Ein “Medien unser” auf die Neutralität
Was eigentlich als Diskussion über den Einfluss der Medien auf die Stadt Regensburg gedacht war, glich einem Lobgesang auf Neutralität und Zurückhaltung. Kein Wunder: Man hatte vergessen, Regensburg Digital und das Wochenblatt einzuladen. Ein kommentierender Bericht.
Von Dike Attenbrunner
Regensburg, Infozentrum Domplatz 5: Die Hände sind meist gefaltet. In der Einrichtung der katholischen Innenstadtseelsorge betet man gerade. An diesem Ort nichts Ungewöhnliches, möchte man meinen. Es sei denn, man wüsste um den Inhalt des Gebets. Diejenigen, die ihre Hände da geradezu merkelhaft vor sich halten, sind Moderator Domvikar Monsignore Dr. Werner Schrüfer, Manfred Sauerer, Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung und Martin Gottschalk, Chefredakteur von TVA.
Diese drei Herren trafen sich vergangene Woche zu einem Domratsch über „Die vierte Macht – Zum Einfluss der Medien auf unsere Stadt“. Fast schon gebetsmühlenartig durften die Zuhörer dabei von den beiden zuletzt Genannten erfahren, dass man sich in den Medienhäusern von TVA und MZ weder als Macht fühlt, noch einen sonderlichen Einfluss auf die Stadt und ihre Bewohner ausübt.
Neutralität ist das oberste Gebot
Bei TVA versteht man sich laut Gottschalk als reiner Nachrichtendienst, als Erklärer, der die Information quasi adressatengerecht aufbereitet von A nach B bringt („Die Meinung sollen sich die Leute selber bilden.“). Und MZ-Chefredakteur Manfred Sauerer räumte zwar einen gewissen Einfluss seiner Zeitung ein („Die Medien können Einfluss haben, aber daraus entsteht keine Machtposition.“), will aber nichts von einer gezielten Machtausübung wissen.
Und da wären wir dann auch schon mittendrin in der Litanei, die da heißt: Wir sind uns unserer presserechtlichen Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit bewusst und gehen selbstverständlich äußerst verantwortungsvoll damit um. Vorgebetet wurde dem Publikum unter anderem, dass man sich natürlich in keinster Weise beeinflussen lasse. Nicht von den Verlegerfamilien und erst recht nicht von Werbekunden. Man im Gegenteil auf „Neutralität“ achte, wie Gottschalk es formulierte – und der als TVA-Beispiel den Chef vom Dienst anführte, der, weil politisch aktiv, während der Wahlkampfzeit von seinem Posten ausgeschlossen worden war.
Die beiden Chefredakteure bemühten sich außerdem um mehr Verständnis für die Arbeit des Journalisten. „Viele empfinden die Medien auch als Durchlauferhitzer für ihre eigenen Dinge, die sie transportieren wollen und erkennen eigentlich nicht an, dass wir Redaktionen doch selber entscheiden, was wir aufgreifen“, sagte beispielsweise MZ-Chefredakteur Sauerer. Man könne den Redakteuren im digitalen Zeitalter bei der Arbeit zuschauen, führte er weiter aus, das sei eine ganz neue Situation für die Medien. „Jeder kann veröffentlichen“, betonte der MZ-Chefredakteur. Die Barriere einer Druckerei gebe es nicht mehr und das sei im Prinzip auch eine Konkurrenz für Medienhäuser: „Viele haben Gedanken und die meisten davon sind alles andere als dumm.“ Man müsse sich also überlegen, wem man glaube.
Kritische Nachfragen ernten Achselzucken
Und TVA-Chefredakteur Gottschalk schilderte: „Es ist nicht so, dass alle immer Bock darauf haben, ins Fernsehen zu kommen. Wir haben auch oft den Nachteil als Fernsehanstalt, dass wir einfach O-Töne nicht so bekommen, wie sie eine Zeitung bekommt.“ Und man habe nur eine halbe Stunde Sendezeit, da müsse man alles reinpacken. „Da ist die Zeitung in gewisser Weise in einer komfortableren Situation, weil sie sich da auch mal eine Seite sparen … oder eine Seite mehr drucken kann.“
Auch wenn das alles völlig zutreffende und berechtigte Anmerkungen sind, hinterließen kritische Nachfragen aus dem Publikum allerhöchstens ein unbeteiligtes Achselzucken. Sauerer blieb selbst dann gelassen, als er mit dem Fall Götz konfrontiert wurde (die MZ hatte außergewöhnlich lange damit gewartet, über die fragwürdige Doktorarbeit des Regensburger Unternehmers zu berichten) – und gab, statt einer Antwort, Auskunft über die mangelhaften Putzqualitäten des Götzschen Reinigungsdienstes: „Mit den Leistungen des Reinigungsdienstes, wenn ich so in mein Büro schaue, bin ich nicht direkt zufrieden. Aber hinter dem Thema steckt etwas, was uns jetzt eine weitere Stunde kosten würde. Das kann man vielleicht ein anderes Mal besprechen.“
Nun, meine Herren, Gebete haben oft die Angewohnheit, dass sie die Menschen in eine Art Trance versetzen und ihnen glauben machen wollen, dass etwas schon eintreten wird, wenn man es nur oft genug wiederholt. Doch auch wenn Sie das „Medien unser“ tausendmal herunterbeten, bleibt letztlich als Ergebnis nur das hängen, was am Ende im Fernsehen läuft oder in der Zeitung steht. Und da driften Gebet und Realität (siehe Götz) bisweilen ganz schön auseinander.
Blogger sind Leute, die ihre Meinung zum Ausdruck bringen
Aber für die Da-kann-man-einfach-nicht-neutral-sein- Fälle sind dann wohl die Blogger verantwortlich. Das sind übrigens „Leute, die auch ihre Meinung relativ deutlich zum Ausdruck bringen“, wie man von Gottschalk erfahren durfte. „Das ist natürlich nicht immer 100 Prozent neutral, das muss man aber wissen, wenn man diese Seiten aufruft.“ Auch wenn es gut sei, dass es sowas gebe, so Gottschalk weiter, stehe man deshalb als tagesaktuelles Medium aus seiner Sicht umso mehr in der Verantwortung, auch wirklich neutral zu sein und sachlich zu berichten.
Natürlich ist das für uns Blogger im Lokalen alles andere als einfach. Sie haben also vollkommen recht, Herr Gottschalk, wenn Sie darauf hinweisen: „Da kennt man sich einfach. Da gibt es persönliche Beziehungen zwischen den Menschen. Man mag den einen vielleicht ein bisserl lieber als den anderen – und da ist die Gefahr natürlich zwangsläufig gegeben, dass dadurch dann auch ein gewisser Einfluss in der Berichterstattung, die man dann nach außen trägt, unbewusst ausgeübt wird.“ Man müsse also gerade im Lokalen sehr, sehr vorsichtig sein.
Viele Nachrichtenportale, nur zwei Diskutanten
Wir von Regensburg Digital haben deswegen lange gezögert, ob wir auf diese Plauderei eingehen sollen. Als Medienkollegen kennt man sich schließlich. Nach reiflicher Überlegung fanden wir es jedoch jammerschade, dass diese öffentliche „Diskussion“ lediglich einem illustren Kreis von einigen wenigen Senioren vorbehalten sein sollte. Und ja, sich für oder gegen eine Veröffentlichung entscheiden zu können, das ist per definitionem Macht. Da hatte Dr. Schrüfer schon recht, als er sagte: „Wer nicht in der Zeitung steht, der existiert nicht.“
Wir hätten abschließend nur eine Bitte, lieber Dr. Schrüfer: Wäre es nächstes Mal vielleicht möglich, die Debatte über den Einfluss der Medien auf Regensburg um das Wochenblatt und Regensburg Digital zu erweitern? Auch wenn, wie dem Programmheft zu entnehmen ist, die „Gespräche über Gott und die Welt“ wohl traditionell mit zwei Gesprächspartnern stattfinden: „In Regensburg gibt es vergleichsweise viele Nachrichtenportale“, wie TVA-Chefredakteur Gottschalk treffenderweise anmerkte. Und die darf man schon auch ins Gebet nehmen!