Kein Dialog mit „Wahnwichteln“
Beißende Kritik an den Montagsdemos. Mit Jutta Ditfurth war am Dienstag eine linke Ikone in Regensburg zu Gast. Den Regensburger Demonstranten erging es bei der Diskussion schlecht.
„88! Du Nutte!“
„Sie gehören verbrannt und vor einer Weltgemeinschaft hingerichtet.“
„Einmal zehn Minuten mit Ihnen in einem dunklen Raum mit dem Recht auf freien Abzug und das Problem wäre für immer erledigt.“
Es ist nur ein kleiner Auszug der Reaktionen, die Jutta Ditfurth auf ihrer Facebook-Seite erhielt, nachdem sie sich dort Ende März kritisch über die „Montagsmahnwachen“ äußerte, die ausgehend von Berlin seit einigen Wochen in mehreren Städten abgehalten werden. In dieser neuen Friedensbewegung fänden sich, so Ditfurth, unter anderem Verschwörungstheoretiker, Antisemiten, Homophobe, NPDler und anderen Nazis zusammen. Das brachte ihr einen Shitstorm von bislang 120.000 Kommentaren ein. Weil sie einen der Organisatoren, den vom Linken zum homophoben Verschwörungsideologen gewandelten Jürgen Elsässer, als „glühenden Antisemiten“ bezeichnete, erwirkte der eine Einstweilige Verfügung vor dem Landgericht München, die Ditfurth diese Aussage vorläufig verbietet.
„Ich verstehe nicht, wie Elsässer so dumm sein konnte, gegen mich zu klagen.“
Vielleicht ist das der Grund, warum die Publizistin am Dienstag darum bittet, keine Ton- oder Videoaufnahmen von ihrem Vortrag zu machen. Sich einmal zu verplappern könnte eine Strafe von 250.000 Euro nach sich ziehen. Erst wenn das Landgericht München endgültig entschieden hat, ob Ditfurths Aussage rechtens ist oder nicht, ist der Maulkorb entweder weg oder bleibt dauerhaft. Allerdings gibt sie sich am Dienstag recht optimistisch, den anstehenden Prozess zu gewinnen. „Ich verstehe nicht, wie Elsässer so dumm sein konnte, gegen mich zu klagen. Denn je härter ich urteile, desto besser kann ich es begründen.“
Die Gewerkschaft ver.di hat die streitbare Soziologin nach Regensburg in den Leeren Beutel eingeladen, um über die „Querfront und neue Rechte“ bei den Friedensdemos zu berichten. Die Regensburger Mahnwache kennt Ditfurth noch nicht, wird sie aber im Lauf des Abends noch kennenlernen. Einige der Organisatorinnen sind unter den gut 150 Zuhörern. Und mit ihnen springt Ditfurth nicht eben zimperlich um.
„Instant-Welterklärung“ wie ein Hollywood-Film
Für die „ach so friedensbewegten Wahnwichtel“ sei die Welt wie ein Hollywood-Film: ein Kampf zwischen dem Guten auf der einen und dem Bösen auf der anderen Seite. Im Rahmen dieser „Instant-Welterklärung“ gälten mal die USA, mal die EU als die Bösen und dahinter stecke dann fast immer eine „jüdische Weltverschwörung“, die man in der Federal Reserve Bank (FED) identifiziert zu haben glaubt.
Der Kapitalismus treibe die Menschen in den Wahnsinn, sagt Ditfurth. Und die Hoffnung, dass Krisenzeiten die Massen nach links, in Richtung eines radikalen Humanismus treiben würden, sei gerade in einem Land wie Deutschland völlig verfehlt. Hier verrohe die Mittelschicht, zitiert sie aus einer Studie der Universität Bielefeld. Da würden die Ellbogen ausgefahren, es komme zum „Rattenrennen“ und Solidarität gelte als „etwas für Weichlinge“.
Der Hysteriker und der Reichsbürger
Der eineinhalbstündige Vortrag gerät stellenweise zu einer radikalen Kapitalismuskritik, einem Plädoyer für eine antinationalistische Haltung, die das binäre Denken in Schwarz und Weiß, Gut und Böse, verhindere. Es brauche eine „Emanzipation von Staat, Volk und Nation“.
Ditfurth liefert im Schnelldurchlauf einen Überblick über die Modernisierung rechter Ideologien durch neue Codes und Begrifflichkeiten, streift deren Einfluss auf Teile der Öko- und Tierrechtsbewegung. Daneben watscht sie die Berliner Drahtzieher der Montagsdemos ab.
Den „Hysteriker“ Ken Jebsen, von dem so schöne Sätze stammen wie: „Die Nationalzionisten haben Israel okkupiert wie die Nazis 1933 Deutschland okkupiert haben.“ Oder den „Reichsbürger“ Lars Mährholz, der als Ursache aller Kriege der letzten 100 Jahre die FED sieht. Bei den von Ditfurth als „Wahnmachen“ bezeichneten Montagsdemos werde eine personenfixierte, verkürzte und im Kern antisemitische Kapitalismuskritik formuliert. Irgendwann müsse man aber doch mal Marx lesen und sich theoretisch mit dem Thema auseinandersetzen, ehe man zur Aktion schreite. Das klingt wie ein Rat an manche Teilnehmer der Montagsdemos. Auf Gnade dürfen sie in der anschließende Diskussion allerdings nicht hoffen. Ditfurth bügelt sie regelrecht nieder.
Hilflose Distanzierung
Wie berichtet, hat bei den hiesigen Montagsdemos der Regenstaufer Neonazi Andreas Dießinger versucht, Fuß zu fassen. Dießinger strebt den Posten des Regensburger NPD-Chefs an und ist via Facebook bestens vernetzt mit vorbestraften Schlägern, Kameradschaften und NPD-Größen. Sein Auftritt endete mit einer seltsam anmutenden Links-Rechts-Debatte und einer hilflos-naiv klingenden Distanzierung der Organisatorinnen.
Auf der zentralen Montagsdemo-Seite von Lars Mährholz wird die Regensburger Mahnwache allerdings nach wie vor aufgeführt und in internen Facebook-Gruppen gibt es nach wie vor bizarre Debatten.
Von „faulen Säcken“ und dem „Sozialarbeiter-Komplex“
Ein Montagsdemonstrant, der am Dienstag um mehr Dialogbereitschaft bittet, er sei doch kein Nazi und fühle sich von dieser Pauschalkritik angegriffen, wird von Ditfurth mit den Worten „Kein einziges Argument. Wofür rede ich hier eineinhalb Stunden? Kein bisschen Hirnanstrengung“ auf den Platz verwiesen. Einem anderen, der meint, dass es sich bei den Regensburger Demonstranten doch um „verwirrte junge Menschen“ handle, die man eher davor schützen müsse, dass die Falschen die Wortführerschaft übernähmen, attestiert Ditfurth einen „Sozialarbeiter-Komplex“. Es sei eben eine Grundtendenz mancher deutscher Linker immer nur Harmonie haben und keine Kritik üben zu wollen. Und als eine der Organisatorinnen ihre Motive erläutert und sich als unpolitisch und uninformiert präsentiert kontert Ditfurth damit, dass man „entweder ein fauler Sack“ sei, der sich irgendwie wohlfühlen wolle oder eben jemand, der sich kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzen und intensiver mit Themen beschäftigen wolle.
Für Ditfurth gibt es „keinen konstruktiven Dialog mit Homophoben und Judenhassern“. Und wer nach monatelanger Debatte über die Montagsdemos immer noch nicht kapiert habe, was da laufe und sich nicht eindeutig distanzieren könne, dem sei nicht mehr zu helfen. Man gehe doch auch nicht zu einer NPD-Demo, nur weil es dort vielleicht Leute gebe, die noch nicht verstanden hätten, was für eine Partei das sei. „Ich nehme meinen Gegner in der Form ernst, dass ich ihn als Gegner identifiziere und mich mit ihm fetze.“ Das sei respektvoller und ehrlicher, als so zu tun, als ob es da eine Diskussionsbasis gäbe.
Ditfurth prophezeit Absterben der Demos
Viel Aussichten gibt Ditfurth den Montagsdemos ohnehin nicht. Diese seien im Absterben begriffen. Dazu trage wohl auch die Fußball-WM bei. Dennoch müsse man davon ausgehen, dass die Neurechten, die Querfrontler bald mit neuen Versuchen auf den Plan treten, um erneut bei jenen Leuten anzusetzen, „die sich nie für etwas anderes als sich selbst interessiert haben“. Ditfurth plädiert für Bündnisse zwischen fortschrittlich denkenden Menschen und Gruppierungen, um „gemeinsam den Kapitalismus hinwegzufegen“. Freilich scheint, ganz abgesehen von dem sehr ambitionierten Ziel, die Zahl solcher Menschen – insbesondere nach Ditfurths Maßstäben – sehr begrenzt zu sein.