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Richterin rät Flüchtlingsaktivisten

„… dann können Sie auch auswandern“

Weil er einen Polizisten als „Clown“ bezeichnet haben soll, wurde ein 27jähriger Regensburger vergangene Woche zu 750 Euro Geldstrafe verurteilt. Von der Richterin gab es am Ende noch einen Rat…

Von Emil Mosebach

Vor dem Amtsgericht Amberg: Unterstützer des angeklagten Regensburgers bekundeten ihre Unterstützung.

Vor dem Amtsgericht Amberg: Unterstützer des angeklagten Regensburgers bekundeten ihre Unterstützung. Foto: me

Mehr als drei Stunden dauert es, ehe die Vorsitzende Richterin am Amtsgericht Amberg vergangenen Donnerstag das Urteil spricht. Dem Angeklagten gibt sie zum Schluss noch einen Rat mit auf den Weg. Doch von Anfang an.

Zwei Protestmärsche waren es, die sich im August 2013 über verschiedene Routen auf den Weg nach München machten, um mehr Rechte für Flüchtlinge einzufordern. Ein wesentliches Anliegen: die Abschaffung der sogenannten Residenzpflicht, ein deutsches Sondergesetz, das es Asylbewerbern verbietet, den ihnen zugewiesenen Bezirk zu verlassen.

Kontrolle wegen Residenzpflicht

Das Vorgehen der Polizei an den unterschiedlichen Stationen der Protestmärsche war durchaus unterschiedlich. In Regensburg etwa gab es keine Kontrollen wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht. Bei Donauwörth brach der Einsatzleiter eine solche Kontrolle nach einer Sitzblockade „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit“ ab.

Bei einer Kontrolle der Nähe von Wolfsbach (Landkreis Amberg) hingegen gerieten ein 27jähriger Regensburger und der polizeiliche Einsatzleiter Bernd K. (Name geändert) aneinander. Der Student soll K. als „Clown“ bezeichnet und es verweigert haben, sich auszuweisen. Deshalb wurde er von Polizisten aus einer Sitzblockade mit „einfacher körperlicher Gewalt“ heraus festgenommen und auf die Polizeiinspektion Amberg gebracht. Gegen einen Strafbefehl wegen Beleidigung und Widerstand legte er Widerspruch ein und so traf man sich am vergangenen Donnerstag vor dem Amtsgericht in Amberg.

Publikum singt „Happy Birthday“

Sowohl die Polizisten, die ihn festgenommen haben, als auch der als „Clown“ bezeichnete Einsatzleiter sind am Donnerstag als Zeugen geladen. Rund 20 Menschen, darunter einige (ehemalige) Asylbewerber aus Amberg und Freunde des 27jährigen, sind im Zuschauerraum. Als die Richterin die Personalien des Regensburgers verliest, der just an diesem Tage Geburtstag hat und jemand „Happy Birthday“ anstimmt, droht die Richterin, den Saal zu räumen. Es wird nicht die letzte Androhung dieser Art bleiben.

Der Angeklagte sei ihm wegen seines „aggressiven“ Verhaltens an diesem Tag besonders aufgefallen, so der Einsatzleiter bei seiner Vernehmung. Die Kontrolle habe durchgeführt werden müssen, weil es den Verdacht gegeben habe, dass Verstöße gegen die sogenannte Residenzpflicht vorlägen. Daraufhin ließen sich die etwa 35 Teilnehmer des Marsches zu einer Sitzblockade nieder.

 „Verhältnismäßigkeit“ contra „Legalitätsprinzip“

Er wisse nichts davon, dass eine Polizeikontrolle in Donauwörth aus „Gründen der Verhältnismäßigkeit“ abgebrochen worden sei, so K. auf Nachfrage des Angeklagten. Er habe aber diese Kontrolle wegen des „Legalitätsprinzips“ ohnehin nicht abbrechen können. Außerdem habe er alles versucht, um die Situation ohne Eskalation zu beenden. Dies sei aber nicht gelungen. An die Beleidigung könne er sich noch gut erinnern, sagt K., und auch daran, dass er dem Angeklagten gesagt habe, er würde ihn nun anzeigen. An die Festnahme habe er keine Erinnerung.

Die nächsten drei Zeugen sind die Polizisten, die den Angeklagten festgenommen haben. Dies sei ihre ersten Sitzblockade gewesen, erklären die drei Beamten übereinstimmend. Entgegen der Aussage des Einsatzleiters kann sich keiner von ihnen daran erinnern, dass der Angeklagte besonders aufgefallen wäre. Nun geht es besonders darum, ob der Widerstand gegen die Festnahme aktiv oder passiv war. Passiver Widerstand wäre nicht strafbar.

Festnahme: Demonstration am Angeklagten…

Sehr ausführlich werden sie von der Richterin, der Anwältin und dem Angeklagten über die Details der Festnahme befragt. Als der erste Zeuge im Gerichtssaal aufsteht und am Angeklagten demonstrieren will, wie er diesen am Boden fixiert hat, ist selbst die Richterin sichtlich schockiert und bittet ihn, es doch ohne den Angeklagten zu zeigen. Der Angeklagte beschwert sich besonders darüber, dass der Polizist ihn am Kopf gezogen habe und ihn am Boden fixierte, indem er sich mit dem ganzen Gewicht in seinen Nacken gekniet habe.

Der zweite Zeuge gibt an, den Angeklagten an den Armen herausgezogen zu haben. Als ihn die Anwältin nach seinen Erinnerungen fragt, stellt sie erstaunt fest, dass er sich an nichts erinnern könne, außer dass die Muskeln des Angeklagten angespannt waren, als er an dessen Armen zog. Etwas später wird er den aktiven Widerstand als in der „Natur einer Sitzblockade gegeben“ bezeichnen.

Video zeigt Festnahme

Vor dem letzten Zeugen fragt die Richterin nach dem Zweck des Einspruchs gegen den vorher erstellten Strafbefehl und deutet an, dass die Strafe gegen den Angeklagten vermutlich höher ausfallen werde, da die „Geständnisfiktion“ des Strafbefehls nun offensichtlich ausbleiben wird. Die Anwältin erklärt, dass es ein Video der Festnahme ihres Mandanten gibt und das es sich offensichtlich nicht so zugetragen hat, wie es hier von den Polizisten beschrieben wird. Sie will aber das Video erst zeigen, wenn alle Zeugen gehört wurden.

Der letzte Zeuge verneint, dass der Angeklagte nach seinem Personalausweis gefragt worden sei. Gegenwehr gegen die Festnahme habe er nicht feststellen können. Ob der Angeklagte von anderen gehalten wurde, wisse er nicht mehr.

Nach einer Unterbrechung der Verhandlung wird das Video angeschaut. Vom Publikumsteil des Gerichtssaals aus ist nichts zu erkennen. Nur lautes Schreien vor Schmerzen und verschiedenste Protestrufe sind zu hören. Auch der Angeklagte ist einmal zu hören: „ Für den Herrmann steht ihr da, Marionetten Ha Ha Ha“, ruft er.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte die Protestmärsche im vergangen Jahr als „Wahlkampfaktionen“ bezeichnet und wollte weiterhin an der in Europa einmaligen Residenzpflicht für Flüchtlinge festhalten. Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats sagte damals: „Der Bayerische Innenminister setzt alles daran, die Proteste der Flüchtlinge zu unterdrücken.“

Angeklagter: „Asylgesetzgebung ist rassistisch und menschenverachtend“

Auch andere Festnahmen, insgesamt gab es an diesem Tag 19, werden gezeigt. Diese fanden zeitlich offensichtlich vor der Festnahmen des Angeklagten statt, obwohl die letzten drei Zeugen angaben, die Festnahme des Angeklagten sei die erste Festnahme gewesen. Die Anwältin verweist darauf, dass eine Festnahme, die wohl ähnlich abgelaufen ist wie die des Angeklagten, keine Anzeige wegen Widerstands zur Folge hatte.

Nach einer abermaligen Unterbrechung werden die Plädoyers verlesen. Die Staatsanwältin spricht von vier „sehr glaubhaften Zeugen“ und bezeichnet den Angeklagten als „Aggressor“. Positiv rechnet sie ihm lediglich an, dass er nicht vorbestraft sei. Die Kontrolle erachtete sie an sich als rechtens, da Verstöße gegen das „Asylbewerbergesetz“ vorlagen. Ein solches Gesetz gibt es übrigens nicht, dafür aber ein Asylverfahrensgesetz, nach dem Verstöße vorlagen. Sie fordert 60 Tagessätze. Die Verteidigung fordert eine geringe Strafe wegen der Beleidigung und einen Freispruch wegen des Vorwurf des Widerstands. Positiv anzurechnen sei dem Angeklagten auch sein politisches Engagement.

Der 27jährige verliest zum Abschluss eine politische Erklärung, in der er die deutsche Asylgesetzgebung als „rassistisch und menschenverachtend“ bezeichnet. Es folgt Applaus aus dem Publikum.

Richterin: „… dann können Sie auch auswandern“

Das Urteil der Richterin folgt nach einer fünfminütigen Unterbrechung: 50 Tagessätze zu 15 Euro. Obwohl der Einsatzleiter mit „Engelszungen“ versucht habe, den Grund der Kontrolle zu erläutern, habe ihn der Angeklagte als „Clown“ bezeichnet und sei in diesem Fall nicht geständig. Sie glaube zwar, dass er bei der Festnahme auch „Schmerzen“ gehabt habe, aber: „Sich festhalten ist Gewalt“. Das Verhalten des Angeklagten und von „Teilen des Publikums“ könne sie nicht verstehen. Wenn ihm „Recht und Gesetz“ in Deutschland nicht passten, dann müsse er eben „auswandern“, so die Richterin am Ende.

Ein letztes Mal macht sich das Publikum im Saal bemerkbar und auch der Angeklagte diskutiert nach Beendigung des Prozess noch lauthals mit der Richterin.

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