Nimmer vorneweg
Zum ersten Mal nicht zehn Schritte weiter als gedacht: Das neue Album von Ceremony.
So richtig lange – keine zehn Jahre, um genau zu sein – ist es noch gar nicht her, als Ceremony ihre Songs meist mit einer Laufzeit von rund einer Minute ins Ziel brachten und ein gerne gefragter Ansprechpartner waren, wenn es um infernalischen Krach in Höchstgeschwindigkeit ging. Umso erstaunlicher, wie weit davon entfernt sich bereits die letzte Platte Zoo bewegte – die die Trümmer des vom Quintett höchstselbst zerstörten Hardcore mit Shoegaze und Wave verband und so einmal öfter eine völlig eigene Klangästhetik erschuf. Wie viele Ecken weiter Ceremony mit The L-Shaped Man in ihrer Entwicklung stehen, ist dann auch die dringlichste Frage, die rund um dieses neue Album zu klären ist.
Und die Antwort mag für viele überraschend kommen: Die meiste Zeit ziemlich genau dort, wo man sie zuletzt vorgefunden hat. Zwar hat Sänger Ross Farrar dieses Album zur Verarbeitung einer fiesen Trennung ersonnen und seinen Gesangsvortrag in wesentlich dunkleren Klangfarben gehalten, zwar hat die Band ihre Herangehensweise noch weiter beruhigt, als das ohnehin zuvor schon der Fall war, und doch treten Ceremony erstmals ein wenig auf der Stelle. Weil Songs wie The Pattern einfach zu routiniert daherkommen und viel zu sehr genau die Formel wiederholen, die man mit dem letzten Album ohnehin schon perfektioniert hatte. Weil Root Of The World sogar nostalgisch in die Vergangenheit blickt und so auch auf Rohnert Park stattfinden hätte können, aber von der Brillanz von damals nicht einmal zu träumen wagt.
Und weil die Band mit einigen anderen Songs zeigt, wie viel konsequenter The L-Shaped Man hätte sein können. Etwa mit dem Eröffnungsdoppel aus Hibernation und Exit Fears. Da gibt es erst ein völlig ausgemergeltes, verhalltes Klavier zu Farrars brüchigem Selbstgespräch zu hören, bevor ein wundervoller Bass mit Stoizismus und Präzision das Tempo vorgibt und das Fundament bereitet, auf dem sich Exit Fears samt unerhörtem Groove in die Tradition von Joy Division stellen darf. Großartig ist das. Mindestens so großartig wie das unendlich schwere und langsame Your Life In America. Und wenn das vorab veröffentlichte The Separation plötzlich den Indierock im Album willkommen heißt, ist endlich der Moment gekommen, an dem man der Band nicht mehr so richtig folgen kann.
“Can You Measure The Loss?” fragt Farrar da über geradezu fröhliche Gitarrenarbeit und könnte damit kaum zynischer klingen. Da wirkt das abschließende, fast völlig nackt daherkommende The Understanding dann beinahe versöhnlich, bevor es in seinen letzten Zügen doch mit letzter Energie “Baby, say that it’s over” fordert. Das sind sie, die konsequenten Songs. Die dieses zwar Album zusammen halten, aber eben auch zeigen, wie sehr der Band beim Rest doch teilweise die Luft ausgeht. Erkenntnisse bringt dieses Album kaum. Außer vielleicht, dass auch Ceremony mal enttäuschen können. Hätte man nicht unbedingt wissen wollen.
Wertung: 6/10
Anspieltipps: Exit Fears, The Separation, The Understanding
Ceremony – The L-Shaped Man | Matador/Indigo | VÖ: 01.05.2015 | CD/LP/Digital