„Noch schlimmer als die AfD sind ihre Wähler“: 20.000 demonstrieren in Regensburg gegen Rechts
Mit einer so großen Resonanz hatten die Veranstalter nicht gerechnet. Am Sonntag fand eine der größten Demonstrationen der Nachkriegszeit in Regensburg statt. Im Fokus: die AfD und die gemeinsame Abstimmung der Union mit den Rechtsextremen.
Wer am Sonntag etwas später eintrifft, hat kaum eine Chance, bis zum Domplatz vorzudringen. In den umliegenden Gassen und Straßen drängen sich die Menschen dicht an dicht. Auch der Neupfarrplatz, auf den die Reden über Lautsprecher übertragen werden, ist noch gut gefüllt. Zu Zwischenfällen kommt es nicht.
Polizei und Veranstalter sprechen am Ende in seltener Einigkeit von 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Gesellschaftsschichten. 7.000 mehr als bei der Großdemo „gegen Rechts“ im vergangenen Jahr. Im Fokus steht das zunehmende Erstarken der AfD und die bei der Planung der Demonstration noch nicht absehbare gemeinsame Abstimmung von Union und weiten Teilen der FDP mit den Rechtsextremisten am Mittwoch und am Freitag.
FDP-Abgeordneter Lechte stimmt mit Nein: „Gewissensentscheidung“
Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz hatte die CDU/CSU-Fraktion unter Federführung von Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Freitag in den Bundestag eingebracht. Es scheiterte knapp – insbesondere auch an einigen wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen bei Union und FDP. Es wäre das erste Gesetz gewesen, das mit Hilfe der AfD verabschiedet worden wäre.
Der FDP-Abgeordnete Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher, war einer von zwei in seiner Fraktion, die gegen den Gesetzesentwurf stimmten. Bereits bei dem Entschließungsantrag am Mittwoch, der mit den Stimmen von Union, AfD und FDP knapp beschlossen wurde, hatte Lechte sich enthalten.
Einer „wissentlichen Mehrheit“ mit der AfD habe er nicht zustimmen können, so Lechte im Deutschlandfunk. Er sprach von einem „Schaufensterantrag“. Seine Gegenstimme zum rechtlich umstrittenen Zustrombegrenzungsgesetz bezeichnet Lechte als „Gewissensentscheidung“. Bei der CSU gab es keine Abweichler. Der Regensburger Abgeordnete Peter Aumer, der in der Vergangenheit mit der Verbreitung nachweislich falscher Zahlen in Zusammenhang mit der Bezahlkarte auffiel, stimmte sowohl am Mittwoch als auch am Freitag mit der AfD.
CSU feiert Neujahr mit Söder, Freie Wähler in der Schmollecke
Entsprechend sind auf dem Domplatz am Sonntag, im Gegensatz zur Großdemonstration im Vorjahr, auch keine CSU-Vertreter zugegen. Bürgermeisterin Astrid Freudenstein befindet sich im Urlaub und der Rest der Stadtratsfraktion feiert an dem Tag im Audizentrum Neujahrsempfang mit Ministerpräsident Markus Söder. Auch die Freien Wähler fehlen. Dort ist man dem Vernehmen nach immer noch gekränkt, angesichts von Reden, bei denen Hubert Aiwanger vor dem Hintergrund der Flugblatt-Affäre im vergangenen Jahr etwas härter angepackt wurde.
Der, Aiwanger, wird heuer nur kurz erwähnt. Hauptredner Christian Springer, Kabarettist und Gründer des Vereins Orienthelfer, spricht davon, dass Aiwanger und Söder „gerne die Fahnenträger“ seien, wenn es darum gehe, Hetze und Fakenews zu verbreiten. Die AfD bezeichnet Springer als „faschistische Lügenbande“, als Partei mit den meisten Fehlzeiten in den Parlamenten und mit der höchsten Kriminalitätsrate unter ihren Mandatsträgern.
„Höcke, diese Mischung aus Goebbels und Dorfdepp“
Als der Entschließungsantrag im Bundestag unmittelbar nach dem Gedenken für die Opfer des Holocaust verabschiedet wurde, hätten deren Abgeordnete vor Freude gefeixt und „gejault wie bei einer Hexenverbrennung“. Die AfD missbrauche den „unfassbaren Mordanschlag von Aschaffenburg“ für den Wahlkampf. „Schrecklich schäbig“ sei das.
„Als Höcke, diese Mischung aus Goebbels und Dorfdepp, in Aschaffenburg in die Mikrofone schwadronierte, redete er ständig von einem toten Mädchen. In Wahrheit ist ein kleiner Bub gestorben“, so Springer. Das zeige: „Die AfD interessiert sich nullkommanull für Menschen, sondern nur für Hetze, Gewalt und Hass.“ Doch auch die Konservativen sollten endlich die Opfer und Familien mit ihrem „Scheiß-Wahlkampfgedöns“ in Ruhe lassen.
Schlimmer aber als die AfD seien deren Wähler, sagt Springer. Die Anwesenden ruft er deshalb dringend auf, mit diesen Leuten zu diskutieren, ihnen zu widersprechen – und wählen zu gehen. Denn auch wenn es in der Politik „Deppen“ gebe, unter den Wählern gebe es mehr. So wie fast alle anderen Rednerinnen auch, fordert Springer ein AfD-Verbot.
Nach Voderholzers Distanzierung: „Christinnen und Christen gegen Rechts“
Gegen Ende der etwa eineinhalbstündigen Kundgebung vor dem Regensburger Dom tritt die Theologin Silvia Gross ans Mikrofon und verkündet die Gründung der Initiative „Christinnen und Christen gegen Rechts“. Gott werde von Rechtsextremen regelmäßig missbraucht, so Gross. Dazu wolle sie einen Gegenpol bilden. Einer der ersten Unterstützer: Christian Springer.
Die Gründung ist laut Gross aber auch eine Reaktion auf die „befremdliche Haltung“ des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer. Der hatte sich als zunächst einziges Mitglied der Bischofskonferenz gegen die kirchliche Stellungnahme zur Migrationspolitik von CDU und CSU und die im Bundestag zur Abstimmung gestellten Anträge ausgesprochen.
In einem gemeinsamen Papier hatten sich evangelische und katholische Kirche einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag gegen das Zustrombegrenzungsgesetz gewandt. Die von CDU-Chef Friedrich Merz angestoßene Verschärfung der Migrationspolitik hätte „nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert“, heißt es unter anderem darin.
„Die Attentate von Magdeburg und Aschaffenburg seien „von offensichtlich psychisch kranken Personen begangen“ worden. Die Taten zeigen aus Sicht der Kirchen daher ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker auf. “ Insbesondere vor diesem Hintergrund sei der Gesetzesentwurf aus Sicht der Kirchen „nicht geeignet, zur Lösung der anstehenden migrationspolitischen Fragen beizutragen“.
Voderholzer hatte im Nachgang kritisiert, dass die Stellungnahme nicht mit ihm und der Bischofskonferenz abgestimmt worden sei. Sie spreche „nicht in meinem Namen“. Wenige Tage später schloss sich Voderholzers Position auch sein Eichstätter Kollege Gregor Maria Hanke über ein Statement in der neurechten katholischen Tagespost an. Die überwiegende Mehrheit der Bischofskonferenz allerdings steht hinter den Inhalten der Stellungnahme. In Regensburg wollen dem nun die „Christinnen und Christen gegen Rechts“ eine Stimme verleihen.
Trackback von deiner Website.
Mr. T.
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“Schlimmer aber als die AfD seien deren Wähler, sagt Springer.”
Noch viel gefährlicher aber sind diejenigen, die die AfD und deren Wähler relativieren, tolerieren, um Verständnis für sie bitten, ihnen die Hand reichen, mit ihnen abstimmen, die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie behindern, indem Sie sich gegen ein Verfahren sperren, das unsere Verfassung eigentlich für genau den Fall vorgesehen hat, dass eine Partei wieder die Demokratie ausnutzen will, um die Demokratie abzuschaffen.
Einfach nur geschichtsvergessen oder viel zu machtbesessen?
Christian Huber
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Wenn eine soziale Partei keine nennenwerten Lösungsvorschläge für die sozialen Probleme in unserem Land zur Bundestagswahl anbietet, wird sie von den Wählern, denen das ein Anliegen ist, auch nicht gewählt. Armut im Alter wird zunehmend ein Problem, aber dafür geht keiner auf die Straße, geschweige dass ernstzunehmende Vorschläge aus diesem Lager kommen, weder in links ausgerichteten Medien noch in deren Foren oder Kommentarspalten.
Bert
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Sie haben recht damit, dass es kaum ernstzunehmende Lösungsvorschläge für soziale Probleme in Deutschland gibt. Ich frage mich nur, warum sie sich so auf Linke versteifen, die das angeblich nicht hätten.
Wer war denn gegen die Bürgerversicherung? FDP und Union
Wer wettert gegen Mindestlöhne? FDP und Union
Wer ist gegen Kapitaltransaktionssteuer? Union und FDP
Wer bringt dieses Thema sao gar nicht im Wahlkampf? Union und FDP
Wer schwadroniert über Sozialmissbrauch? Union und FDP
Wer hat garntiert keine Lösung für soziale Probleme? die AfD; dazu braucht man nur das Parteipreogramm zu lesen.
Wer bringt Vorschläge – mal völlig unabhängig, ob man allem zustiimmt?
Christoph Butterwegge (das wurde hier berichtet), ein Linker
Teile der SPD
Die Linke
Teil der Grünen
Und ja: Man muss kritisieren, wie die SPD hier versagt.
Wer aber behauptet, dass die AfD hier Lösungen bringen würde, ist entweder dumm oder böswillig. Ihr Faible im Kampf gegen Links und Ihre Ignoranz nach Rechts ist bemerkenswert. Vor solchen Polizisten habe ich Angst.
Native
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Zukunftsausrichtung auf höchsten Niveau
Langsam reichts, mit Klimawandelleugnung, EU-Austritts, DM-Return – und extremistischen, rassistischen, nationalistischen Separationsfantasien, würde Deutschland (oder ist es schon, bis in den Mittelstand) verarmen. Einem nackten kann man nicht in die Tasche greifen.
„Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer nackt schwimmt.“ Warren Buffett
https://www.youtube.com/watch?v=e2Qpmie5Gd0 (Satire)
tom lehner
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@ Christian Huber
Es gab genügend Lösungsvorschläge von Menschen die genau das vorhergesehen hatten. Der Wähler wollte es nicht hören. Jetzt rummzujammern und Nazis zu wählen macht es nicht besser.
Das ist im Übrigen mit dem Klima genau das Gleiche
und mit der E Mobilität..
mit der Fracht auf die Schiene…
mit der Rente…. und der plötzlich auftretenden Altersentwicklung…
mit Atommüll und dessen Endlagerung…
mit der Bildungspolitik….
und mit den Nazis die jetzt im Parlament sitzen…
all das wussten wir schon seit ewigen Zeiten. Aber solange der Kühlschrank voll, die Autobahn, genauer die linke Spur frei und die Wampe beheizt wird ist alles pronto!
Mr. T.
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Christian Hubers Beitrag ist das Paradebeispiel wie die rechten bis rechtsextremen Parteien den Diskurs verschieben. Da versuchen Parteien der Mitte die Probleme mit Wohnen, Mindestlohn, Bürgergeld, Altersversorgung, Gesundheitssystem, Energieversorgung usw. zu adressieren, und dann kommen die Parteien, die diese zum größten Teil Probleme verursacht haben, und erfinden neue Probleme und schüren mit Lügen und Hetze diffuse Ängste vor diesen Problemen, für die sie umrealisierbare und illegale einfache Scheinlösungen anbieten, wohlwissend, dass sie deren Nichtumsetzung dann wieder anderen in die Schuhe schieben können, dem linksgrün-versifften Verfassungsgericht zum Beispiel. Schon wird kurz vor der Wahl nur nicht über diese Scheinprobleme gesprochen und man muss nicht dafür gerade stehen, die wirklichen Probleme selbst verursacht zu haben und noch nicht mal eine einfache Scheinlösung dafür anbieten zu können. Und ein viel zu großer Teil der Wahlberechtigten fällt drauf rein. Das schlimme ist dann auch noch, dass man sich keine eigenen Scheinprobleme einfallen lässt, sondern einfach die der Faschisten kopiert, weil die ja die ganzen Ängste schon so schön angeschürt haben und die Positionen in der eigenen Partei eh schon gesellschaftsfähig sind, sogar von den Faschisten von dort mitgenommen wurden.
Günther Herzig
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Früher waren es die Jubelperser, die auffielen. Heute sollen auch NGO`s, die mit Steuergeldern alimentiert werden, solche Veranstaltungen begleiten. Also echte Empörung und Zustimmung der Anständigen. Bei künftigen Wahlen werden es wohl weniger sein, wenn nach dem 23.02.2025 der gesellschaftliche Wert derartiger Claquertreffen hinterfragt werden wird.
Gewerkschafter
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Da hat er mal wieder einen rausgehauen, der Herr Herzig.
Welche NGOs meinen Sie denn nun genau, die mit Steuergeldern alimentiert solche Veranstaltungen begleiten?
Und wie viele der 20.000 Leute wurden denn so als “Jubelperser” und “Claqueure” dorthin gelockt? Und von wem?
Was haben Sie eigentlich gegen solche Demonstrationen?
Und mal weg von Ihnen: Großen Respekt vor Herrn Lechte, der sich gegen die Mehrheit seiner Fraktion gestellt hat.
St. Schrödinger
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@Herzig,
Kleiner haben Sie es wohl nicht?
Was sollen denn all die linksgrünversifften Antifa-Gutmenschen machen, wenn Sie ihnen das Demogeld streichen wollen?
P.S. (und ganz ernst gemeint)
Ich wertschätzte Ihre Beiträge als Einblick in die konservative Seele, aber mittlerweile wundere ich mich immer öfter über den Geifer in der Stimme und die fehlende Substanz in der Aussage. Schade.
Native
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Kommentar gelöscht. Bitte hören Sie endlich auf, ständig Links zu posten, die unnötig sind und nichts mit dem Thema zu tun haben. Wie oft solle ich das noch hier schreiben? Wozu haben wir eine Netiquette? Ich werde solche Kommentare künftig einfach löschen.
Klaus
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“Was soll ich eigentlich wählen, die sind doch alle Mist.”
Das ist schon so ein Problem. Da hast du Poliker:innen die 20 Aufsichtsratsposten haben, die irgendwie auch bei CumEx verstrickt sind, oder nicht gerade durch ein gemeinwohlorientiertes Verhalten auffallen.
Und dann hast du die “Protestpartei” AfD, die ja so anders ist….
Ich sags mal so:
Wer bei der Wahl protestieren will hat unzählige kleine Parteien zur Auswahl, um ein Zeichen zu setzen. Wer dabei den geistigen NSDAP-Nachfolger AfD wählt, der protestiert nicht.