Pachterlass wegen Corona: Stadt legt juristische Kehrtwende hin
Bislang hatte es die Stadt pauschal abgelehnt, Mieten und Pachten für Betriebe in ihren Liegenschaften zu erlassen oder zumindest zu mindern. Das sei rechtlich nicht möglich, hieß es. Doch tatsächlich scheint man nicht alle Möglichkeiten geprüft zu haben. Seit Dienstag ist das anders.
Die Stadt Dachau hat es getan, ebenso die oberbayerischen Gemeinden Feldafing und Brunnthal. Für Gaststätten, teils auch für andere betroffene Betriebe in Liegenschaften der Kommune wurde die Pacht teils gemindert, teils komplett erlassen, wenn diese im Zuge der Corona-Beschränkungen geschlossen bleiben mussten. Entsprechende Beschlüsse in den Stadt- und Gemeinderäten stammen von Ende März bzw. Anfang April. Die Stadt Regensburg und deren Tochtergesellschaften hatten solchen pauschalen Regelungen in der Vergangenheit eine Absage erteilt. Ein Erlass sei rechtlich nicht möglich, hieß es mehrfach bei Sitzungen des Stadtrats und auch als Auskunft an Gewerbe- und Gastronomiebetriebe. Bislang gab es lediglich, auf Antrag, die Möglichkeit, Miete und Pacht zu stunden und den Betroffenen anschließend eine zinslose Ratenzahlung einzuräumen. Ein Erlass sei nicht möglich, weil die Stadt nicht auf solche Einnahmen verzichten dürfe, hieß es zur Auskunft auf entsprechende Anfragen.
„Woher kommt dieser Sinneswandel?“
Doch künftig geht nun doch, was bislang ausgeschlossen wurde. In einer Vorlage, die der Ferienausschuss des Regensburger Stadtrats am Dienstag einstimmig beschließt, werden nun verschiedene Möglichkeiten erörtert, um den Mietern und Pächtern der Stadt und von deren Töchtern nun doch die Zahlungen zu erlassen oder diese zumindest zu mindern. Notwendig dafür ist im Kern das Testat eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, mit dem bestätigt wird, dass die wirtschaftliche Notlage des betroffenen Pächters eine Folge der Covid-Beschränkungen ist (hier geht es zu der Beschlussvorlage). Einfacher sei dies nicht zu machen, so Wirtschaftsreferent Stephan Barfuß. „Außer man will, dass die Stadt sehenden Auges auf Geld verzichtet.“
Auch wenn die Vorlage allfällig begrüßt wird, will Brücke-Fraktionschef Joachim Wolbergs doch wissen, woher denn dieser Sinneswandel komme. „In allen Auskünften auf Anfragen an die Stadt, die mir bekannt sind, hieß es immer kategorisch, ein Erlass geht nicht.“ Das sei kein Sinneswandel, sagt Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Man hätte das von Anfang an gemacht, wenn es möglich gewesen wäre, aber das sei alles „sehr verzwickt“. Wolbergs unterbricht. Es habe sich doch keinerlei Rechtsgrundlage geändert, sagt er. „Warum hat man bis vor kurzem gesagt, es geht definitiv nicht?“ Jetzt gehe es ja plötzlich doch. „Ich möchte nur wissen, woher diese Erkenntnis kommt?“
Eine „vertiefte Prüfung“ und ein „Gutachten“
Eine „vertiefte Prüfung“ und ein „Gutachten“, lägen dem zugrunde, sagt die Oberbürgermeisterin. Als Wolbergs nun wissen will, wer dieses Gutachten in Auftrag gegeben habe, spricht Maltz-Schwarzfischer schließlich von einem Runden Tisch der Stadt mit Vertretern der entsprechenden Tochtergesellschaften. Dessen Ergebnis sei nun diese Vorlage – mit Möglichkeiten zum Pachterlass, die schon immer existiert haben, aber von den zuständigen Stellen der Stadt offenbar nicht in Betracht gezogen wurden.
Die Stadtwerk Regensburg GmbH hatte dieses Treffen laut Maltz-Schwarzfischer beantragt. Deren Pächter sind unter anderem all jene Discotheken, die unter dem Parkhaus am Petersweg angesiedelt sind und die seit Beginn der Corona-Krise geschlossen bleiben müssen. Allein deren monatliche Stromkosten – insbesondere für die Lüftung, um ein Verschimmeln der Kellergebäude zu verhindern – belaufen sich laut Aussagen bei einer Pressekonferenz von Regensburger Gastronomen auf 1.600 Euro. Die jährliche Pacht wird mit rund einer halben Million Euro beziffert. Aussicht auf Erlass oder Reduzierung bislang – null. Mit dem am Dienstag gefassten Beschluss, der nun verschiedene Bedingungen aufzeigt, unter denen die Stadt und deren Töchter nun doch auf auf Pachtzahlungen verzichten dürfen (und schon zuvor hätten verzichten dürfen), wird dies nun möglich.
Der Teufel bei städtischen Rechtsauskünften steckt im Detail
Dass diese Möglichkeiten nicht schon in der Vergangenheit aufgezeigt wurden, sondern entsprechende Anfragen abschlägig beschieden wurden, begründet Rechtsreferent Walter Boeckh damit, dass dabei stets nach einem generellen Erlass gefragt worden sei. Und das gehe nun mal nicht.
Als Wolbergs einwirft, dass man doch auch Einzelfallprüfungen abgelehnt habe, lässt Boeckh hörbar verärgert wissen, dass man sich hier ausschließlich §227 Abgabenordnung bezogen habe. Dieser sehe vor,, dass man auf Zahlungen nur dann verzichten könne, wenn der Betroffene durch deren Zahlung existenziell vernichtet werde. „Solche Fälle haben wir auch im Einzelfall praktisch nicht.“ Jetzt hingegen greife man zu allgemeinen Billigkeitserwägungen und da könne man jemanden bei Mietzahlungen dann doch entgegenkommen. Warum man dies erst seit Dienstag tut, wird in der Sitzung nicht beantwortet. Potentiell betroffen sind über 400 Betriebe in Liegenschaften der Stadt und von deren Töchtern.
Tom
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Ich glaube wirklich das Frau Maltz-Schwarzfischer eine grundfreundliche uns sympathische Frau ist. Leider scheint es aber auch immer eindeutiger, dass sie mit der Entscheidungskompetenz der Oberbürgermeisterin einer Großstadt hoffnungslos überfordert ist!
evamaria
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@Tom, brennt hier der Macho in dir durch?
Michael
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Richtig erkannt @Tom, die Stadt Regensburg ist mit ihrem Rießendorf komplett überfordert, man stelle sich mal vor, die Manschaft der Stadt Regensburg, müsste plötzlich München steuern….
da_Moartl
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Die Stadtverwaltung in Regensburg ist seit Jahrzehnten eine besonders hartleibige, sture, eigenmächtige und weltfremde Bürokratie. Da kann man mit dem Würfel ein beliebiges Amt auswürfeln, man trifft immer den richtigen. Es fällt schon richtig auf, wenn ein Mitarbeiter einmal wohltuend aufgeschlossen und kooperativ ist Und da kann oben drüber Oberbürgermeister/in sein wer will – unten machen sie was sie wollen getreu dem Motto: “Uns ist egal, wer unter uns Oberbürgermeister ist.” Und dank Beamtenrecht und beamtenähnlichem öffentlichen Dienstrecht kann die entsprechenden Sturköpfe nicht einmal versetzen geschweige denn entlassen. Das war unter Wolbergs keinen Deut besser und unter Schaidinger nur ganz geringfügig anders. Das “Gemaule” von Tom an GMS ist deshalb unzutreffend und geht an der Sache vorbei.
XYZ
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Der Teifl bei städt. Rechtsauskünften steckt nicht im Detail, sondern beim Überblick.
XYZ
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Bei einer so aussergewöhnlichen Situation muss man halt mal über den gelernten juristischen Schatten springen und das Gemeinwohl berücksichtigen: nicht nur Gastronomen profitieren davon vor der Pleite, sondern auch die Gesellschaft, die sich ohne Ansteckungsgefahr im Freien aufhalten kann – sancta simplicitas . . .