Neonazi-Kundgebung geht im Protest unter
Auch unter Pegida-Logo bleibt Regensburg für Neonazis ein heißes Pflaster. Die Kundgebung am Domplatz ging im friedlichen Gegenprotest unter.
Bei ihren Vorbildern waren sie braun, heute gewanden sich die Mitglieder des III. Wegs in grüne Uniformen. Als die Anhänger der neonazistischen Kleinstpartei, die in ihrem Programm klare Anklänge an die NSDAP aufweist und in der das verbotene Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“ aufgegangen ist, unter Führung des mehrfach vorbestraften Gewaltkriminellen Walter Strohmeier am Domplatz eintreffen, werden die Protestrufe der Gegendemonstranten kurzzeitig etwas lauter. Am weiträumig abgeschirmten Pegida-Stand scheint man dagegen freudig erleichtert zu sein: Immerhin bringen es die selbsternannten „Patriotischen Europäer“ – nach Polizeiangaben – mit Unterstützung der offenen Neonazis auf etwas mehr als 30 Teilnehmer. Anders wäre die Teilnehmerzahl allenfalls knapp zweistellig geworden. Nach Polizeiangaben trifft die Kundgebung auf rund 1.000 Gegendemonstranten.
Kreuzzugssymbolik und Flachbildschirm
Schon lange vor 17 Uhr haben die Mannen um den vorbestraften NPDler Karl Richter mit dem Aufbauen angefangen, damit um 19 Uhr – für diese Uhrzeit ist die Kundgebung angemeldet – alles fertig ist: der aufgestelzte Flachbildschirm, über den das schwarz-weiß-rote Pegida-Logo flimmert, ein großes Holzkreuz, mit der an die christlichen Kreuzzüge gemahnenden Aufschrift „Deus Vult“ („Gott will es“), ein Sonnenschirm, mit kaum sichtbar durchgestrichenem CSU-Logo und die Tafeln mit den aus Dresden stammenden Pegida-Thesen.
Dort, in Dresden, betrachten viele Pegida-Anhänger das Treiben des Münchner Ablegers erstaunlicher Weise mit einiger Skepsis. Die Zusammenarbeit mit „einem bekennenden Hitler-Verehrer“ wie Karl Richter und die Zusammenarbeit mit offenen Neonazis schade dem Ruf von Pegida heißt es zum Beispiel in einem auf Youtube verbreitetem Video. Richter hingegen, der schon unter NPD-Logo in Regensburg war, freut sich auf Facebook darüber, dass man in München nicht der „Distanziererei“ und dem „Ausgrenzungswahn“ unterliege. Das „Partei- oder Organisationskürzel, unter dem solche Aktionen stattfinden“ sei im Übrigen „völlig egal“.
Am Samstag macht Richter nun erneut die Erfahrung, die er bereits 2013 machen musste. Seinem kleine Häuflein steht eine ungleich größere Zahl an Gegendemonstranten gegenüber, „aus dem bürgerlichen Lager und dem linken Spektrum“, wie es von der Polizei heißt.
Bei einer Gegenkundgebung eine Stunde zuvor am Westportal des Doms hatten Politiker von SPD, Linken, Grünen und Piraten bekräftigt, dass es für Rechtsextreme in Regensburg keinen Platz gebe. Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer freute sich über die zahlreichen Gegendemonstranten. Eine solidarische Stadtgesellschaft stelle sich hier vehement gegen Fremdenfeindlichkeit. Die Landtagsabgeordnete Margit Wild bescheinigte Pegida, sich derselben Sprache zu bedienen wie Hitler und Goebbels.
“Schlechte Menschendarsteller”
Der Grünen-Kreisvorsitzende Stephan Christoph verwies auf die Verrohung von Sprache und Umgangsformen, zu denen Bewegungen wie Pegida, aber auch die AfD beigetragen hätten. „Wenn ein junger Mann in der Donau ertrinkt, ist irgendjemand, der einen lachenden Emoji oder einen zynischen Kommentar über so genannte ‘Fachkräfte’ postet, nicht weit“, so Christoph zu Facebook-Diskussionen über den Tod eines 17jährigen Asylbewerbers vor wenigen Tagen. Diese „verrohte Sprache und Barbarei“ am Samstag nur ein paar hundert Meter entfernt. Karl Richter halte es für völlig normal den Hitlergruß zu zeigen. Den Massenmörder Anders Breivik bezeichnete Richter in der Vergangenheit als Folge eines „multikulturellen Irrsinn-Kurses“. Chrstoph dazu: “Gegen diese schlechten Menschendarsteller stehen wir heute alle hier!”
Tatsächlich kann man aber der vierten Reihe kaum etwas von den Reden hören. Immer wieder rufen Teilnehmer, ob es denn nicht etwas lauter ginge. Man habe entsprechende Auflagen zur Lautstärke erhalten, erklärt Demo-Anmelder Richard Spieß. Und es werde penibel darauf geachtet, dass diese nicht überschritten werden.
Kryptische Bildsprache
Von solchen Auflagen ist bei der Pegida-Kundgebung wenig zu merken. Von der Leinwand schallen lautstarke Videos, die allerdings im deutlich lauterem Gegenprotest untergehen. Die Pegida-Redner – durch eine breite Absperrung von der Gegendemo getrennt – sind nicht wahrzunehmen. Skurrile Szenen spielen sich am Pegida-Stand ab. Als sich zwei Männer mit Fahnen an der Absperrung positionieren wollen, muss Richter ihn kurz zurückhalten und die von ihm gewählte Belgienfahne durch die deutsche Flagge ersetzen. Derweil schreitet eine Pegida-Frau mit langem, groben Rock und Kopftuch am Gatter und unter dem „Deus Vult“-Kreuz auf und ab. Eine Bildsprache, die sich niemandem erschließt.
Aus der Gegendemo fliegen irgendwann kleine Wasserbomben in Richtung Pegida. Als Walter Strohmeier erfolglos versucht, eine von ihnen zu fangen und und unter einigem Jubel nass wird, beschwert er sich bei der Polizei. Die reagiert zunächst mit Durchsagen und positioniert mehrere Beamte unter den Gegendemonstranten. Schließlich werden Mannschaftsbusse zur Abschirmung zwischen die beiden Kundgebungen gefahren. Eingreifen müssen die Einsatzkräfte nicht. Tatsächlich entwickeln sich an den Ein- und Ausgängen sogar einige entspannte Gespräche zwischen Demonstranten und Polizisten.
Um kurz vor 21 Uhr wird die eigentlich bis zehn angemeldete Kundgebung für beendet erklärt. Die Mannen vom III. Weg ziehen unter „Nazis raus“-Rufen ab. Das kleine Häuflein der übrigen Pegida-Teilnehmer bleibt zurück, um Kreuz und Bildschirm abzubauen. Vom Bahnhof kommend fährt ein Polizeilaster vor. Die Beamten müssen noch die Absperrungen entfernen.
Wegen der Wasserbomben werden von der Polizei mehrere Strafverfahren, unter anderem wegen Beleidigung eingeleitet. Offenbar gab es auch einen Flaschenwurf. Ansonsten blieb alles friedlich. Den nun leeren Domplatz säumen zahlreiche leere Bierflaschen.
Angelika Oetken
| #
Den Hass-PredigerInnen sollte man keinen Raum geben. Da es ihnen darum geht, destruktive Emotionen zu schüren, suchen sie Aufmerksamkeit um jeden Preis, indem sie provozieren, desinformieren und spalten. Sehr gut, dass die Regensburger dem etwas entgegen gesetzt haben.
Übrigens passten die meisten Gruppen rechter TerroristInnen ihre Strategien an. Auf martialische Verkleidungen, wie die Leute auf dem Photo oben, verzichten sie. Dafür schicken sie vermehrt Frauen, oft mit Kindern zusammen, nach vorne. Gern werden emotionale Themen instrumentalisiert. Hier ein Beispiel https://beauftragter-missbrauch.de/der-beauftragte/nein-zu-rechtsextremismus/?L=0
Mathilde Vietze
| #
Die Regensburger können stolz darauf sein, daß sie in einer
f r i e d l i c h e n Demonstration dem braunen Gesockse
die Stirn geboten haben. Und die hirnlosen Flaschenwer-
fer sollten bedenken, daß alle, die sich an eine friedliche
Demo anhängen, um Gewalt in irgendener Form auszu-
üben, Pegida und Konsorten in die Hände spielen.
wortklauber
| #
Zwei Sachen würden mich schon noch interessieren:
1. Welche Botschaft sollte die (Bauers-?)frau mit dem 19. Jahrhundert-Style vermitteln?
2. Ich bin sicher kein Befürworter von Verboten, aber handelt es sich beim III. Weg nicht um eine Ersatzorganisation, die sich personell und inhaltlich von dem kameradschaftlichen Freien Netz Süd nicht wesentlich unterscheidet?
Rosalia Genoveva
| #
Vielen Dank auch schön für die züchtig gekleidete Frau mit dem völkischen Kopftuch.
Wegen ihr hat sich das alles ausgezahlt.
Jetzat wiss mas, warum die Solchenen keine ausländischen Frauen mit Kopftuch nicht wollen könnten.
Weil die wo von woanders kommen, kaufen immer die Tücher mit den schönsten Mustern, und dann bleibt den Deutschen Kopfbetuchten nur so ein armseliges einfarbiges Ding übrig.
Lothgaßler
| #
Ich war ja auch dabei, und wurde etwas überraschend zum “Ordner” ernannt. Ausgerechnet bei den Wasserbeutel-Werfern war ich dann auch noch. Des kannst net verhindern. Na guat, zumindest einebieselt hams net. Aus meiner Ecke kam zumindest solange ich da war kein Flaschenwurf.
Wo waren eigentlich die CSU-Granden? Ich habe keinen gesehen. Die haben wahrscheinlich wichtigeres zu tun gehabt, wie immer, wenn es um was geht.
Das Polizeiaufgebot war enorm. Vielleicht würds helfen, wenn bei der nächsten Pegida-in-Regensburg-wirds-nix-Demo ein 2 m hoher Zaun um diese Resterampe brauner Gesinnung fest installiert wird. Dann reichen auch 20 Beamte aus, und wir Gegendemonstranten könnten näher ran.
Hans Dampf
| #
Es wäre schön wenn man die Videos auch ohne Gsichtsbuch Kennung sehen könnte. Nicht jeder hat und WILL da dabei sein
Rosalia Genoveva
| #
Da rechnet man mit einem Bericht von einer Braunen Veranstaltung, und was zeigt uns das regensburg-digital Portal?:
Paar Manderleut Ton in Ton mit unserem alten Polyester-Christbaum in Immergrün.
Davor eine vielleicht fertig fürs Krippenspiel verkleidete Frau, die dem leider noch im öffentlichen Regensburger Verkehr steckenden Josefdarsteller mit einer Fahne winkt, damit er sie schneller findet.
Angelika Oetken
| #
@Rosalia Genoveva,
wegen der Fahnen-schwenkenden Kopftuchdame auf dem Photo: in meiner nordwestdeutschen Heimat trugen die Frauen bis vor ca. 25 Jahren zusätzlich noch eine Kittelschürze. Danach kam das aus der Mode, weil die Dinger in der DDR produziert worden waren. Via Quelle und Otto gelangten sie in den Westen, wie so viele andere Dinge auch. Einziger Unterschied: in der DDR hieß Nylon “Dederon”, sonst waren die gleich. Manche Frauen haben bis heute an dieser praktischen Tradition festgehalten, denn diese bunten Kittel sind nahezu unkaputtbar und schön praktisch. Schont die Kleidung und die Dauerwelle. Ich bin nicht aus Ihrer Gegend, deshalb weiß ich nicht, inwieweit es diese Mode in der Oberpfalz auch gab bzw. noch gibt.
Stellen Sie sich die Resl von Konnersreuth einfach mit so einem Ding hier vor https://www.bing.com/images/search?view=detailV2&ccid=B8ADip6X&id=DAB522E403CAD6F04DD2EF9D6770BDD4277003C5&thid=OIP.B8ADip6XZtlmCMQ1eaWaxADYEg&q=kittelsch%C3%BCrze+vintage&simid=607988781802129081&selectedIndex=40&ajaxhist=0
Gummistiefel dazu. Dann passt es!
VG
Angelika Oetken
dünnster Künstler
| #
Regensburgs Charlottesville ….
Der Sockel des weiträumig umzäunten König Ludwig I Reiterstandbilds auf dem Domplatz war offenbar von Polizisten besetzt, die ihn als Aussichtsplattform nutzten. Das Denkmal mit seinem senkrecht nach oben zu denkenden Luftraum, wurde Teil einer Konfrontation zwischen rassistischen Geschichtsrevisionisten und aufgeklärteren Teilen der Gesellschaft. Wo bleibt der Denkmalschutz bei dieser Ausweichperformance?
Für was steht das Ludwig I Denkmal noch außer für Domtürme und Bierwerbung? Welchem imaginären kaisergleichen Ludwig wurde hier 1904, über 50 Jahre nach seinem Abdanken, im Vorfeld des 1. WK ein Denkmal im Stile des Empirismus gesetzt? Der dargestellte Alleinherrscher braucht keine Verfassung! Ludwig I inszeniert von seiner finstersten Seite. Wäre die bürgerliche Gesellschaft 1904 so weit gewesen, statt dem König ein Fahrrad* auf den Sockel zu stellen (Alfred Jarry hätte das gefallen!) – dann hätte man sich den 1.WK sparen können.
*(((Das Fahrrad, in seiner heutigen Form, wurde im Anschluss an den amerikanischen Bürgerkrieg entwickelt, in großem Maßstab industriell gefertigt und importiert, der technische Sprung kam aus der Waffenindustrie (…MGs wurden nicht mehr benötigt.): Kugellager, Speichen, Kette und gezogene Rohre. Um die Jahrhundertwende war das Fahrrad vom Statussymbol der Bürger zum überlebenswichtigen Fortbewegungsmittel der Arbeiter geworden, die von allen Richtungen kommend in die Fabriken strömten. )))
2010, über hundert Jahre später, das selbe Denkmal mit der selben Begründung wie 1904 unkommentiert aufzustellen ist an Plattheit und Geschichtsvergessenheit kaum zu übertreffen und nicht nur Weltkulturerbe-Folklore sondern ein fatales politisches Signal mit entsprechenden Konsequenzen.
In Regensburg wird von höchster Stelle, mit absurden, dümmlichen und abwimmelnden Argumenten eine künstlerische, kulturhistorische Auseinandersetzung mit dem “Denkmal” verhindert.
Es verwundert nicht, dass die Rechten den unveränderlichen und über alles erhabenen Lichtträger in ihre Inszenierung miteinbeziehen. Regensburg ist nicht in der Lage sich konstruktiv und kritisch mit den Altlasten im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen. Es ist an der Zeit diese Metallmanschgerl kritisch zu hinterfragen, zu kommentieren und zu dekonstruieren. (Ich würde das Reiterstandbild auf dem Lutherhochhaus aufstellen, von dort kann der König immer noch zum Dom blicken.)
Diejenigen, welche jetzt spöttisch eine Themaverfehlung vermuten, die seien gefragt… Welches antidemokratische Geschichtsbild wird täglich durch das „Denkmal“ auf dem Domplatz unkommentiert reproduziert?
Was spricht dagegen Zugänge zur Geschichtlichkeit der Platzkonstellation zu eröffnen?
Wäre ein reflektierter Umgang mit dem öffentlichen Raum nicht auch ein gutes Mittel gegen alte und neue Nazis? Würde der Tourismus tatsächlich unter einem aufgeklärteren und sensibleren Umgang mit dem öffentlichen Raum leiden? (…man nehme z.B. die ganze Geschichte des Kornmarkts, Dachauplatz….usw. )
Die Reaktionen der Stadt:
OB Wolbergs Ende 2015: „Eine Entfernung des Denkmals käme einer „damnatio memoriae“ gleich, wie sie 1936 schon die Nationalsozialisten versucht haben.“
und „“Würde die Stadt Regensburg als Eigentümerin ihr Einverständnis zu der von Ihnen geplanten Verhüllung geben, ergäbe sich daraus ein Bezugsfall, der angesichts des bekanntermaßen weitgefassten Kunstbegriffs unkalkulierbare Folgen hätte.”
http://europabrunnendeckel.de/download/ludwigweb/OB_Antwort_Ludwigverhuellen_datiert_17_12_2015_Posteingang_am_23_12_2015.pdf
Erneute Anfrage an Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer mit entsprechender Klarstellung der künstlerischen Intentionen: http://europabrunnendeckel.de/download/ludwigweb/LudwigI_verhuellen2017_Anfrage_an_Eigentuemerin_erklaerung.pdf
Antwortschreiben: http://europabrunnendeckel.de/download/ludwigweb/Reiterstandbildantwort3_juli_Posteingang_7_Juli_kl.jpg
Illustrierte Dokumentation:
http://europabrunnendeckel.de/?p=5150