Oberbürgermeisterin im Kreuzfeuer der Anwohner
Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer hat sich am Mittwochabend in der Konradsiedlung den Anwohnerinnen und Anwohnern gestellt und um Verständnis für die geplante Baustraße geworben. Auf Verständnis stößt die OB dabei nicht.
Es ist Mittwoch, früher Abend. Dicht gedrängt stehen dutzende Menschen am Ende der Aussiger Straße beieinander und umringen die Oberbürgermeisterin. Es sind Anwohner aus der Konradsiedlung und vom Sallerner Berg – inklusive Mitgliedern der beiden Bürgerinitiativen Sandberg und Regensburg Nord. Maske trägt man hier nur vereinzelt. Es geht schließlich um ein wichtigeres Problem. Innerhalb der Menschentraube, von außen kaum sichtbar, steht Gertrud Maltz-Schwarzfischer seit fast einer Stunde Rede und Antwort.
Eingeladen wurde das Stadtoberhaupt von der BI Nord. Dort wo bald die Bagger anrollen und eine temporäre Baustraße entstehen soll, will man Maltz-Schwarzfischer doch noch vom Gegenteil überzeugen (hier unser Bericht zum bisherigen Verlauf). Von der Aussiger Straße über den Nordhang des Sallerner Berges sollen in den kommenden sieben Jahren Schwerlasttransporte zur Baustelle für das neue Schulzentrum fahren.
Baustraße erneut Thema im Stadtrat
Die OB bekundet während des Termins immer wieder Verständnis für die Bedenken. Dennoch wirbt sie für das Vorhaben und versucht, mit womöglich unbegründeten Sorgen aufzuräumen. Doch so ganz wollen ihre Erklärungen in der Menge nicht verfangen. Im Gegenteil. Eine Frau wendet sich bald ab. „Das ist doch alles längst beschlossen und uns will man jetzt hinhalten“, sagt sie zu ihrer Nachbarin.
Tatsächlich ist die Erschließung der Baustelle über die sogenannte Variante 9b, eine temporäre Baustraße durch die Verlängerung des Aberdeen Parks, von der Mehrheit des Stadtrats im Mai beschlossen worden. Der Vergabeprozess wurde aufgrund einer Petition der BI Nord vorübergehend pausiert. Einen Tag nach dem Vor Ort Termin greift der Stadtrat die Petition auf und debattiert erneut über das Thema. Die Oberbürgermeisterin gibt dabei auch ihre Eindrücke und die Befürchtungen aus der Diskussion einen Tag vorher wieder.
„Wir hätten auch lieber eine einfachere Lösung präferiert“
In der Konradsiedlung versichert Maltz-Schwarzfischer, man habe es sich ganz sicher nicht leicht gemacht. „Wir hätten auch lieber eine einfachere Lösung präferiert.“ Doch die gäbe es nunmal nicht. Ausführlich erklärt sie die Genese des Vorhabens. „Wir waren im Stadtrat selbst ziemlich überrascht, als es aus der Verwaltung plötzlich hieß, wir würden da ein großes Problem mit der Erschließung der Baustelle bekommen.“ Insgesamt elf verschiedene Routen habe man dann umfangreich prüfen lassen. Im Sommer 2020 wurden Belastungsfahrten an mehreren Stellen des Sallerner Berges durchgeführt und ein Gutachten erstellt. Eine Route nach der anderen sei dann für untauglich erklärt worden und nur Variante 9b übrig geblieben.
„Von wegen. Da wurde gar nichts geprüft“, drückt eine Anwohnerin ihr Misstrauen gegenüber der Politik aus. Allein ist sie damit nicht. Es herrscht Misstrauen gegenüber der Oberbürgermeisterin und der Stadtpolitik als Ganzes. Auch der Verdacht der Klientelpolitik drängt sich manchen auf. Schließlich würden am Sallerner Berg, der von einer Baustraße verschont bleibt, „gewisse Personen” wohnen, meint eine Frau. Genauer werden will sie auf Nachfrage aber nicht.
Temporäre Bautrasse soll temporär bleiben
Auch dass sich Umweltverbände bisher nicht gegen die Baustraße ausgesprochen haben, stößt den Konradsiedlern sauer auf. Die würden sich hier wegducken. Die „Zerstörung der Umwelt“ ist einer der Hauptgründe, der die Mitglieder der BI Nord umtreibt. Die Straße soll am Hang des Sallerner Berges durch ein Grüngebiet führen. CSU-Fraktionschef Jürgen Eberwein sprach gegenüber unserer Redaktion von ackerbaulich und grünlandwirtschaftlich genutzten Flächen. Es bestünde nur eine „geringe Beeinträchtigung der Erholungsnutzung“. Das nahegelegene Naturschutzgebiet bleibe unberührt.
Dass die Straße nach Abschluss der Bauarbeiten zurückgebaut und das Areal renaturiert werden soll, so das Versprechen, kann die Wogen nicht glätten. „Das kennen wir ja von anderen Vorhaben“, meint ein Mann skeptisch. Man fürchtet, dass die Straße als Weg zum Sallerner Berg erhalten bleiben könnte und als Zufahrt zu einem neuen Wohnbaugebiet. Die OB und auch Mitglieder der Verwaltung wimmeln ab. „Wir haben den Rückbau als Stadtrat beschlossen.“ Auch gegenüber dem Stadtrat wird sie das am Donnerstag dann noch einmal deutlich machen. „Die Baustraße muss wieder rückgebaut werden.“
„Soweit kommt’s noch…“
Und auch bei der Schulwegsicherheit versichert die OB während der Sitzung, „dass man sich gemeinsam mit der Polizei die zwei Schulwege ganz genau anschaut“. Das versprechen Vertreter der Verwaltung am Mittwoch auch den Anwohnern. Maltz-Schwarzfischers Idee, Eltern könnten mit Hilfe selbstorganisierter Schullotsen die Querung der Baustraße für die Schulkinder zusätzlich absichern – kein ungewöhnliches Vorgehen -, wird hingegen deutlich abgelehnt. „Soweit kommt’s noch“, meint eine Mutter. Es sei Aufgabe der Stadt, für die Sicherheit zu sorgen. Und die sei durch die Schwertransporte erheblich beeinträchtigt.
„Es ist ja nicht so, dass hier sieben Jahre lang, jeden Tag dutzende LKWs entlang fahren“, hält die OB entgegen. Das müsse man schon etwas relativieren. Auf der Baustraße soll, durch ein Schrankensystem reglementiert, nur der Schwerlastverkehr über zehn Tonnen fahren. Und der werde vor allem während der Abbruch- und Aushubphasen anfallen. Da der Neubau in mehreren Schritten geschehen wird, werde der Bauverkehr ebenfalls in mehreren Phasen stattfinden. Und auch dann werde das Aufkommen überschaubar bleiben, versichert Maltz-Schwarzfischer.
Bauverkehr wird in jedem Fall kommen
„Muss denn erst etwas passieren“, beschwört Bernhard Brauner von der BI Nord die seiner Ansicht nach so oder so drohende Gefahr für die Kleinsten. Zuvor betonen er und seine Frau Dagmar Brauner, Vorsitzende der BI Nord, dass niemand verstehe, warum man diese Straße überhaupt baue. „Irgendeinen Tod müssen wir da sterben“, so die OB. Selbst die vielfach geforderte Verlagerung des Standortes für eine neue Schule ändere daran nichts. „Wir müssten trotzdem die Gebäude abreisen und das Areal dann halt anderweitig entwickeln.“ Der Baustellenverkehr werde so oder so kommen und somit letztlich auch die Baustraße.
Neu sind die Ausführungen nicht. Schon im März hatte die OB zusammen mit der Stadtverwaltung im Rahmen einer Online-Veranstaltung über die Probleme bei der Baustellenerschließung und die Hintergründe der mittlerweile beschlossenen Variante 9b aufgeklärt. Wirklich erreicht hat man bisher aber wohl nur wenige Personen.
Stadt müsste wohl für Schäden haften
Die von den Gegnern der Baustraße am Mittwoch erneut aufgeführte Variante 8 über die Riesengebirgstraße – auch hier wäre eine temporäre Baustraße von Nöten – scheidet laut OB aus gewichtigen Gründen aus. „Das Gutachten empfiehlt hier ein engmaschiges Monitoring über eventuell auftretende Schäden.“ Erdfälle, wie in der Vergangenheit am Berg bereits geschehen, könnten nämlich auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden.
Das Monitoring allein würde schon sehr teuer werden. „Sollte dann tatsächlich während der Bauphase etwas passieren und Schäden entstehen, hat unsere Versicherung bereits angemerkt, dass sie nicht garantieren kann, die Schäden dann auch zu übernehmen“, stellt Maltz-Schwarzfischer fest. Im schlechtesten Fall hieße das: Die Stadt habe ja von dem Risiko gewusst und sei dieses bewusst eingegangen. Dann müsse die Stadt nicht nur für den Schaden aufkommen. „Auch die Baustelle würde dann erst einmal still stehen, bis wir eine Alternative gefunden haben.“
Auch ein Konflikt zwischen zwei Stadtteilen
Kurzzeitig geraten dann auch Anwohner vom Sallerner Berg und aus der Konradsiedlung aneinander. „Sie können gerne mal bei mir vorbeikommen und sich die Risse an meinem Haus anschauen“, entgegnet eine Anwohnerin vom Sandberg den Bemerkungen, das sei alles gar nicht so dramatisch. Es ist auch ein Konflikt zwischen den Stadtteilen. Den Bauverkehr will man nirgends.
An der Variante 9b führt aber für den Stadtrat letztlich keine andere Route vorbei. Am Donnerstag wird die Petition der BI Nord einstimmig abgelehnt. Damit ist der Weg für die Bagger frei. In den kommenden Wochen soll der Bau der Straße bereits beginnen, „damit wir dann zügig den Schulbau angehen können“, so Maltz-Schwarzfischer in der Aussiger Straße. Für die Anwohner keine schöne Nachricht. Da hilft es auch nichts, dass die Kosten für die Baustraße mittlerweile deutlich gefallen sind. Statt der bisher veranschlagten 800.000 Euro, rechnet die Stadt nur noch mit knapp der Hälfte der Kosten.
Im Zweifel wird nachgebessert
Michael Köstlinger, Leiter des Tiefbauamtes, erklärt zudem, dass die Straße keine größere Gefahr bei Starkregenereignissen darstelle. Auch das habe man untersuchen lassen. Einige Anwohner haben hier noch die aktuellen Bilder aus Nordrhein-Westfalen vor Augen.
Der Amtsleiter versucht auch beim Thema Verkehrssituation in der Aussiger Straße den Dampf aus der Debatte zu nehmen. „Ganz genau beobachten“ werde man das. Sollte der kommende Baustellenverkehr bislang unerwartete Probleme verursachen, werde man jederzeit nachsteuern. „Kurzfristige Eingriffe in die Parkplatzsituation“, sprich ein zeitweises Parkverbot, könnten nicht ausgeschlossen werden. „Wir wollen das aber so gut es geht verhindern.“ Auch das sorgt für ernüchtertes Gelächter unter den Anwesenden. Die Verwaltung schlägt daraufhin vor: „Wir könnten das dann ja zum Beispiel nur auf die Tageszeit begrenzen und Abends die Parkplätze wieder freigeben.“ Zumindest das nimmt man positiv zur Kenntnis.
BI Nord will noch nicht aufgeben
Trotz Stadtratsbeschluss will die BI Nord Freitagnachmittag eine Demonstration durch die Konradsiedlung durchführen. „So lange die Straße nicht geteert ist, werden wir dagegen halten“, hatte Dagmar Braun vor kurzem versichert. Auch den Weg über die Justiz will man sich offen halten. So ganz dürfte das Thema also noch nicht gegessen sein.
Karl Gustav
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Heute 1. Oktober 16:45 Uhr Treffen PennyMarkt Brandlbergerstraße!
Laßt und nicht kampflos aufgeben.
Es wäre nicht der erste Beschluß den die Stadtspitze ändert. Der Rückbau der Baustraße und die Renaturierungen sind vermutlich nichts als ein leeres Versprechen.
Die Erschließung des großen neuen Baugebiets ausschließlich über die Riesengebirgsstraße wird niemals möglich sein. Der Stadt muß klar sein, daß es einer Erschließung durch das Naturgebiet und Naherholungsgebietes zwingend bedarf.
Erik L.
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Es ist eben, wie es immer ist. Jeder fordert “vom Staat” gute Schulen, wohnortnah natürlich und modern. Wenn diese dann gebaut werden sollen, wird protestiert: Lärm, Dreck, Verkehr, jener geschützte Grashüpfer und dieser gefährdete Käfer verlieren durch den Bau ihren Lebensraum und überhaupt…
Auch hier, wieder einmal, sind die Prostestierer/innen vornehmlich ältere Jahrgänge. Da sind die eigenen Kinder längst erwachsen und die Enkel, die gehen woanders zur Schule. Egoismus in Reinkultur. Schämt euch!
Gscheidhaferl
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@Erik L.
Ihre Kritik ist leider nicht völlig von der Hand zu weisen, geht meines Erachtens zumindest teilweise aber doch etwas zu weit.
Ich stimme Ihnen insofern zu, als der Protest vereinzelt stärker von der Sorge um Anwohnerparkplätze geprägt zu sein scheint, als von den wirklich schwerwiegenden Argumenten, die zwar nicht grundsätzlich gegen das Schulzentrum sprechen, aber gegen die Art der Umsetzung (und vor allem gegen die geplante Baustellenerschließung).
Und aus meiner Sicht ist es eben gerade die Umsetzung, die a) einher geht mit dem Unter-den-Tisch-fallen-lassen von wesentlichen Aspekten, b) dem unverkennbaren Bemühen seitens der Verwaltung möglicherweise berechtigten Bedenken keinen Raum zu gewähren und c) einer Politik, die sich (mal wieder) in erster Linie als Handlanger der Verwaltung zu verstehen scheint, statt als deren Vorgesetzte im Auftrag der Bürger*innen.
A) Es ist nicht einfach der Neubau des Bestehenden. Das Schulzentrum wird definitiv größer. Die Frage der Verträglichkeit mit der vor Ort vorhandenen Infrastruktur stellt sich insofern zu Recht. Der Umstand, dass eine eigene Erschließung für nötig gehalten wird, deutet einerseits ebenfalls darauf hin. Andererseits steht aber immer noch die Frage im Raum, warum die Erschließung über die unmittelbar am südlichen Füße des Baugebiets angrenzden Straßen nicht ausreichen soll bzw. warum der Baustelkenverkehr nicht den Gegebenheiten angepasst werden kann, sondern stattdessen die Gegebenheiten dem Baustellenverkehr angepasst werden sollen. Mag sein, dass es dafür vernünftige Erklärungen gibt. Diese sind jedoch noch nicht explizit und überzeugend kommuniziert worden. Ebenfalls nur unzureichend beantwirtet wurde meines Erachtens die Frage, inwiefern der aufwendige Neubau am Sallerner Berg nicht zu Lasten anderer Schulstandorte geht. So sieht es augenblicklich jedenfalls aus, wenn z.B die Kürzungen bei der geplanten Sanierung des Werner-von-Siemens-Gymnasiums in den Blick genommen werden. Und die Spar- und Aufschubliste ließe sich sicherlich noch um weitere Beispiele ergänzen.
B) Angesichts der Kostenexplosion wurde beantragt, zu überprüfen, ob sich das Schulzentrum nicht andernorts günstiger realisieren ließe. Auch angesichts der definitiv begrenzten Mittel ein naheliegender Gedanke. Der Antrag wurde mehrheitlich zurückgewiesen. Angeblich, um keine weiteren Verzögerungen zu riskieren. Und das nachdem das Projekt bereits seit vielen Jahren verschleppt wurde. Seit Jahren wurden nur noch das Nötigste an Instandhaltung betrieben und den Kindern dort z.B. im Sanitärbereich mehr als fragwürdige Zustände zugemutet. Das hat – wie gesagt – jahrelang niemanden interessiert. Und jetzt, bei plötzlichen Kostensteigerungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich(!), soll auf einmal keine Zeit für eine nochmalige Überprüfung sein?
D) Und die Stadtratsmehrheit lässt sich wieder einmal im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben am Nasenring von der Verwaltung vorführen, statt von seiner Gesaltungsmacht gebrauch zu machen. Mantra: “Also wenn die Verwsltung sagt, es geht nicht anders, dann glauben wir ihr das natürlich sofort.” Als ob es sich nicht schon wiederholt herausgestellt hätte, dass es mit etwas gutem Willen und adäquater Informationsbereitstellung durchaus Alternativen gegeben hätte. Nein, dann wird lieber das Durchdrücken eines zweifelhaften Projekts aus Prinzip weiterverfolgt. Wäre ja noch schöner, wenn sich die Stadt am Ende noch nach dem Willen der Bürger*innen richten oder sich wenigstens ernsthaft mit ihren Bedenken auseinandersetzen würde.
Es geht also nicht nur um die Ahnnehmlichkeit von Veränderungsunwilligen. Es geht vielmehr auch um längst überfällige Veränderungen im Umgang mit berechtigten Anliegen der Bürger*innen durch Verwaltung und Stadtregierung, die kaum eigenen Gestaltungsanspruch erkennen lässt und die selben Fehler immer wieder zu begehen scheint.