Naturschutzverbände laufen Sturm gegen „Quartier West“
Die „Immobilien Zentrum Regensburg“-Gruppe hat kürzlich ein neues Wohnquartier im Stadtwesten angekündigt. Mehrere Naturschutzverbände befürchten nun die Rodung eines wertvollen Biotops. Eine rechtskräftige Baugenehmigung bzw. einen Bebauungsplan für das Vorhaben scheint es bislang nicht zu geben.
„Quartier West“ ist eine Vorankündigung übertitelt, die Mitte November 2020 in der „Regensburger Immobilien Zeitung“ erschienen ist und die nun mehrere Naturschutzverbänden auf den Plan gerufen hat. In der hauseigenen Werbezeitschrift der „Immobilien Zentrum Regensburg“-Unternehmensgruppe (IZ) wird unter besagter Vorankündigung ein neues „Stadtquartier im begehrten Westenviertel“ versprochen, das dort „in den kommenden Jahren entstehen wird“.
Bund Naturschutz, Landesbund für Vogelschutz und DoNareA (Donau-Naab-Regen-Allianz) sprechen dagegen von der drohenden Zerstörung einer „zentral wichtigen Naherholungs-, Biotop- und Klimafläche“ und schlagen Alarm. Das 11.000 Quadratmeter große, amtlich kartierte Biotop zwischen Lilienthal-, Hermann-Köhl- und Wernerwerkstraße solle wohl bis Ende Februar gerodet werden, lautet ihre Befürchtung. „Wir sehen hier unter Umständen eine strafrechtliche Relevanz“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom heutigen Dienstag.
Noch kein rechtskräftiger Bebauungsplan
Eine offizielle Baugenehmigung für das Vorhaben des IZ scheint es nach den öffentlich zugänglichen Informationen nicht zu geben. Das mit Bäumen bewachsene Areal ist laut dem derzeit gültigen, in den 80ern aufgestellten Bebauungsplan als Gewerbefläche ausgewiesen.
Zwar wurde am 19. Januar 2016 im Zuge der „Wohnbauoffensive“ der damaligen „Bunten Koalition“ im Planungsausschuss des Regensburger Stadtrats beschlossen, diesen und zwei weitere Bebauungspläne in dem Gebiet zu ändern, um Wohnbebauung zu ermöglichen. „Ob dies (…) vor dem Hintergrund der vorhandenen gewerblichen Nutzungen möglich ist, bleibt der vertieften Untersuchung vorbehalten“, heißt es einschränkend auch mit Blick auf die nun zur Debatte stehende Fläche (hier die komplette Beschlussvorlage).
Fünf Jahre ist das her – seitdem wurde das Thema im Stadtrat nicht mehr öffentlich behandelt. Ein entsprechend geänderter Bebauungsplan, auf dessen Basis das vom IZ angekündigte „Quartier West“ entstehen könnte, ist in den Beschlussvorlagen seit dieser Zeit nicht vorhanden. Der Stadtrat scheint also bislang noch nicht informiert darüber zu sein.
Rodung bis Ende Februar befürchtet
Ungeachtet dessen hat die IZ-Unternehmensgruppe Ende Mai 2020 bereits eine eigene Tochtergesellschaft für das Vorhaben gegründet, die „Quartier West Grundstücksentwicklungs GmbH & Co KG“. Laut Informationen, die dem Bund Naturschutz vorliegen, soll ein Baustart für Ende 2021 geplant sein. „Eine Rodung der Fläche wäre damit wohl bis Ende Februar notwendig“, vermutet BN-Vorsitzender Raimund Schoberer. Danach beginnt die Vogelbrutzeit und eine Rodung wäre verboten. Die drei Verbände haben sich nun an die Stadt Regensburg gewandt und diese aufgefordert, Rodungsarbeiten auf der Fläche „nicht zuzulassen bzw. zu verbieten“.
In ihrer Presseerklärung listen BN, LBV und DoNareA eine Reihe von Argumenten auf. Neben der Tatsache, dass das Areal ein amtlich kartiertes Biotop ist, habe die Stadt selbst die Fläche noch im Anfang 2020 vom Stadtrat beschlossenem Freiraumkonzept als „Potentialfläche Grün“ dargestellt.
„Damit hat die Stadt Regensburg vor ziemlich genau einem Jahr selbst diese Zielvorgabe nach einer breit angelegten Öffentlichkeitsbeteiligung verabschiedet und sollte sich daran gebunden fühlen.“ Neben ihrer Erholungsfunktion sei die Fläche zudem auch aus artenschutzrechtlicher Sicht „besonders wertvoll“. „Die nächste gleichwertige Biotopstruktur ist erst wieder im Stadtpark, im Dörnbergpark oder Prüfeninger Schlossgarten zu finden.“
Darüber hinaus verweisen die Verbände auf mehrere Passagen des Bundesnaturschutzgesetzes zum Tötungsverbot für besonders geschützte Arten. „Wir sehen gegebenenfalls auch strafrechtliche Relevanz, sollte entgegen den gesetzlichen Vorgaben in artenschutzrechtliche Belange eingegriffen werden.“
Bitteres Fazit
Generell ziehen die Verbände mit Blick auf die Aktivitäten der Stadt Regensburg in punkto Naturschutz und den Erhalt von Naherholungsflächen ein recht bitteres Fazit:
„Immobilienentwickler dürfen Regensburg nicht in eine Beton-Stadt verwandeln. In anderen Städten engagiert man sich für die Lebensqualität seiner Bürgerinnen und Bürger und erhält wertvolle Freiflächen für die Allgemeinheit und zum Erhalt der Biodiversität oder vor dem Hintergrund des Klimawandels. In Regensburg werden Naturflächen immer wieder zum finanziellen Vorteil einiger weniger in großem Umfang zerstört.“
Seit Regensburg 2012 Gründungsmitglied der „Kommunen für biologische Vielfalt“ geworden ist, seien mehrere Biotope in großem Umfang zerstört worden oder es werde – im Zuge weiterer Bebauungspläne geplant, diese zu zerstören. „Nach unserer Einschätzung verdient es die Stadt Regensburg nicht, in diesem Bündnis Mitglied zu sein.“
Für den kommenden Donnerstag haben die Vertreterinnen und Vertreter von BN, LBV und DoNaReA zu einer Pressekonferenz geladen, um weitere Details bekannt zu geben und über geplante Aktionen zu informieren. Bei der Stadt Regensburg haben wir zum Stand des Bebauungsplans und einer möglichen Rodung der Fläche nachgefragt.
gretchen
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Es interessiert keinen, daß immer mehr Natur weichen muß. für Straßen, Gewerbe, Wohnraumschaffung. Durch das Naherholungsgebiet unter dem Aberdenpark kommt eine dicke Straße um für 79 Mill. EU eine neue Schule hinzubauen. Hinterhalb der Riesengebirgs Straße kommt eine riesen Wohnanlage mitten in die Natur und im Westen jetzt auch. Dann wundert man sich wenn es keine Vögel, Bienen, Tiere mehr gibt, wenn sich das Klima mehr und mehr erwärmt – Geld kann man nicht essen und auch nicht zum leben atmen und brauchen.
Mr. T.
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Das ehemals rech dichte Unterholz wurde im vergangenen Jahr schon komplett entfernt. Vielleicht wurden damit bereits Fakten geschaffen und es handelt sich nicht mehr um ein Biotop mit wertvollen Arten. Das Vorgehen würde der Immobiienwirtschaft in Regensburg gut zu Gesicht stehen.
Jonas Wihr
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Da gab es zwei Prozesse und die Stadt(verwaltung) macht weiter wie gehabt. Es ist nicht zu fassen!
joey
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die Ausgleichsregelung richtet sich nach dem Ökokonto. Vielleicht wurde ja rechtzeitig Ersatz geschaffen und die hier evtl. vorkommenden geschützten Arten sind nun bereits umgesiedelt.
Oder es handelt sich wieder um einen “Fehler” der Stadtplanung in Verbindung mit Zusagen für spätere Beraterverträge. Der Fall Schaidinger hat ja einen Weg gewiesen.
Beeda
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Oh je – Weniger Vogerl aber no mehra Preißn … Machts nur weida so.
Auch a Regensburger
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@Johannes Wihr: Ist sehr traurig aber nicht verwunderlich. Es hat ja von Seiten der Stadt und Verwaltung kein Aufräumen gegeben. Es wurde sich nicht hinterfragt warum dies so alles möglich war und es wurden keine Maßnahmen beschlossen wie dies in der Zukunft verhindert werden soll.
Auch a Regensburger
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Im Regensburger Osten gibt es die Liebigstraße. Mitten im Wohngebiet ist eine Seite der Straße Industriegebiet. Hälfte davon belegt mit Industrie. Die andere Hälfte mit Alten heruntergekommen Gebäuden. Diese werden/wurden illegal als Wohnung vermietet. Für Prostitution genutzt oder stehen leer und verkommen.
Die Liebigstraße ist Teil eines sozialen Projektes der Stadt und die Probleme seid Jahren bekannt.
Die Bürger machen immer wieder auf die Missstände aufmerksam.
Die Eigentümer würden investieren und hier Wohnungsbau machen.
Aber das Gebiet kann anscheinend zum Teufel komm raus nicht geändert werden.
Bin mal gespannt wie der obige Fall ausgeht.
idefix
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Wie man aus der Vorankündigng der Immobilienzeitung schließen muss, scheint das IMZ schon im Besitz dieser kostbaren Fläche zu sein, um seine Rendite auf ehemaligen städti-schen Grund mit Einheitscomputerarchitektur vergolden zu können. Wie ohnehin im Westen der Stadt festzustellen ist, dass zur Renditeoptimierung die früher großzügigen Grundstücks-flächen mit Einzelhausbebauung und großen Grünflächen (Hausgarten mit Bäumen und Tie-ren) durch die verdichtende Bebauung immer mehr zu fast 100% baulich ausgenutzt werden. Immer dasselbe Konzept: Im Kellergeschoss eine Tiefgarage, darüber in mehreren Stockwerken die teuren exklusiven Eigentumswohnungen für potente, oft auswärtige Kapitalanleger (mit und ohne Schwarzgeld?). Wohnungsnahe Freiflächen Fehlanzeige. Sie beschränken sich auf unrentierliche, handtuchgroße Restflächen, die kaum bepflanzt werden können. Diese Art von Minieinheitsgrün kann man sicherlich nicht als menschengerecht und naturgerecht bezeich-nen. Wie Corona jetzt zeigt, sehnen sich die Menschen nach Flächen zum Atmen und für Akti-vitäten im Umkreis ihrer Wohnung, die ihrer mentalen und psychischen Gesundheit dient. Die dicht bewachsene „Potentialfläche Grün“ mit ihrem Biotopcharakter im Stadtwesten ist gleich-sam die einzigverbliebene grüne Insel in der dicht bebauten Umgebung, die noch Luft zum Atmen erzeugt
Ein weiteres trauriges Beispiel einer Vernichtung von Freiflächen ist in Regensburg die ver-dichtete Bebauung rund um das Antoniushaus. Die früher weitgehend großzügige Freifläche, wo sich die Menschen trafen und feierten rund um die dominierende Pfarrkirche St. Anton und das frei stehende denkmalgeschützte Antoniushaus wurde jetzt mit der neuen verdichteten Wohnbebauung maximal eingebaut. Die beiden Gebäude verloren so ihre städtebauliche Dominate im Stadtosten, die durch die großzügige Freifläche rund um die Kirche früher Mittel-punkt des Stadtviertels war. Durch die stetige Verdichtung rund um die Kirche wurde der Be-wegungsspielraum für Menschen, die sich dort treffen konnten, weiter eingeengt. Der Stadt-raum verlor seine Attraktivität. Ein Beispiel, dass die Bauverdichtung nicht nur Freiraum sondern auch soziale Strukturen zerstört. Wo bleiben die wichtigen „Atmungsflächen” für die Men-schen, die in Regensburg wohnen und sich dort bewegen? Soll die lebenswichtige Luft zum Atmen auch noch der Rendite geopfert werden?
Es besteht im Fall der Bebauung als „Quartier West“ die Gefahr, dass beim Thema Nachver-dichtung und Bauen um jeden unbezahlbaren Preis die Ökosystemleistungen wie städtische Erholung, Luftfilterwirkung, Klimaausgleich, Biodiversität und Artenvielfalt nur unzureichend berücksichtigt werden. Es darf nicht sein, dass einseitig nur die Wertschöpfung im Immobilienbereich zählt und die volkswirtschaftlichen Kosten, die mit dem Verlust von Stadtnatur einher-gehen, außen vor bleiben. Es kann nicht das Motto gelten: Der eine (i.d.R. die Kommune, die Bürger) zahlt die Kosten für die Nachteile, und der andere (i.d.R. die Investor) zählt die Rendite für seine Vorteile….und hortet sie in Form von Goldbarren (Tretzel!). Dieses unsoziale Ungleichgewicht darf die Stadt nicht fördern. Es bietet sozialen Sprengstoff.
In diesem Zusammenhang noch ein interessanter Literaturhinweis: http://www.fachzeitschriftstadtundraum.de/Neumann.html
Prof. Neumann, Präsident der Deutschen Gartenbaugesellschaft setzt sich mit der interessanten Frage „Wieviel Grün müssen wir uns leisten“ auseinander. Er macht uns bewusst, wie wichtig Natur, Garten und Grünanlagen für die Gesellschaft gerade in der Coronakrise sind. Grünflächen sind ein wichtiger ökonomischer volkswirtschaftlicher Wert (Gesundheitskosten!) und nicht nur lästiger Kostenfaktor.
Mr. T.
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Richtig, idefix! Fast alles, was derzeit in diesem Umfang gebaut wird, dient nur der Gewinnmaximierung. Mit menschengerechtem Wohnen hat das nichts zu tun. Deswegen kleine Wohneinheiten, in denen der gutverdienende Angestellte (absichtlich nicht gegendert!) die Woche über übernachten kann, statt Wohnungen, in denen auch eine Familie mit Kindern leben kann. Ersteres bietet mehr Rendite für den Bauherrn und den Käufer des Anlageobjekts. Es geht hier auch nicht um Wohnungsbau, sondern in erster Linie um Anlageobjekte – in diesem Fall in der Form von Wohneinheiten. Deswegen gibt es auch keine Ansprüche an Ästhetik und Wohnqualität. Wenn man sich die ganzen Wohnanlagen rund um den Roten Brachweg so anschaut, weiß man, wo die Banlieus von morgen liegen werden.
joey
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@Idefix
der Computer ist nicht schuld an der Ideenlosigkeit der Menschen.
Hans Bambel
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Kommentar gelöscht. Bitte beim Thema bleiben.
XYZ
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Der BPl ist also uralt. Inzwischen hat sich ein ges. geschütztes Biotop entwickelt. Biotope sind nach 30 BNatSchG geschützt. Danach bedarf es einer Ausnahme, wenn ein Ausgleich möglich ist. Nach der RSpr. des BayVGH erfordert dies ein gleichartiges und nicht nur gleichwertiges Biotop. Ob dies geprüft oder bekannt ist mir unbekannt.
XYZ
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Die weitere Frage ist, ob der wohl so 35 Jahre alte Bebauungsplan durch die Entwicklung eines Biotops nicht aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände obsolet geworden ist, also überhaupt faktisch ausser Kraft und nicht mehr zutreffend. Dazu gibt es jedenfalls eine wenn auch nicht einfache und fallbezogene Rechtsprechung des BVerWG.
letootel
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Ob das noch ein Biotop ist, wage ich zu bezweifeln. Abgesehen davon ist mir die Fläche zuvor vor allem als Rückzugsgebiet alkoholisierter Jugendlicher aufgefallen.
Dennoch bin ich gegen eine Bebauung. Es bräuchte viel mehr solcher Flächen in der Stadt. Eine Nachverdichtung erreicht man nicht, indem man Grünflächen bebaut. Und die Verkehrssituation ist auch nicht ohne. Eigentlich können die umliegenden Straßen keine weiteren Bewohner verkraften.
Mr. T.
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letootel, wie ich oben schon mal erwähnt habe, wurden ja schon Tatsachen geschaffen als letztes Jahr das ganze Unterholz entfernt wurde. Somit gibt’s wohl kein Biotop mehr zum schützen 😡