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Jakob Friedl stellt Junibaum auf

„Ich lebe nicht von Fördergeldern“

Künstler sind nicht diplomatisch, zumindest nicht, wenn es nach Jakob Friedl geht: Auf ihn ist man nicht nur bei der Stadtverwaltung eher schlecht zu sprechen. Jetzt stellt er in Burgweinting einen Junibaum auf, der eigentlich irgendwie doch ein Maibaum ist.

Von David Liese

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Für viele ist er wie die sprichwörtliche Axt im Walde: Jakob Friedl mit Schmuck für seinen Mai- bzw. Junibaum. Die Äxte hat Anja Lemke geschnitzt. Fotos: ld

Das Gässchen ist beschaulich. Die Sonne brennt an diesem schönen Junitag vom Himmel, die Bäume und Wiesen hinter den hölzernen Zäunen leuchten in lebendigem Grün. Häuschen reiht sich an Häuschen, Gärtchen an Gärtchen.

Doch ein Gartenzaun fällt aus der Reihe. Auf ihm erhebt sich eine kleine, hölzerne Konstruktion, die nicht in die gleichförmige Geometrie passt. Ein handbemaltes, in krakeliger Lettern beschriebenes Schild weist daraufhin, dass man hier Schnitzarbeiten für 7,50 Euro die Stunde in Auftrag geben kann.

Wie ein Maibaum, nur irgendwie anders

Im hinteren Teil des Grundstücks, zwischen Büschen und Sträuchern, stapeln sich Unmengen an Sperrholz, Kunststoff und anderen Baumaterialien, kreuz und quer verteilt. Überall stehen und liegen kleine Schilder von der Art, wie sie auch am Gartentor zu finden sind. Werkzeuge liegen herum. In einer Ecke lehnt das selbstgebaute Abbild eines Presslufthammers aus Bauschutt.

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So sieht der Maibaum momentan (Stand Dienstagnachmittag) noch aus. Am Sonntag soll er – reich geschmückt – aufgerichtet werden.

Von einem Scheunenboden steigt Jakob Friedl herab. Er arbeitet dort gerade an seinem Junibaum, den er am Sonntag in Burgweinting aufstellen will. Gemeinsam mit Weggefährten wie Anja Lemke und „Carl Kynik“ hat er das Kunstwerk in den vergangenen Monaten entworfen und gebaut.

Sein wirres Haar wippt hin und her, während er anhand einer Zeichnung erklärt, wie er sich das Ergebnis seiner Arbeit vorstellt. Der knapp 23 Meter hohe Pfahl wird in verschiedenen Ebenen mit Konstruktionen und Modellen geschmückt – ganz wie ein echter Maibaum eben, nur irgendwie anders.

Weißwürste, die in unerreichbarer Höhe baumeln

„Hier kommen zehn Weißwürste hin, von denen jede für 150 Euro steht“, sagt Friedl. Damit will er „auf die Existenz von Fördermitteln“ für den Stadtteil aufmerksam machen, „auch wenn diese in unerreichbarer Höhe baumeln.“ Auf einer anderen Plattform baut er ein Modell seines Europabrunnendeckels, dann eine Versinnbildlichung des „Hochwasserschwindels“ von 2013, bei dem „Schaidinger Burgweinting einen halben Tag zu spät gerettet“ habe. Er zeigt einige handgearbeitete Kerzenmodelle aus Holz vor, die auf einen Kranz gesteckt am Baum hängen sollen, und Baustellenwarnleuchten, ebenfalls aus Holz geschnitzt und bemalt, dann hölzerne Dynamitstangen an Zündschnüren.

Gescheitert am Ernst-Reuter-Platz und im BUZ

Ohne Zweifel, Friedl ist voll in seinem Element. Der 35-Jährige opfert sich auf für seine Projekte, auch wenn allzu viele am Ende erfolglos sind, wie er selber zugibt. Als Beispiel nennt er den Europabrunnendeckel am Ernst-Reuter-Platz, von dem ihn nach langen Querelen Hans Schaidinger 2013 letztlich erfolgreich vergrault hat. Auch die Art Buzz’l, ein Kunstprojekt im Einkaufszentrum BUZ in Burgweinting, sei „von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.“

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Friedls Skizze für seinen Junibaum. Auf knapp 23 Metern tummeln sich Modelle, Figuren und andere Konstruktionen.

Weil Friedl trotzdem an allen Fronten kämpft und ständig neue heraufbeschwört, gilt er bei vielen als Querulant, als „Sperrmüll-Künstler“ oder schlicht als Scharlatan, der immer nur Geld aus öffentlichen Töpfen haben will und sich ebenso öffentlich aufregt, wenn er es nicht bekommt. „Das ist völliger Schwachsinn“, sagt Friedl. „Ich lebe nicht von Fördergeldern. Wenn ich etwas bekommen habe, habe ich das immer wieder in Material investiert.“ Er wolle auch gar nicht von der Kunst leben, weil er dann Kompromisse eingehen müsse. Weil ihn das Publikum in den Galerien und Ausstellungen „langweile“. Weil ihn das „Diplomatische“ an der Kunst störe.

Auseinandersetzung als Teil der künstlerischen Arbeit

„Ich habe eben immer alles öffentlich gemacht“, sagt er. „Ich dokumentiere das alles.“ Jede Anfrage, die er an städtische Behörden oder Stiftungen stellt, jede Absage, die er erhält. Oftmals ginge es ihm auch gar nicht darum, tatsächlich Geld zu bekommen, sondern „zu schauen, ob das in deren Kunstbegriff passt.“ Insofern sei diese öffentliche Auseinandersetzung mit Behörden auch Teil seiner künstlerischen Arbeit.

Doch zurück zum Junibaum, der nicht nur an einen Maibaum erinnert, sondern auch einmal einer werden sollte. Nur die Fertigstellung bis zum 1. Mai hat nicht so ganz geklappt. Auch den zweiten Termin am 1. Juni, den Friedl zum Aufstellen vorgesehen hatte, konnte er letztlich nicht einhalten. Eine Exkursion der vergleichenden Kulturwissenschaftler von der Uni Regensburg, die sich mit Friedls Projekt beschäftigen, musste deshalb verschoben werden.

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Die Figur am Maibaumständer entstammt den Händen von Anja Lemke. Sie soll, so Friedl, die “Verformung des menschlichen Körpers durch Trachtenmode” darstellen.

Ein Junibaum an der Schwanzwurzel

Die Akademiker kommen jetzt am Sonntag. Dann soll der Baum ab 14 Uhr gemeinsam mit dem Burschenverein Moosham an der „Schwanzwurzel“ bzw. der „Klitoris“ der Käthe-Kollwitz-Siedlung aufgerichtet werden. Dazu gibt es Bier und Musik. Auch wenn bislang keine Band fest zugesagt hat. „Wir setzen uns zusammen und musizieren einfach“, so Friedl. Treffpunkt ist 13 Uhr in der „Offensive Zukunft Bayern Siedlung“, wo der Junibaum im Moment noch liegt.

Fünf Jahre lang will Friedl einen Maibaum in Burgweinting aufstellen. Möglichst gemeinsam mit den ortsansässigen Vereinen, wenn die denn wollen. Insofern passt der Mai- bzw. Junibaum in die künstlerische Leitlinie, die sich Friedl vorgegeben hat: „Meine Projekte waren immer so gedacht, dass es nicht so bleibt, wie es ist.“

Bleibt abzuwarten, ob Burgweinting ab Sonntag tatsächlich einen Junibaum hat.

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