Die besondere Solidarität der Regensburger
Frühestens ab Ende 2015 soll in Regensburg ein neues Erstaufnahmelager für 500 Flüchtlinge entstehen. Bei der Vorstellung der Pläne gab es am Freitag ungewohnte Töne von Sozialministerin Emilia Müller (CSU). Sie bittet um die Solidarität der Bevölkerung. Da ist sie in Regensburg genau richtig, meint OB Joachim Wolbergs.
Sie plädiert für eine menschenwürdigen Unterbringung von Asylbewerbern, fordert eine rasche Arbeitserlaubnis und spricht sogar von Integration. Selbst das Wort „Solidarität“ fällt mehrfach, als Sozialministerin Emilia Müller (CSU) am Freitag zusammen mit Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) und Regierungspräsident Axel Bartelt (CSU) die gemeinsamen Pläne für ein Erstaufnahmelager in Regensburg vorstellen. Abgesehen von diesen völlig neuen Tönen, die man so von der bayerischen Regierungspartei nicht gewohnt ist, kann man noch nicht all zu viel Konkretes erfahren.
„Kein Politiker wird das zu einem Politikum machen.“
Klar ist bislang, dass die neue Erstaufnahmeeinrichtung auf den Gelände der Bajuwarenkaserne entstehen wird. Plätze für 500 Flüchtlinge soll es dort geben. Innerhalb eines Zeitraums, der zwischen fünf Wochen und drei Monaten dauern kann, werden sie registriert, untersucht und mit dem Nötigsten versorgt. Unter Umständen wird es auch erste Deutschkurse geben, ehe die Asylsuchenden dann auf ihre dauerhaften Unterkünfte innerhalb des Regierungsbezirks Oberpfalz verteilt werden.
„Ich habe das ambitionierte Ziel, dass die Einrichtung bis Ende 2015 in Betrieb gehen kann“, sagt Müller. Für alles weitere – Kosten, deren Verteilung, ob Neubau oder Weiternutzung bestehender Gebäude – wird derzeit ein „Management-Plan“ erstellt. Das Thema werde transparent an die Bevölkerung kommuniziert, betont Joachim Wolbergs, der bereits vor einigen Wochen mit diesen Plänen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Dazu soll es Informationsveranstaltungen und Hausbesuche in der Nachbarschaft des Erstaufnahmelagers geben. Im Stadtrat seien sich alle einig, dieses Projekt, das schon im Koalitionsvertrag erwähnt wurde, „uneingeschränkt positiv“ zu begleiten. „Kein Politiker wird das zu einem Politikum machen“, so der OB.
Das Erstaufnahmelager ist Teil von Ministerin Müllers neuem Konzept, das vor kurzem im Landtag beschlossen wurde. Anstelle von bislang zwei solchen Einrichtungen in Zirndorf und München, soll es künftig in jedem Regierungsbezirk ein Erstaufnahmelager geben. Damit reagiere man auf die stetig steigenden Flüchtlingszahlen.
Völlig neue Töne
„Hinter jedem Asylbewerber steht ein extremes Schicksal“, so Müller. Die meisten hätten einen langen Weg hinter sich, hätten es übers Mittelmeer geschafft und seien zu einem Großteil „schwer traumatisiert“. Wer sich an Aussagen von Parteifreunden Müllers in gar nicht all zu weit zurückliegender Vergangenheit erinnert, mag sich da verwundert die Augen reiben. Sind das doch alles Punkte, die Flüchtlingsinitiativen und Experten seit Jahren angemahnt haben, während dies von CSU-Seite stets vehement bestritten worden war. Die Grünen im Bayerischen Landtag bezweifeln denn heute auch in einer Pressemitteilung, dass Müllers Pläne für eine humane Asylpolitik bei der CSU-Staatsregierung den entsprechenden Rückhalt haben. Allerdings ist das heute kein Thema.
Bei der Pressekonferenz im Regierungsgebäude am Emmeramsplatz betont das Politiker-Trio immer wieder die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit miteinander. Der Freistaat ist den Kommunen dankbar, die Stadt Regensburg dem Freistaat und der Regierung der Oberpfalz. Ein Lob, das Regierungspräsident Axel Bartelt wiederum an die beiden anderen zurückgibt.
„Wer sonst, wenn nicht Regensburg…“
Regensburg sei nicht die erste Wahl gewesen. Man habe auch Standorte in Weiden, Amberg und Neunburg vorm Wald geprüft. Aber Regensburg habe von Anfang an volle Unterstützung signalisiert. „Wir sagen nicht: Wir nehmen die Flüchtlinge auf, wenn’s sein muss, sondern: Wir wollen sie“, betont Wolbergs. „Wer sonst, wenn nicht Regensburg“ könne das angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage schultern. „Es ist unerträglich, zu sehen, was in Syrien und anderen Krisenregionen los ist und am nächsten Tag im Stadtrat wieder nur über Bürgersteige und deren Breite zu reden“, so der OB. Das Thema Asyl gehe alle Ebenen der Politik an. Da könne man nicht wegsehen. „Die Menschen in dieser Stadt sind viel weiter, als wir glauben.“ Die Solidarität und Hilfsbereitschaft sei in Regensburg „besonders ausgeprägt“. Er habe in den Wochen, seit er mit den Plänen in die Öffentlichkeit ging, lediglich eine negative Rückmeldung erhalten: einen anonymen Brief.
Auch Staatsministerin Müller glaubt, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber Asylsuchenden in den letzten Jahren verbessert habe. Es komme Solidarität von Kommunen wie Regensburg. Es gebe immer mehr Ehrenamtliche und Vereine, die sich um Sprachkurse, Nachhilfe oder Unterstützung beim Gang zu Ämtern oder Ärzten kümmerten. Müller macht dafür eine verbesserte Wirtschaftslage, aber auch eine wachsende Sensibilität der Menschen gegenüber der Situation in Kriegs- und Krisengebieten verantwortlich.
Zum Vergleich: In den Jahren 1993/ 94, der Zeit, als Flüchtlingsheime brannten und die Asylgesetzgebung verschärft wurde, nahm die Oberpfalz mehr als 7.000 Flüchtlinge auf. Im Jahr 2007 waren es dann gerade noch 131 Flüchtlinge, die hier Asyl fanden. Dieses Jahr werden es laut Aussage von Bartelt etwa 3.700 Menschen sein.