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Streit um Biotop-Bebauung

Naturschützer kritisieren Betretungsverbot und oberflächliches Gutachten

Im Streit um die geplante Bebauung eines Biotops im Stadtwesten von Regensburg scheint das Immobilien Zentrum Regensburg nervös zu werden. Die Bauträger-Gruppe hat ein Betretungsverbot für die Fläche verhängt und droht mit Strafanzeigen. Naturschützer sehen darin den Versuch, eine unabhängige Untersuchung der Fläche zu unterbinden. Das vorgelegte Gutachten zum Artenschutz sei sowohl fachlich als auch rechtlich mangelhaft.

Stehen seit Mitte März: die Verbotsschilder rund um die Fläche in der Lilienthalstraße.

Die Passanten lassen sich von den Schildern kaum beeindrucken. Zu Fuß, mit dem Fahrrad und E-Roller passieren sie den teils geteerten Weg, der an dem bewaldeten Grundstück an der Ecke Lilienthalstraße-Hermann-Köhl-Straße entlang führt. Es ist eine viel genutzte Abkürzung in Richtung Wernerwerkstraße, die einen schönen Einblick gewährt auf die Bäume und Sträucher, und die Mauerreste, die noch von der Lackiererei der Messerschmitt-Werke zeugen, die hier einmal stand.

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„Signifikantes Haftungsrisiko“

Reinhard Griebl, Vorstand der Immobilien Zentrum Regensburg Holding, bezeichnet dieses kleine, etwas mitgenommene, aber dennoch nicht zu übersehende Sträßlein als einen „unbefestigten Trampelpfad“. Dieser befinde sich „seit geraumer Zeit“ auf dem Gelände, so Griebl weiter – tatsächlich sind es schon ein paar Jahrzehnte. Doch weil dieser nicht öffentlich gewidmete Weg aufgrund der Verkehrssicherungspflicht ein „signifikantes Haftungsrisiko“ darstelle, das die „Quartier WEST Grungstücksentwicklungs GmbH“ nicht mehr länger zu tragen bereit sei, werde man nun (sieben Monate nach dessen Erwerb) Verbotsschilder aufstellen. So steht es in einem Schreiben, das die Vertreter von Naturschutzverbänden am 10. März erhielten – und wenig später standen sie auch schon die sechs Schilder, die bei Verstoß gegen das Betretungsverbot mit Strafanzeige drohen.

„Seit geraumer Zeit“ gebe es diesen „Trampelpfad“, schreibt IZ-Vorstand Griebl. Sieben Monate nach dem Erwerb der Fläche gilt wegen des „signifikanten Haftungsrisikos“ für das IZ nun ein Betretetungsverbot.

Raimund Schoberer, Vorsitzender des Bund Naturschutz, sieht in dem aktuellen Verbot vor allem den Versuch, die Verbände davon abzuhalten, „Naturschutzgüter, die auf der Fläche zweifellos vorhanden sind, eigenständig zu erfassen“. Ansonsten hätte ein Warnschild wie „Betreten auf eigene Gefahr“ völlig ausgereicht, glaubt Schoberer.

„Leichtigkeit und Kürze“ beim Artenschutz

Seit Mitte Januar laufen BN, Landesbund für Vogelschutz und DoNaReA (Donau-Naab-Regen-Allianz) Sturm gegen die Pläne auf dem amtlich kartierten Biotop Wohnungen zu errichten (unser Bericht). Das Immobilien Zentrum (IZ) selbst hatte diese Pläne über eine Vorankündigung für ein „Quartier West“ in einer Werbebroschüre öffentlich gemacht. Offensichtlich war man sich bei der stadtbekannten Bauträger-Gruppe bereits letzten November schon sicher, die dafür noch nicht vorhandene Genehmigung von der Stadt Regensburg zu erhalten – keine zwei Monate nach dem Erwerb der 11.000 Quadratmeter großen Fläche, die sich zuvor über zehn Jahre im Eigentum einer Vermögensverwaltungsgesellschaft der Bayernwerk Netz GmbH befunden hatte.

Vorschnelle Vorankündigung: die Werbung des IZ vom November 2020 für das “Quartier West”.

Zwischenzeitlich habe der Bund Naturschutz unter Berufung auf das Umweltinformationsgesetz fast alle relevanten Unterlagen von der Stadt erhalten. „Gegen eine nicht ganz geringe Gebühr“, wie die Vorsitzenden der drei Verbände in einem Offenen Brief an Stadtspitze und Stadtrat mitteilen (hier komplett als PDF). Bei einer ersten Durchsicht sei man erstaunt gewesen, „mit welcher Leichtigkeit und Kürze“, die zum Teil rechtlich streng geschützten Arten abgehandelt worden seien. Unter anderem das Vorkommen von Zauneidechse, Zwergfledermaus und Sperber würden die ökologische Bedeutung der 11.000 Quadratmeter großen Fläche zeigen.

Grundsatzbeschluss pro Wohnbebauung

Dr. Josef Paukner (DoNaReA) spricht von einer „sehr oberflächlichen Untersuchung“. Diese sei „fachlich wie auch rechtlich nicht geeignet“, um dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt zu werden, heißt es in dem offenen Brief. „Kein Wunder, dass auf Grundlage solcher Gutachten die Biodiversität im zentralen Stadtgebiet immer weiter abnimmt.“ Auch weisen die drei Vorsitzenden darauf hin, dass laut den ihnen vorliegenden Unterlagen auch die Fläche des benachbarten Kindergartens „Die Stromspatzen“ überbaut werden würde und dieser wohl weichen müsste.

Eine Online-Petition, die der Bund Naturschutz für den Erhalt des „wertvollen Biotops“ gestartet hat, wurde zwischenzeitlich annähernd 2.000 Mal unterschrieben. Im Stadtrat haben sich zwischenzeitlich unter anderem die Vertreter von Grünen, ÖDP und Ribisl gegen deren Bebauung ausgesprochen.

„Nur ein Fall von vielen“

Tatsächlich ist die Fläche laut dem derzeit gültigen Bebauungsplan von 1989 als Gewerbefläche eingetragen. 2007 wurde ein Großteil des Areals dann als Biotop kartiert und im Anfang 2020 vom Stadtrat beschlossenem Freiraumkonzept schließlich als „Potentialfläche Grün“ dargestellt. Einen Grundsatzbeschluss aus dem Jahr 2016, demzufolge eine mögliche Wohnbebauung auf der Fläche geprüft werden solle, scheint die Verwaltung erst seit dem Erwerb durch das Immobilien Zentrum im September 2020 ernsthaft zu verfolgen. „Grundsätzlich“ könne die Fläche überplant werden, so Planungsreferentin Christine Schimpfermann (unser Bericht). Es handle sich um kein wertvolles Biotop.

Für DoNaReA-Vertreter Josef Paukner ist dies „nur ein Fall von vielen“, in denen innerstädtische Grünflächen ohne Not zur Bebauung freigegeben werden. Der aktuelle Protest sei deshalb auch ein grundsätzliches Signal an die Stadtspitze. „Es gibt den Klimawandel, das Artensterben steigt exponentiell. Wenn Regensburg es ernst meint mit ihrer Mitgliedschaft im Bündnis für Biodiversität, dann muss dieses Zubauen endlich aufhören. Das Wohnungsproblem löst man damit sowieso nicht.“

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Kommentare (16)

  • Mr. T.

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    Wurde eigentlich jemals geprüft, ob die bereits erfolgte Debiotopisierung der Fläche im letzten Jahr überhaupt naturschutzrechtlich zulässig war? Es wurden ja bereis Fakten geschaffen. Das Biotop war vorher sicher deutlich wertvoller?

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  • Pivo

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    Die Tage der Immobilienmogule in Regensburg sind gezählt, diesmal holen wir uns die Stadt zurück!
    Biotope statt Yuppie Bunker!

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  • joey

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    meines Wissens (@Juristen) ist ein Schild: “auf eigene Gefahr” wirkungslos. Wenn tatsächlich Gefahren drohen, muß abgezäunt werden, daher z.B. auch die Bauzäune auf meinen Baustellen.

    Falls ein Verband Naturschutz einklagt, hilft Hr. Griebl nicht einmal eine blickdichte Mauer. Es gibt ein Betretungsrecht im öffentlichem Interesse.

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  • Joachim Datko

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    Nicht vom hohen Ross herab!

    Zitat: “Wenn Regensburg es ernst meint mit ihrer Mitgliedschaft im Bündnis für Biodiversität, dann muss dieses Zubauen endlich aufhören. Das Wohnungsproblem löst man damit sowieso nicht.“”

    Man lindert das Wohnungsproblem zumindest mit der Anzahl der später bezogenen Wohnungen. Wenn es sich um Mehrgeschossbauten oder gar Hochhäuser handelt, können viele Menschen glücklich werden.

    Noch dazu wird durch eine höhere Anzahl von Wohnungen der Anstieg der Mieten gemindert.

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  • Mr. T.

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    So viel ich weiß, sollen hier gar keine Wohnungen gebaut werden. Die Fläche soll mit Anlageprodukten für den Finanzmarkt versiegelt werden, die man während der Haltezeit noch teuer vermieten kann.

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  • joey

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    @Mr.T.
    Die Anlageprodukte sind benutzbare Wohnungen, sonst hätten sie keinen Wert. Spekulation mit leeren Wohnungen kennt man vom Paradies des Kommunismus China, im kapitalistischen Regensburg (wo man sogar Politiker kaufen kann) ist sowas noch nicht bekannt.

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  • XYZ

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    Wir leben inzwischen in einer völlig verqueren Welt, wo man nicht mehr zwischen Elster oder Eichelhäher unterscheiden kann, die ja die An- oder Ein-wohner auch erfreuen können, wozu es aber eines Biotops bedarf – eher Gewinnmaximierung durch eine weitere Unter-Gesellschaft, Rabatz oder Ramauk nur allzu verständlich.

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  • XYZ

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    joey 16.59
    Das rein privatrechliche Betretungsverbot ist natürlich ein seltener Schmarrn, dient wohl eher der Einschüchterung – weitere Aktionen abzuwarten – als da wären Baumfällungen? Da wäre dann die Stadt samt Polizei gefragt, wenn keine Rodungsgenehmigung vorliegt. Das Grundstück ist m.E. gross genug und unterfällt damit dem bayr.WaldG, sofern keine – rechtskräftige – Baugenehmigung vorliegt.

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  • Jakobine Mohr

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    Bauen in Regensburg: Schlage dem RG-Team einen sehr gründlichen Stadtspaziergang durch sämtliche neue Wohnbaugebiete in R. vor. Überprüfung von Bau- und vor allem Wohnqualität.
    Wo geht es vermutlich, sichtbar(!) um maximalen Profit auf Kosten der Wohnqualität?
    Welche Bauträger erhielten den Zuschlag und sind dafür verantwortlich? ( Ihr werdet erstaunt feststellen: Tretzel ist es eher nicht! )

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  • joey

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    @xyz
    bin mit dem praktischen Umweltstrafrecht nicht so vertraut, weil ich mich immer an die Vorschriften halte. Das Vernichten eines kartierten Biotops dürfte aber über eine illegale Rodung hinausgehen.

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  • Beitrag

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    Baurecht geht dem Naturschutzrecht vor, das ist hier der Fall. Einzige Lösung ist hier, der Entzug des Baurechts durch die Aufstellung eines Bebauungsplans zum Schutz des Biotops. Die Herabstufung der Nutzungsmöglichkeit wäre entschädigungslos vom Eigentümer hinzunehmen, weil er das Baurecht länger als sieben Jahre nicht in Anspruch genommen hat. Eigentümer hat allerdings das Recht, von der Stadt die Übernahme des Grundstücks zu verlangen. Alles andere ist erfolgloses Geplänkel.

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  • Piedro

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    @joey
    Bußgeldkatalog „Umweltschutz“
    16 2. Abschnitt: Sonstige Vorschriften zum Schutz von Natur und Landschaft
    Sonstige Vorschriften zum Schutz von Natur und Landschaft

    Zerstören oder erhebliches oder nachhaltiges Beeinträchtigen bestimmter Biotope (Art. 57 Abs. 1 Nrn. 4, 5 BayNatSchG, § 69 Abs. 3 Nr. 5 BNatSchG)
    Straftatbestand: § 329 Abs. 3 und 4, § 330 StGB
    16.1 bis 1 000 m²: 150 –15 000 €
    16.2 über 1 000 m² bis 5 000 m²: 1 000 –20 000 €
    16.3 Über 5 000 m² bis 10 000 m² 2 500 –30 000 €
    16.4 über 10 000 m² 5 000 – 50 000 €

    https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVV_2129_0_U_10681/true?AspxAutoDetectCookieSupport=1
    Die Seite ist eine grafische Frechheit, darum habe ich das mal aufbereitet.

    Das Gesetz sieht auch vor, dass der Ursprungszustand wieder hergestellt wird, geregelt wird das dann im Landesgesetz. Ob da der Schritt von der Ordnungswidrigkeit zur Strafbarkeit gegangen wird, wenn ein Biotop rasiert wird, kann ich nicht sagen. Ob das in Regensburg der Fall wäre, weiß ich noch viel weniger. Da fände die Wichtung wohl in der kommunalen Verwaltung statt, die dazu auch noch ihr Beschluss- und Informationschaos hat.

    Aus Sicht eines Bauträgers können sich 50000 €ier maximal durchaus lohnen, damit mal was weiter geht. Wenn man’s nicht durch Wahlkampf- oder Parteispenden regeln kann, kalkuliert man halt die Strafe. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verwaltung hier auf Aufforstung erkennte, ist wohl eher gering. Die Causa wird quasipolitisiert, während die Bagger baggern. Wird schon keiner sagen: mach das wieder weg und lass auf deinem Grund besser Büsche wachsen, und kaufen wird’s auch wer. 50.000 und etwas Empörung oder kein Millionengeschäft, soll das die Frage sein?

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  • joey

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    @Beitrag danke für die Info. Das mit den 7 Jahren wußte ich schon, daß Baurecht vorgeht nicht.

    @Piedro
    auch danke fürs Raussuchen. Muß mal überlegen, ob ich nicht auch mal was mach, das lohnt sich ja geradezu…-)
    Nein, vermutlich nicht. Die Wiederherstellung von alten Bäumen in ihrem ökologischen Wert dauert ja lang, demnach muß eine entsprechend größere Fläche ersatzweise ökologisch verbessert bzw vom Ökokonto abgebucht werden, denn junge Maßnahmen bringen weniger Punkte. Das allerdings irgendwo in der Gemeinde – man könnte durch sowas also ein Biotop verpflanzen.

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  • XYZ

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    joey 11.20
    Völlig richtig – das Biotop ist aber durch die Beseitigung von ‘Gestrüpp’ schon so gut wie vernichtet – da gilt es weitere Eingriffe durch eine Rodung abzuwehren: Das BNaturSchG isi da ziemllich eindeutig, auch kleinere Waldflächen, die von Bebaung umgeben sind, bedürfen einer Rodungsgenehmigung.

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