Österreich erlaubt Diehl-Munition
Paradox: Dass Österreich vor knapp 14 Tagen das Oslo-Abkommen zum Verbot von Streumunition ratifiziert hat, ist vor allem ein Erfolg für die deutsche Waffenindustrie. Das im Januar 2008 in Kraft getretene österreichische Streumunitionsverbot wurde entsprechend deutscher Geschäftsinteressen aufgeweicht.
Ursprünglich war auch das Geschoss SMArt 155, hergestellt von der „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme“ (GIWS), einer Kooperation der deutschen Rüstungskonzerne Diehl und Rheinmetall, in Österreich verboten. Als Streumunition. Diese Zeiten sind mit der Ratifizierung des Oslo-Abkommens vorbei. Das Gesetz wurde entsprechend modifiziert. SMArt wird künftig in Österreich erlaubt.
Im Oslo-Abkommen wurde die SMArt 155 auf Druck der bundesdeutschen Delegation vom Verbot ausgenommen (Eine Broschüre zur Diskussion um das Verbot von Streumunition). „Die Bundesregierung ist in Oslo als Handelsvertreter der deutschen Rüstungsindustrie aufgetreten und hat im Verbotsvertrag Ausnahmen durchgesetzt, die exakt auf die Produktbeschreibung von Diehl zutreffen“, sagte dazu Grünen-Chefin Claudia Roth Anfang März. Es habe einen „Deal für Diehl” gegeben. Zwar sagt Roth: „Ich werde die SMArt 155 weiter als das bezeichnen, was sie in meinen Augen ist: Als Streumunition.”
Aber: Der Deal wirkt. Diehl und Rheinmetall garantieren den Abnehmern ihrer Kriegswaffe angesichts des Einsatzes der Bundesregierung: „Die Beschaffung ist OHNE RISIKO.“ Ein Verbot scheint man nicht zu befürchten, schlechte Publicity versucht man zu vermeiden(Zum taz-Artikel „Waffen bauen, Sprache säubern”).
Ihren Exportschlager wollen die Konzerne als „Punktzielmunition“ bezeichnet wissen. Die traditionsreiche Nürnberger Waffenschmiede Diehl ist in diesem Zusammenhang kürzlich gegen unsere Online-Zeitung vorgegangen (Hier geht’s zum Pressespiegel). Künftig will Diehl „von Fall zu Fall“ entscheiden, ob man gegen Medien vorgeht, die ihre Waffe als „Streumunition“ bezeichnen. Ein schönes Drohszenario des 2,3 Milliarden schweren Rüstungskonzerns.
Unabhängige Tests für die SMArt 155 gibt es bislang nicht. Das Geschoss enthält zwei Submunitionen, die angeblich punktgenau ihr Ziel treffen und damit für Zivilisten ungefährlich sein sollen. Das behaupten die Hersteller. Das bezweifeln unabhängige Experten (Zur Broschüre Alternative Streumunition). Die Bundesregierung schloss sich den Herstellern an, die ihre Munition als ungefährlich für Zivilisten beschreiben.
Die Einwände von Menschenrechtsorganisationen wie dem Aktionsbündnis Landmine oder Handicap International fielen dabei ebenso unter den Tisch wie das Urteil unabhängiger Munitionsexperten (Hier eine Expertise des renommierten britischen Munitionsexperten Rae McGrath zur SMArt 155).
Global gesehen ist das Oslo-Abkommen zum Verbot eines großen Teils von Streumunitionstypen unbestritten ein Erfolg. Für Österreich ist die Ratifizierung des Abkommens und die damit einhergehende Gesetzesänderung ein Rückschritt.
Ob die Diskussion um ein Verbot der SMArt 155 beendet ist, bleibt abzuwarten. Der rüstungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag Winfried Nachtwei hat kürzlich die Bundesregierung aufgefordert, „zweifelsfrei nachzuweisen, dass diese Munition auch unter ungünstigsten Bedingungen nicht dennoch wie Streumunition wirkt und das Leben von Zivilisten bedroht.“ Nachgewiesen ist nichts, doch der Verkauf der Diehl-Munition bleibt bis auf weiteres „OHNE RISIKO“.
(Ent)spannende Lektüre!
Birgi
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Gut, das hier trotz der Schüsse vor den Bug eloquent weiterberichtet wird! Gerade jetzt, wo unsere heimatlich Wirtschaft, so dringend “sinnvolle” Krücken wie Abwrackprämien benötigt :-) gehört schon eine Portion Mut dazu, sich ins Sperrfeuer von Lobbyisten und Regierung zu begeben.
Der Fall Gustl Mollath: Rosenkrieg und Versagen von Justiz & Psychiatrie IV | gabrielewolff
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