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Offener Brief an Bundespräsident Gauck

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, als Studierendenvertretung der Universität Regensburg freuen wir uns sehr, Sie am 19. Februar als Gast an unserer Hochschule begrüßen zu dürfen. Mehr noch freut uns Ihr Anliegen, sich im Rahmen der geplanten Podiumsdiskussion zu den Projekten des Europaeums vor allem auch mit den Studierenden auszutauschen. Wir wünschen Ihnen einen anregenden Diskurs über die Verständigung zwischen Ost- und Westeuropa, wie auch einen interessanten Einblick in den universitären Alltag in Bayern. Das ehrliche Interesse von politisch Verantwortlichen an einem Dialog mit Studierenden auf Augenhöhe ist im Freistaat bisher leider keine alltägliche Erfahrung. Daher erhoffen wir uns von ihrem Besuch nicht nur Perspektiven zum Themenkomplex der europäischen Gemeinschaft, sondern auch den Anstoß einer Debatte, von der wir glauben, dass Sie Ihnen persönlich eine Herzensangelegenheit sein muss. Durch Ihre eindrücklichen Erfahrungen mit dem totalitären Regime der DDR ist Ihnen deutlich die Notwendigkeit bekannt, Werte wie Freiheit und demokratische Partizipation in einer Gesellschaft nicht bloß zu propagieren, sondern tatsächlich zu leben. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass den Studierenden in Bayern als einzigem Bundesland freie und demokratische Mitgestaltung in Form einer Verfassten Studierendenschaft an ihren Universitäten und Hochschulen verweigert wird. Eine Verfasste Studierendenschaft ermöglicht es den Studierenden, ihre Belange unabhängig und selbstständig zu verwalten, sowie ihre Interessen gegenüber Hochschule, Staat und Gesellschaft zu vertreten. Durch Meinungs- und Bewusstseinsbildung im öffentlichen Diskurs leisten sie so eigenverantwortlich ihren Beitrag zu einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. Zu diesem Zweck von den Alliierten als Rechtsform an den westdeutschen Universitäten und Hochschulen eingeführt, wurde die Verfasste Studierendenschaft in Bayern im Jahr 1973 im Kontext der zunehmend kritischen Beteiligung der Studierenden an den politisch-gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Zeit auf Betreiben der CSU wieder abgeschafft. Den Studierenden wurde unter anderem unterstellt, mit den staatlich geförderten Strukturen terroristische Organisationen im In- und Ausland zu unterstützen. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft spielt der „terroristische Sumpf an den Universitäten“ (Hans Filbinger, ehem. Ministerpräsident von Baden-Württemberg) keine Rolle mehr, die Argumentation der Gegner*innen bleibt aber vergleichbar perfide. Gegen die selbstständige und unabhängige Organisation der Studierenden wird ein scheinheiliger Freiheitsbegriff in Stellung gebracht, der die Struktur und Kompetenzen einer Verfassten Studierendenschaft – wie etwa die Pflichtmitgliedschaft oder Pflichtbeiträge – als Gängelung und Einschränkung geißelt. Dabei wird verschwiegen, dass diese Strukturen eine effektive Interessenvertretung erst möglich machen, indem durch einen geringen solidarischen Beitrag aller Freiräume und Angebote geschaffen werden können, die der Studierendenschaft als Ganzes zu Gute kommen. Besonders zynisch wirkt diese Argumentation, wenn sie aus dem Mund derer kommt, die für die aktuelle Situation an den bayerischen Hochschulen verantwortlich sind, wenn man einem Pflichtbeitrag von etwa zehn Euro pro Semester, an deren Verwendung die Studierenden direkt demokratisch beteiligt sind, eine Zwangsgebühr von bis zu 500 Euro pro Semester entgegenstellt, die völlig an der Stimme und den Interessen der Zahlenden vorbei verwendet werden; wenn freie und funktionierende Interessenvertretung von politischen Entscheidungsträger*innen verweigert wird, die sich schon mit der bloßen Mitsprache der Studierenden in ihren ureigenen Angelegenheiten schwer tut. Die bestehenden rechtlichen Grenzen im Freistaat erschweren die Arbeit der Studierendenvertretungen enorm. Es ist uns nicht möglich, selbst über die finanziellen Mittel unserer Arbeit zu bestimmen; häufig wird Material zu politischer Arbeit verweigert. Die Studierendenvertretungen haben keine Kapazitäten, um kulturelle oder sozial-psychologische Angebote zur Verfügung zu stellen, wie es in anderen Bundesländern möglich ist. Durch die bestehende Rechtsform fehlt der Studierendenschaft auch die Möglichkeit, ihre Studierenden juristisch zu unterstützen, da sie von der jeweiligen Hochschule abhängig ist. Wir möchten daher Sie, Herr Dr. Gauck, anlässlich Ihres Besuchs bitten, die Autorität und den Einfluss Ihres Amtes zu nutzen, um die Verantwortlichen für diese Zustände dazu zu ermahnen, sich für eine freie, unabhängige und verfasste Studierendenschaft einzusetzen. Nehmen Sie ihnen die Möglichkeit, sich hinter einem falsch verstandenen Freiheitsbegriff zu verstecken. Wir wünschen Ihnen darüber hinaus einen erfreulichen Aufenthalt in Regensburg und an unserer Universität und verbleiben mit guten Wünschen, Gezeichnet, der AStA der Universität Regensburg Matthias Zunhammer Franziska Hilbrandt David Vogelbacher Daniel Kutscher Daniel Gaittet Eva Kammerl Anne Kratzer Marius Meier

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