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Für viele Kumpfmühler ist das Wirtshaus Eisbuckel so etwas wie das zweite Wohnzimmer. Das liegt nicht nur am bayerischen Ambiente, sondern auch an Pächterin Susanne Gleich. Die 52-jährige Wirtin ist für ihre Gäste längst zu einer guten Freundin geworden.

Von Dike Attenbrunner

Susi

Pächterin Susanne Gleich wird von ihren Gästen meist nur Susi genannt. Fotos: ad

„Wer mit Anfang zwanzig immer nur von Job zu Job weitergereicht wird, bei dem wundert es mich nicht, wenn er keinen Bock mehr auf Arbeit hat!“ Als ich morgens um zehn das Wirtshaus Eisbuckel betrete, sind die ersten Gäste schon da. Es wird über die Perspektiven junger Menschen geredet, die heutzutage dank unsicherer Zeitverträge oftmals keine mehr haben – und über die Veränderungen im Regensburger Stadtteil Kumpfmühl.

Ein richtiges bayerisches Wirtshaus

Das Eisbuckel wurde vor über 100 Jahren als Teil der bahneigenen Wohnungsgruppe im nördlichen Teil des Viertels gebaut, „aus Gründen der sozialen Fürsorge“, wie man auf der Webseite des Lokals nachlesen kann. Naturgemäß trifft man hier also seit jeher Eisenbahner an. Traf, muss man eigentlich sagen. Denn „die Eisenbahner sterben langsam aus“, erzählt Wirtin Susanne Gleich. Die 52-Jährige hat das Lokal seit nunmehr 14 Jahren gepachtet. Als sie die Gaststätte übernahm, gab es noch einen vollen Eisenbahnerstammtisch.

Doch seit einigen Jahren mischt sich Jung und Alt in Kumpfmühl. Auf Grund der Uni-Nähe sind viele Studenten in das Viertel gezogen. Susi, wie die Pächterin hier von allen genannt wird, freut sich darüber. „So ein richtiges bayerisches Wirtshaus, in dem alle zusammenkommen, so etwas gibt es ja sonst fast gar nicht mehr in Regensburg!“ Deshalb ist das Eisbuckel für viele Anwohner auch so etwas wie das zweite Wohnzimmer. Manch einer ist sogar an Heiligabend hier. Schließtage gibt es keine.

„Ein Wirtshaus ist ein Tag- und Nachtjob“, räumt Susi ein. Damit es ihr nicht zu viel wird, arbeitet sie meist nur tagsüber. Abends zieht sie sich in die über dem Eisbuckel gelegene Wohnung zurück, dann braucht sie ein paar Stunden für sich. Zumal sie sich auch noch um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern muss, die weit über 70 sind und nach wie vor in Prag wohnen. Dafür nimmt sie sich regelmäßig zwei bis drei Tage frei, um in die Hauptstadt der Tschechischen Republik zu fahren. Der letzte richtige Urlaub liegt schon vier Jahre zurück.

Das Eisbuckel ist ein Zuhause

Susi nimmt es gelassen. Die zierliche Frau kann scheinbar nichts aus der Ruhe bringen. „Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich das auch durch. Entweder ich mache eine Sache gescheit oder ich lasse es bleiben.“ Als Jugendliche war sie im Leichtathletik-Team der tschechischen Nationalmannschaft. Drei bis vier Stunden täglich wurde trainiert. Als sie sich eine schwere Verletzung zuzog, machte sie Schluss. Seitdem hat sie nie wieder Sport getrieben.

„Warum auch? Im Eisbuckel bin ich ohnehin immer in Bewegung!“, sagt sie und steht auf, um einem ihrer Stammgäste ein Weißbier zu bringen. Bestellen muss der nicht, Susi kennt die meisten ihrer Gäste mit Namen – und deren Angewohnheiten auch. Sie sitzt oft mit am Tisch und unterhält sich mit den Leuten. Für viele Kumpfmühler ist die Wirtin längst zu einer guten Freundin geworden, der man alles erzählen kann. „Ich bin einfach ein sehr sozialer Mensch, ich brauche den Kontakt zu anderen. Deshalb bin ich früher auch Erzieherin geworden.“ Zu Pragerzeiten arbeitete die gebürtige Tschechin in einem Heim für schwer erziehbare Kinder. Als sie mit 20 ihren Mann kennenlernte, gab sie den Job auf und zog zu ihm nach Regensburg.

Eisbuckel

„Als Wirtin lernt man schnell, unparteiisch zu sein“, sagt Susi. Der passende Spruch dazu hängt im Eisbuckel: „Es wird ersucht, im Interesse des Friedens und der Gemütlichkeit, das Politisieren in diesem Lokale zu unterlassen!“

Zunächst war sie bei ihrem Mann im Autohandel angestellt. Zu der Zeit besuchte sie oft ihre Schwägerin im Eisbuckel, weil diese dort als Bedienung aushalf. Der damalige Pächter fragte Susi, ob sie nicht auch Lust hätte, zu bedienen. „Ich? Bedienen?!? Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen! Echt, die ersten Tage konnte ich nicht mal das Bier vernünftig einschenken!“ Aber das legte sich rasch, Susi fand Gefallen an ihrem neuen Job. Als der Pächter nicht mehr weitermachen wollte, war das Eisbuckel längst zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Sie übernahm das Lokal kurzerhand.

Zufällig kommt keiner vorbei

Die Entscheidung hat sie nie bereut, auch wenn es nicht immer einfach ist. „Zu uns kommen nur Leute, die unsere Gaststätte kennen. Zufällig kommt hier auf Grund der Lage keiner vorbei.“ Beim Mittagsgeschäft merke sie das zum Beispiel: „Vor jedem Supermarkt steht schon gleich ein Gockelwagen, überall kannst dir heut schnell deine Semmel mitnehmen. Das geht auch gar nicht anders, weil die meisten nur noch eine halbe Stunde Mittagspause haben.“ Das Leben sei einfach hektischer geworden, viele Stammgäste kämen nun nicht mehr täglich. Aber das liege auch am Geld. „Seit fünf Jahren merken wir das bei uns im Wirtshaus. Die Kosten für den Lebensunterhalt steigen, aber der Verdienst bleibt gleich. Das ist ja auch bei mir nicht anders. Wenn ich nicht selbst mitarbeiten würde, wäre das Lokal nicht rentabel.“

Das Rauchverbot wirke sich ebenfalls negativ auf das Geschäft aus: „Es wird weniger getrunken, weil die Gäste zum Rauchen rausgehen müssen. Wobei ich das eigentlich gar nicht so schlimm finde. Ich rauche zwar selber viel, aber es ist schon angenehm, wenn der Rauch nicht in den Augen beißt. Und stinken tut es nun auch nicht mehr.“

Ludmilla und Susi

Susi (rechts) und ihre Angestellte Ludmilla.

Klar habe sie ab und an Momente, in denen sie sich überlege, ob sie überhaupt weitermachen wolle. „Aber dann kommt der nächste Tag und es geht doch irgendwie wieder.“ Sie sei halt ein positiver Mensch, sagt Susi von sich. Und ihr Mann Gerhard, der sie im Eisbuckel unterstütze, sei ähnlich gestrickt. „Wir wissen, dass wir uns immer aufeinander verlassen können.“

Susi und die “Eisbuckler”

Nur der gemeinsame Sohn sei manchmal zu kurz gekommen. Das sei einer der wenigen Punkte über die sie manchmal nachgrüble, seit sie das Eisbuckel übernommen habe, gesteht Susi. „Mein Sohn ist hier drinnen aufgewachsen und deswegen hatte ich auch nicht so viel Zeit für ihn.“ Allerdings hätten auch ihre Eltern ihr ganzes Leben lang gearbeitet, wie das nun mal so üblich gewesen sei im Osten. Für den Haushalt waren größtenteils sie und ihr Bruder zuständig. Dass der Sohn nun als Koch im Eisbuckel mitarbeitet, freut sie umso mehr.

Gemeinsam überlegt sich die Familie immer wieder etwas Neues. Von günstigen frisch zubereiteten Mittagsangeboten über Grillabende und Fußball-Übertragungen im gemütlichen Biergarten bis hin zu „All you can eat“ und Billardturniere. Susi will ihren Gästen mehr Abwechslung bieten.

Eisbuckel außen

Das Wirtshaus bekam den Namen des Stadtviertels, in dem es steht. Der nördliche Teil Kumpfmühls wurde “Eisbuckel” genannt, weil man dort gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine Eisgrube angelegt hatte.

Nicht nur, weil sie neue Gäste gewinnen will, sondern weil ihr viele „Eisbuckler“ ans Herz gewachsen sind. Auch wenn manche Begegnung traurig endet. „Eine Anwohnerin war 18 Jahre lang jeden Tag bei uns, eine junge Frau mit einem Riesenherz. Die war wirklich schon mehr Freundin als Gast. Doch dann ist sie leider schwer erkrankt. Mein Mann und ich haben sie oft ins Krankenhaus gefahren und ihr das Essen in die Wohnung gebracht. Als sie schließlich starb, habe ich lange gebraucht, um das zu verkraften.“

Wer ins Eisbuckel geht, der gehört halt einfach zur Kumpfmühler Familie. „Und weil ich so gerne hier bin“, sagt Susi lachend, „werde ich das Eisbuckel führen, solange ich noch latschen kann!“

Ach, was Susi kann, können Sie schon lange? Oder zumindest jemand, den Sie kennen, der wiederum jemand kennt? Dann zögern Sie nicht lange und schreiben Sie uns eine Email mit Ihrem Vorschlag. Wir sind für unsere Porträt-Serie laufend auf der Suche nach interessanten Menschen in und rund um Regensburg. Und nein, berühmte reiche Vorfahren oder eine Angehörigkeit zum Hause Thurn und Taxis sind dafür nicht vonnöten.

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