Mord aus Habgier: Regensburger Krankenschwester zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt
Schmuck im Wert zwischen 100 und 150 Euro stahl eine Krankenschwester nach Überzeugung des Gerichts mehreren Patientinnen und Patienten, die sie zuvor mit einem starken Beruhigungsmittel betäubte. Eine von ihnen starb.
Ihr Ehering und eine Halskette mit Kreuzanhänger, Materialwert vielleicht 150 Euro, waren das Motiv, dessentwegen die 65-Jährige Maria Kern (Name geändert) sterben musste. Am 25. Januar dieses Jahres betäubte, davon ist man am Landgericht Regensburg überzeugt, eine Krankenschwester im Krankenhaus St. Josef die krebskranke Frau über ihren Venenzugang mit dem starken Sedativum Midazolam, behauptete noch, sie wurde die Kanüle nur mit einer Kochsalzlösung reinigen.
In Kombination mit dem Mittel, das ihr dieselbe Krankenschwester zuvor wegen ihrer starken Magenschmerzen verabreicht hatte, wurde Maria Kern sofort ohnmächtig und erlitt einen Herzstillstand. Sie musste reanimiert werden. Weil die Sauerstoffversorgung zu ihrem Gehirn unterbrochen war, verstarb sie drei Tage später auf der Intensivstation. Am Montag hat das Landgericht Regensburg die 37-jährige Krankenschwester nun wegen Mordes und dreifachen Mordversuchs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Frau bestreitet Taten bis heute
Die Frau hatte bis zuletzt bestritten, für die Taten verantwortlich zu sein, die mit einer Reihe von zunächst unerklärlichen Fällen von plötzlicher Bewusstlosigkeit von Patienten auf der Station für Inneres im Krankenhaus St. Josef einhergingen, wo die von den Philippinen stammende Pflegekraft arbeitete.
Stets fehlten bei den Betroffenen, die erst Stunden, manchmal erst Tage später aufwachten, anschließend Schmuckstücke, meist Eheringe, mal ein paar Ohrringe oder besagte Halskette der verstorbenen Maria Kern. Schmuckstücke, die selten mehr wert waren als 100 Euro. „Den ideellen Wert können wir hier nicht beziffern“, betont der Kammervorsitzende Richter Thomas Polnik am Montag mehrfach.
Goldverkäufe, Bargeldeinzahlungen und Google-Suchen
Bei seinem Urteil musste sich das Gericht vollständig auf Indizien stützen. Schmuck- und Goldverkäufe, welche die Ermittler der 37-Jährigen um den Tatzeitraum zwischen Januar und Februar nachweisen konnten. Mal knapp 500 hier, mal 1.000 Euro da. Bemerkenswert: Bei den Ankäufern wurde nicht dokumentiert, um welche Schmuckstücke es sich handelte.
Dann gab es Bargeldeinzahlungen auf das Konto der Krankenschwester, die sich nicht erklären ließen. Google-Suchen auf ihrem Computer nach dem Medikament Midazolam und möglichen Nebenwirkungen für ältere Menschen.
Vor allem aber hat eine Betroffene sie vor Gericht als diejenige identifiziert, die ihr einen Venenzugang gelegt und vorgegeben hatte, diesen nur mit einer Kochsalzlösung zu reinigen, bevor ihr Opfer unmittelbar in tiefe Bewusstlosigkeit fiel. Andere haben sie zwar nicht direkt identifiziert, aber doch von einer kleinen Frau mit asiatischem Aussehen gesprochen. Und diese Beschreibung passt.
Hohe finanzielle Belastung
Die Krankenschwester war unter ihren Kolleginnen und Kollegen, aber auch bei den Patienten sehr beliebt. Galt als hilfsbereit, freundlich und kompetent. 2008 hatte sie in Manila ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, sich zielstrebig weiterqualifiziert und kam 2018 als ausgebildete OP-Schwester nach Deutschland. Zurück blieben ihre Eltern und ein heute zwölf Jahre alter Sohn, der bei der Schwägerin lebt. Seit August 2020 arbeitete die Frau in Regensburg bei St. Josef. Wenn sie Urlaub hatte, flog sie auf die Philippinen zu ihrer Familie.
Ihre finanziellen Verhältnisse beschreibt das Gericht als „geordnet“. Sie habe zwischen 2.200 und 2.500 Euro verdient. Allerdings hatte sie erhebliche Kosten zu schultern. 1.000 Euro im Monat für ihre letzte, eine größere Wohnung, die sie anmietete, weil sie ihren Sohn zu sich nach Deutschland holen wollte. 300 Euro für dessen Unterhalt, weitere 150 Euro für sein Schulgeld. Mal half sie der Familie nach einem Brand mit 500 Euro aus, mal mit 1.500. Zu viel, um auch noch ihr Kind hierher holen zu können?
Eine Patientin starb, zwei mussten reanimiert werden
Als sie im August 2023 von einem Aufenthalt in Manila zurück zur Arbeit gekommen sei, habe sie ungewohnt verschlossen gewirkt, nicht mehr so fröhlich, sagten Zeuginnen vor Gericht. Doch sie habe weiter gute Arbeit geleistet. Wie ein Sachverständiger feststellte, stand sie ab dieser Zeit unter dem Einfluss von zum Teil starken Beruhigungs- und Schlafmitteln – Lorazepam, Zolpidem, Zopiclon.
Im Januar begannen dann die zunächst unerklärlichen Fälle von Bewusstlosigkeit auf der Station. Eine Betroffene, Maria Kern, starb, zwei weitere mussten reanimiert werden. Wie sich mittlerweile herausgestellt hat, war der Verbrauch von Midazolam-Ampullen zu dieser Zeit deutlich erhöht. Waren es normalerweise zehn oder zwanzig, die im Monat verbraucht wurden, fehlten im Januar 80 und im Februar 30 Ampullen dieses Beruhigungsmittels, vor dessen intravenösen Gebrauch ausdrücklich gewarnt wird, wie Richter Polnik herausstellt.
Das sei „lebensbedrohlich“ und darüber sei sich die nun Verurteilte auch bewusst gewesen. Selbst einem medizinischen Laien sei klar, dass eine Ohnmacht, wie sie durch dieses Medikament ausgelöst werde, ein hohes Risiko berge. „Dass bewusstlose Menschen an ihrem Erbrochenem ersticken können, ist Thema in jedem Erste-Hilfe-Kurs.“
Immer „derselbe Modus Operandi“
Das Medikament wird in der Regel vor Narkosen angewendet. Die Empfehlungen sähen vor, das es nur von Anästhesisten und nur unter Aufsicht verabreicht werden darf. Im Krankenhaus St. Josef war das Midazolam bis zum Bekanntwerden der Taten frei zugänglich – in Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen, da es nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.
Am 20. Februar 2024 betäubte die Krankenschwester „mit demselben Modus Operandi“ wie in den drei weiteren angeklagten Fällen eine 77-Jährige, die mitten während eines Telefonats ohnmächtig wurde. Ihr Gesprächspartner informierte das Krankenhaus, wo man die Frau zunächst nicht wecken konnte – sie erwachte erst am Morgen des nächsten Tages.
Ihr fehlten zwei Ringe. Auf ihrer Hand wurde ein Pflaster festgestellt – die Stelle, wo ihr der intravenöse Zugang gelegt worden war. Ein Schädel-CT brachte kein Ergebnis, aber im Blut wurde Midazolam festgestellt.
Bekannter sollte Geld und Uhren deponieren
Noch am selben Tag konfrontierte die Klinik die Krankenschwester mit den Vorwürfen, stellte sie vom Dienst frei. Die 37-Jährige reichte tags darauf ihre Kündigung ein, weil sie an einem Ort, wo ihr solche Vorwürfe gemacht würden, nicht arbeiten wolle, so ihre Begründung. Am 23. Februar wurde ein Aufhebungsvertrag unterschrieben. Mit der Entlassung der Frau brachen auch die Fälle unerklärlicher Ohnmacht ab.
Die Kripo ermittelte. Über ihre Vermieterin erfuhr die damals Tatverdächtige von einer bevorstehenden Hausdurchsuchung. In einem Chat mit einem Bekannten schreibt sie diesem, dass sie ihre Wohnung „säubern“ müsse, will bei ihm 890 Euro und vier Uhren deponieren. Dort stellte die Polizei das mutmaßliche Diebesgut auch sicher. Am 28. Februar wurde die Frau festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Heimtücke und Habgier
In seiner rechtlichen Würdigung der Taten geht das Gericht von Mord, drei Mordversuchen und Raub bzw. versuchten Raub mit Todesfolge sowie gefährlicher Körperverletzung aus. Die Angeklagte habe zwar nicht die Absicht gehabt, ihre Opfer umzubringen, habe aber deren Tod billigend in Kauf genommen. Dies sei bedingter Vorsatz. Dabei seien die Mordmerkmale Heimtücke und Habgier, „besonders verwerfliches Gewinnstreben, auch um den Preis eines Menschenlebens“, gegeben gewesen.
Den arglosen Patientinnen ohne ärztliche Verordnung Midazolam zu verabreichen sei „hinterlistig“ gewesen, so Polnik. Selbst der Tod von Maria Kern, ihr zweites Opfer unter den Fällen, die vor Gericht verhandelt wurden, habe sie nicht davon abgehalten , weiterzumachen. Zwar könne man nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob sie von deren Tod erfahren habe, die Frau starb auf einer anderen Station, aber doch, dass sie zunächst reanimiert werden musste und sich zu diesem Zeitpunkt in einem lebensbedrohlichen Zustand befand.
„Keine Gesinnungsumkehr“
„Es gab dennoch keine Gesinnungsumkehr.“ Ein psychiatrischer Sachverständiger hatte ausgesagt, dass die Verurteilte unangenehme Erfahrungen „gut abspalten“ könne. „Allerdings waren dies hier die unangenehmen Erfahrungen von anderen“, so Polnik.
Bei Mord ist eine lebenslange Haftstrafe unausweichlich – eine vorzeitige Entlassung kommt damit frühestens nach 15 Jahren in Betracht. Von der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, die diese Frist verlängern würde, sieht das Gericht ab. Ebenso von einem generellen Berufsverbot für die Krankenschwester.
Sie habe Maria Kern nicht bewusst getötet. Ihr Tod sei „eine Nebenfolge“ der eigentlichen Tat gewesen. Das müsse man bei dieser Frage berücksichtigen. Ebenso, dass die Frau zumindest in Deutschland so oder so nie wieder in ihrem Beruf arbeiten werde und sie die Haftstrafe besonders empfindlich treffe, weil ihre Familie auf den Philippinen lebe. Und insofern müsse man in Betracht ziehen, dass durch den Strafvollzug doch noch ein Gesinnungswandel eintreten könne.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es besteht die Möglichkeit der Revision. Der Zugang zu Midazolam am Krankenhaus St. Josef wurde nach dessen Angaben mittlerweile streng beschränkt.
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Julius
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„ Über ihre Vermieterin erfuhr die damals Tatverdächtige von einer bevorstehenden Hausdurchsuchung.“
Bei so grauenhaft schlechter Polizeiarbeit kann man froh sein, dass wenigstens die restlichen noch gefundenen Beweise für eine gerichtsfeste Verurteilung ausgereicht haben. Wie kann man bloß, insbesondere bei Mordermittlungen, riskieren dass ein Verdächtiger von einer Durchsuchung im Vorfeld Wind bekommt?
Dieter l
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“Ebenso von einem generellen Berufsverbot für die Krankenschwester.” Bitte was? Was soll das denn für eine Signalwi haben?
1000€ Miete, Straftaten aus Habgier/Geldnot begehen, dafür aber vor Hausdurchsuchungen gewarnt werden. Was für eine Welt.
Madame
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Der Berufsstand Krankenschwester wird auf diese Weise in Verruf gebracht. Sie müssen eh viel leisten und wenig Lob. Schade!
Herbert K.
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Die Beweislage ist ziemlich dünn. Eine Lebenslange Strafe ist daher nicht angemessen. Vielleicht wird das in der Revision anders gesehen.