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Fragwürdige Datenerhebungen, hohe Umsätze

Altstadt: Jammern auf hohem Niveau?

Die Mittelbayerische Zeitung nennt sie „schönes Sorgenkind“, Oberbürgermeister Joachim Wolbergs guckt auf seiner „Sommertour“, wo bei ihr „der Schuh drückt“: Die Regensburger Altstadt schwächelt vor sich hin. Zumindest dem Tenor der aktuellen Berichterstattung und der Darstellung der Einzelhändler nach.

Von David Liese

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Wurde in letzter Zeit wieder verstärkt als schwächelnd dargestellt: Die Regensburger Altstadt. Foto: Archiv.

Erst kürzlich hat ein neuer „Frequenzbericht“ das bestätigt, was die Einzelhändler im Regensburger Altstadtgebiet schon lange beklagen: Der Innenstadt laufen die Kunden weg. Besser gesagt: Sie laufen ihr gar nicht mehr zu. Dem Bericht zufolge sind die Passantenzahlen seit 1997 um etwa 23 Prozent zurückgegangen.

Ingo Saar von der Aktionsgemeinschaft Altstadt e.V. betont, diese Entwicklung müsse man „einfach zur Kenntnis nehmen“. Doch der Consulting-Experte gibt sich kämpferisch. „Wir wollen natürlich diesen Trend aufhalten und umkehren.“ Dafür hat Oberbürgermeister Joachim Wolbergs der Aktionsgemeinschaft für die nächsten drei Jahre je 75.000 Euro in Aussicht gestellt.

75.000 Euro pro Jahr für Altstadt-„Manpower“

„Das ist das erste Mal, dass man uns in der Art und Weise die Hand reicht“, lobt Saar. Von dem Geld sollen eineinhalb Stellen geschaffen werden – oder, wie Saar es ausdrückt, die nötige „Manpower“ finanziert –, um das bislang ehrenamtliche Bündnis „zu professionalisieren“. Bedingung für die Finanzspritze ist, dass die Aktionsgemeinschaft neue Mitglieder wirbt. Umgekehrt sieht Saar auch die Stadt in der Pflicht, nämlich bei der Schaffung der richtigen „Rahmenbedingungen“ für den Einzelhandel. „Mobilität, Erreichbarkeit, Infrastrukturmaßnahmen. Wir brauchen einen Gesamtverkehrsplan!“ Die Aktionsgemeinschaft „wolle und könne“ sich „nicht einfach zurücklehnen“.

Position der Händler „teilweise subjektiv“

Anton Sedlmeier vom Amt für Stadtentwicklung sieht die Situation zumindest aus einem anderen Blickwinkel. „Händler haben in der Regel ein schiefes Bild, was die Kunden anbelangt“, sagt er. Gerade, was die Erreichbarkeit angehe, sei ihr Urteil „teilweise subjektiv“. „Die bekommen ja nur mit, wenn sich jemand beschwert.“ Die Kunden, die gut zum Geschäft gefunden haben, gäben darüber selten Rückmeldung.

Den „Frequenzbericht“ (hier abzurufen), der seit 1997 alljährlich von der Immobilienfirma Trummer erstellt wird, kennt Sedlmeier. Sein Amt nutze die gewonnenen Daten auch. Für allzu geeignet, um auf seiner Basis Hiobsbotschaften zu verkünden, hält er das Dokument jedoch nicht.

Ein Frequenzbericht mit fragwürdiger Aussagekraft

In der Tat ist die Aussagekraft des nur eine Seite umfassenden Berichts wohl eher fragwürdig. An zwei Tagen im Juni – einem Dienstag und einem Samstag – wurden an sieben Punkten in der Altstadt jeweils eine Stunde lang Passanten gezählt. Fahrradfahrer, Touristengruppen und Kinder wurden dabei ausgenommen. Die Ergebnisse wurden den Vorjahresdaten gegenübergestellt.

Sedlmeier kritisiert an dem Verfahren, dass dabei nicht auf veränderte „Standortwertigkeiten“ reagiert werde. Damit meint er zum Beispiel, dass an Punkten wie der Ludwigstraße, die in den vergangenen Jahren massiv aufgewertet wurde, überhaupt nicht gezählt wurde. In solchen Straßen habe das Passantenaufkommen aber sogar stark zugenommen. „Vielleicht sind auch gar nicht weniger Leute unterwegs, sondern die laufen nur anders“, bemerkt Sedlmeier weiter. Der Grund dafür könnten zum Beispiel Baustellen sein.

Update 25.08.: Roland Trummer von Trummer Immobilien hat unserer Redaktion zwischenzeitlich aus dem Urlaub mitgeteilt, der Zweck des Berichtes sei, „für uns einen Überblick zu haben, damit wir wissen, was Sache ist.” Man wolle „keine geschönten, sondern vergleichbare Zahlen.” Die Firma vermietet Ladenflächen im Altstadtgebiet. Dass der Bericht „statistisch unsauber” sei, weiß Trummer.

„Die Altstadt zieht Kunden an“

Im vergangenen September hat das Amt für Stadtentwicklung selbst eine Frequenzzählung durchgeführt. Diese war in ihrer Methodik nicht nur wesentlich aufwendiger, sie lieferte auch ein ungleich positiveres Bild. So wurden am Samstag zwischen 11 und 12 Uhr an 10 Messpunkten etwa 25.000 Passanten gezählt, während man in der Trummer-Studie bei sieben Punkten nur auf 10.433 kommt. Veröffentlicht wurde die Studie des Amtes im „Einzelhandelsmonitor“ für die Altstadt, eine Broschüre, die hauptsächlich Investoren und neue Händler anlocken soll. Garniert wurde sie mit Überschriften wie „Die Altstadt zieht Kunden an“.

Zahlen für Regensburg „nicht mehr sehr viel steigerbar“

Sedlmeier gibt weiterhin zu bedenken, dass der Rückgang von Passanten und damit von potentiellen Kunden auch in anderen Städten zu beobachten sei. „Das hat auch mit dem Einkauf im Internet zu tun“, sagt er. Insgesamt betrachtet stehen Regensburg allgemein und auch die Altstadt nämlich nach wie vor hervorragend da: Pro Einwohner wird laut Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fast 80 Prozent mehr Umsatz im Einzelhandel erzielt als im Bundesdurchschnitt. Die sogenannte „Zentralitätskennziffer“, die das Verhältnis zwischen den Einzelhandels-Umsätzen und der Kaufkraft angibt, liegt bei 158,8, wobei alle Werte über 100 für eine starke Anziehungskraft von Kunden aus dem Umland stehen.

Das sind Zahlen, die laut Sedlmeier „nicht mehr sehr viel steigerbar“ sind. Ingo Saar von der Aktionsgemeinschaft Altstadt hat dazu eine klare Meinung: „Dann muss Regensburg eben in Zukunft noch ein bisschen besser dastehen!“

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