute den Kopf. „Dass der Nationalpark über 40 Jahre nach seiner Errichtung noch die Gemüter erregt, zeigt doch wie tief der Stachel im Bewusstsein der Waidler steckt!“ Seiner Meinung nach hätte man besser daran getan, wenn man einfach bei einem waldschonenden „Naturpark Bayerischer Wald“ geblieben wäre.

Wie dem auch sei: Die Nationalpark-Debatte hatte jedenfalls Wellers Lust an der Karikatur entfacht. Sein künstlerisches Interesse richtete er fortan aber auf die Regensburger Kommunalpolitik. Unter dem Titel „Regensburger Bruchstücke“ fasst er seit einigen Jahren seine Karikaturen im Jahresüberblick zusammen und verteilt die Hefte an Freunde. Später nahm er auch überregionale Ereignisse zeichnerisch aufs Korn. Bekannt wurde sein Name als er 2006 an der Ausstellung „Karikatur und Satire in Regensburg“ des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg e.V. teilnahm und er im Zusammenhang mit dem „Regensburger Almanach 2009“ drei Karikaturen zur umstrittenen Napoleon-Inschrift am Pylonen-Tor in Stadtamhof veröffentlichte.

Die künstlerische Freiheit

Die neue Bekanntheit wurde Weller zum Verhängnis als kurze Zeit später eine etwas anzügliche Karikatur von OB Hans Schaidinger auftauchte und Weller daraufhin als vermeintlicher Verursacher zur Kriminalpolizei vorgeladen wurde. Der Beamte sah die Sache gelassen, verglich die vorliegende Karikatur mit Wellers Arbeiten und kam zu dem Schluss, dass dieser das im Vergleich vom Zeichenstil her gar nicht gewesen sein konnte. Irgendjemand hatte wohl einfach seinen Namen in den Ring geworfen. „Trotzdem war das eine wirklich unangenehme Sache für mich“, zeigt sich der Karikaturist auch heute noch entrüstet. „Wenn man davon ausgeht, dass Karikaturen der künstlerischen Freiheit unterliegen, dann rechnet man doch nicht mit so etwas!“

Der Rentner ist deswegen immer auf der Hut: In seinen Heften „Regensburger – und andere – Bruchstücke“ finden sich neben den Zeichnungen thematisch passende Berichte aus den Tageszeitungen. „Dann kann mir keiner unterstellen, ich hätte mir da irgendetwas aus den Fingern gesaugt!“

Ach, was Joachim Weller kann, können Sie schon lange? Oder zumindest jemand, den Sie kennen, der wiederum jemand kennt? Dann zögern Sie nicht lange und schreiben Sie uns eine Email mit Ihrem Vorschlag. Wir sind für unsere Porträt-Serie laufend auf der Suche nach interessanten Menschen in und rund um Regensburg. Und nein, berühmte reiche Vorfahren oder eine Angehörigkeit zum Hause Thurn und Taxis sind dafür nicht vonnöten.

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