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Stadtgeschichte

Das Ende des Hunnenplatzes

Demnächst verschwindet am Donaumarkt das letzte Gebäude, das noch an einen einst belebten Platz erinnert. Dort entsteht bis 2018 das Museum der bayerischen Geschichte.

Blick nach Norden über die Donau auf den historischen Hunnenplatz. 1966 waren alkle Gebäude mit Ausnahme der Nummer abgebrochen worden. Foto: Foto: Edition Bunte Hunde

Blick nach Norden über die Donau auf den historischen Hunnenplatz. 1966 waren alle Gebäude mit Ausnahme der Nummer 5 abgebrochen worden. Foto: Foto: Edition Bunte Hunde

170.400 Euro. So viel kostet es die Stadt Regensburg, das Gebäude mit der Hausnummer „Hunnenplatz 5“ abreißen zu lassen. Um Platz für das „Museum für bayerische Geschichte“ auf dem Donaumarkt zu schaffen, muss das dreistöckige Haus demnächst weichen. Ende März segnete der Bauausschuss des Regensburger Stadtrats die dafür nötigen Finanzmittel ab. Damit verschwindet das letzte Gebäude, das noch an diesen historischen Platz erinnert, der vor fast zwei Generationen von der Stadt Regensburg selbst zerstört wurde.

Wiederaufbau unter großen Opfern

Es muss kurz nach Ende des II. Weltkriegs gewesen sein. Das Anwesen der Eheleute Brem war durch einen Bombentreffer zu fast 90 Prozent zerstört worden. Und noch vor der Währungsreform, die am 20. Juli 1948 in Kraft trat, entschloss sich die Bäckersfamilie, es wiederaufzubauen. Ursprünglich sollte das Haus aus Geldmangel nur noch zweistöckig werden, da aber aufgrund der Flüchtlingsströme große Wohnungsnot in Regensburg herrschte, drängte die Stadt auf einen dreistöckigen Bau. Diesen habe man dann auch gestemmt. „Unter großen Opfern“, wie es in einem Schreiben der Brems an die Regierung der Oberpfalz heißt.

Der Hunnenplatz 5 heute. Demnächst wird das Haus abgebrochen. Foto: as

Der Hunnenplatz 5 heute. Demnächst wird das Haus abgebrochen. Foto: as

Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es in der Regensburger Stadtverwaltung Pläne für einen großen Straßendurchbruch – die sogenannte „Bayerwaldbrücke“, die vom heutigen Donaumarkt-Areal über den Unteren Wöhrd nach Stadtamhof führen sollte. Den Brems allerdings versicherte man seinerzeit, dass ihr Haus nicht von diesen Plänen betroffen sein würde. Das Haus „stehe endgültig außerhalb der Baulinie“, so die schriftliche Versicherung der Stadt.

Hans Herrmann besiegelt die Abbrüche

Doch bereits wenige Jahre später wurden unter Oberbürgermeister Hans Herrmann jene Fakten geschaffen, mit denen das Wohnhaus und die Bäckerei der Brems zum Abbruch freigegeben wurden. 1954 wurde – gegen Widerstände in der Stadtverwaltung – der Querbau des Kolpinghauses errichtet. Weil dieser Querbau umfahren werden musste, wurden weitere Abbrüche notwendig, um die irrwitzige Vision der Bayerwaldtrasse zu verwirklichen. Die Baulinie, die das Haus der Brems zunächst verschont hätte, wurde verschoben. Und als die Bäckersleute dagegen Widerspruch bei der Regierung der Oberpfalz einlegten, wurde dieser ebenso wie viele andere mit wenigen Worten abgelehnt. In dem entsprechenden Schreiben vom 18. September 1962 heißt es lapidar:

„Da der Ausbau der geplanten Straße – auch wenn er erst nach geraumer Zeit erfolgen dürfte – für eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in der Regensburger Altstadt und darüber hinaus unerlässlich und im öffentlichen Interesse gelegen ist, muss der Einspruch zurückgewiesen werden.“ Die geplante Straßenführung könne „nicht mehr geändert werden“, heißt es weiter. „Es wird Aufgabe der Stadt sein, zur gegebenen Zeit Frau Barbara und Herrn Fritz Brem angemessen zu entschädigen.“

Über 40 Gebäude abgerissen

Die Trasse kam bekanntermaßen nicht. Sie scheiterte endgültig in den 90ern am Widerstand mehrerer Bürgerinitiativen. Doch bereits Mitte der 60er Jahre waren – im vorauseilendem Gehorsam – nahezu alle Gebäude abgerissen worden, die der Trasse und dem geplanten zentralen Verkehrsknotenpunkt am heutigen Donaumarkt im Weg gestanden wären.

Der Hunnenplatz 5 kurz nach dem Wiederaufbau. Der Stuck wurde später abgscvhlagen. Foto: privat

Der Hunnenplatz 5 kurz nach dem Wiederaufbau. Der Stuck wurde später abgschlagen. Foto: privat

Rund um das Brem-Anwesen verschwanden sowohl der Hunnenplatz wie auch der östliche Georgenplatz. Das Heldengässchen und die Eschergasse gibt es nicht mehr. Verschwunden sind unter anderem mehrere Lebensmittelläden, ein Elektrogroßhandel, ein Fahrradgeschäft und die Weinessig- und Konservenfabrik Hengstenberg. Insgesamt fielen mehr als 40 Gebäude den Verkehrsplänen zum Opfer.

Kaufpreis: weniger als 40 DM pro Quadratmeter

Zum größten Teil zu Spottpreisen kam die Stadt in Besitz von Gebäuden und Grundstücke. Wo der Quadratmeter Wohnraum heute bis zu 5.000 Euro kostet, musste die Stadtz in den 60ern häufig weniger als 40 D-Mark pro Quadratmeter Grund ausgeben – immer die drohende Enteignung angesichts der Wichtigkeit der Verkehrstrasse als Verhandlungsargument im Gepäck. Nur wer über Geld verfügte, um sich juristischen Beistand zu suchen, wie etwa die Hengstenberg-Fabrik, konnte einen angemessenen Verkaufspreis aushandeln.

Abgebrochen: Die Gebäude am östlichen Georgenplatz. Blick nach Norden über die Donau auf die Eiserne Brücke.  Foto: Edition Bunte Hunde

Abgebrochen: Die Gebäude am östlichen Georgenplatz. Blick nach Norden über die Donau auf die Eiserne Brücke. Foto: Edition Bunte Hunde

Warum das Haus der Brems verschont wurde, ist nicht herauszufinden. Und auch, ob sie tatsächlich angemessen entschädigt wurden, ist unklar. Über die Modalitäten wurde Stillschweigen vereinbart. Man dürfe sich nicht äußern, ist aus dem Umfeld der Familie Brem zu hören. Von der Stadt ist lediglich zu erfahren, dass das Haus Hunnenplatz 5 erst im Jahr 2012 erworben worden sei. Mit dem demnächst vonstatten gehenden Abbruch verschwindet die letzte Erinnerung an ein ehemals lebendiges Stadtviertel, das von der Stadt selbst ohne Not zerstört wurde. Ob das Museum der bayerischen Geschichte dafür eine angemessene Entschädigung sein wird, muss sich erst noch zeigen.

Abbrüche im Osten der Regensburger Altstadt.

Abbrüche im Osten der Regensburger Altstadt.

Mehr Infos:

Eine Pflichtlektüre für jeden echten Regensburger ist das Buch „Sündenfall an der Donau“ von Peter Eiser und Günter Schießl. Auf 104 Seiten beschreiben sie plastisch und detailreich wie die städtebauliche Wunde am Donaumarkt entstanden ist. Wer dieses Buch liest und die Bilder ihre Geschichten erzählen lässt, der wird begreifen, dass zum Leben und Wohnen in einer Stadt mehr gilt als profitable Umgestaltung um jeden Preis. „Sündenfall an der Donau“ ist in der edition bunte hunde erschienen (ISBN 3-934941-08-7).

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