Mord als Machtdemonstration
Am Mittwochnachmittag verurteilte das Landgericht Regensburg einen 56-Jährigen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes. Er hatte im Oktober 2020 seine Ehefrau auf brutale Weise mit etlichen Messerstichen getötet.
„Es war im Kern eine Machtdemonstration.“ Der Vorsitzende Richter Dr. Michael Hammer legt in der Urteilsbegründung dar, was die Zweite Strafkammer des Landgerichts Regensburg als „handlungsleitendes Motiv“ betrachtet. Das Schwurgericht erkennt bei der Tötung von Drita S. in der Regensburger Humboldtstraße niedrige Beweggründe. Ihr Ehemann Hazir S. wird deshalb nicht wegen Totschlags, sondern wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Der 56-Jährige erstach am 8. Oktober 2020 seine Ehefrau. Er selbst gab in dem fünftägigen Prozess vor allem über seinen Verteidiger Julian Wunderlich an, aus Eifersucht, aber im Affekt gehandelt zu haben. Die Tötung selbst gestand er noch am gleichen Tag bei der Polizei. Als Mord wollte er sie nicht verstanden wissen. „Es ist halt passiert.“ In seinem letzten Wort betonte der Angeklagte, dass man ihn nach dem Gesetz betrafen könne, doch als Lügner möchte er nicht dastehen.
Mörder und Lügner
Das Gericht zeigt sich davon unbeeindruckt. „So viel zum Thema Wahrheit und Lüge“, sagt Hammer. Am Beispiel einer Bedrohung seiner Tochter zeigt der Richter Widersprüche im Aussageverhalten des Angeklagten auf und lässt keinen Zweifel daran, dass ihm das Gericht nicht viel glaubt. Ende August 2020 bedrohte Hazir S. seine Tochter mit dem Messer, die daraufhin nach Jahren der Unfreiheit und Unterdrückung erstmals die Polizei rief und ein gerichtliches Kontaktverbot erwirkte.
Ein einschneidendes Erlebnis in der Familie S., das der Täter allerdings zunächst anders schilderte. Gegenüber Verwandten habe er die Bedrohung mit dem Messer zunächst geleugnet, dann relativiert, indem er meinte, er hätte ihr „nur“ Ohrfeigen verpasst. Später habe er diese Tat einem Cousin gegenüber quasi doch eingeräumt, um sie vor Gericht wieder abzuschwächen. Er habe die Tochter lediglich an den Haaren gezogen, hieß es da.
Machverlust als Motiv
Den Rausschmiss aus der Wohnung empfand er als „entwürdigende und ihn in den Grundfesten erschütternde“ Situation, so das Gericht. Er verlor endgültig seine Stellung als Familienoberhaupt. Von Oktober 2019 bis Juli 2020 saß Hazir S. wegen einer Drogenfahrt in Österreich in Haft.
Schon da musste er beobachten, „dass die Familie ganz gut ohne ihn zurechtkam“. „Die Schwächung der Autorität war wohl Wegbereiter“, so Hammer. Denn wieder in Freiheit wurde er sich seiner zunehmenden „Machtlosigkeit“ bewusst. Er, „der Familientyrann“ (Hammer), der über Jahrzehnte Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder beherrschte und unterdrückte, verlor die Kontrolle über die Familie, die sich immer mehr von ihm emanzipierte.
Zuvor verbot er Mutter und Tochter auf dem Balkon Kaffee zu trinken oder in die Stadt zu gehen. Drita S. war es untersagt mit dem Bus zu fahren oder Deutschunterricht zu nehmen. Auch Gewaltausbrüche, Schläge und Bedrohungen gab es. Die Mutter habe er wie „eine Sklavin“ gehalten, so die Tochter bei ihrer Zeugenaussage. Dieses „Terrorregime“ änderte sich während seiner Haft und nach seinem Rauswurf von zuhause bedeutend.
Ehefrau wollte nicht mehr nur gehorchen
Versöhnungsversuche seines Cousins, dem er hoch und heilig versprach seiner Familie nichts mehr anzutun, fruchteten zunächst. Er durfte wieder „auf Bewährung“ zuhause einziehen und – so schildern es die Kinder übereinstimmend – sei „wie ausgewechselt gewesen“. Die Kammer will nicht ausschließen, „dass er tatsächlich einen Neustart wollte, aber die neue Situation war alles andere als stabil“. Denn die Regeln machte nicht mehr er. Dieser „Diktatfrieden“ konnte ihm seine vorherige Stellung nicht mehr herstellen.
Die Eifersucht und den unbegründeten Vorwurf des Ehebruchs an seine Frau boten ihm Gelegenheit den eingeforderten Gehorsam zu legitimieren. Trotz fehlender konkreter Anhaltspunkte habe er an der Vorstellung der Untreue seiner Frau festgehalten, so das Gericht, „weil es ihm Möglichkeit gab vermeintlich gerechten Zorn zu üben und sein brüchiges Selbstbild zu stabilisieren“. Drita S. war aber nicht mehr bereit, ihm zu gehorchen und signalisierte ihm, keine Angst mehr vor ihm zu haben. Das Schwurgericht ist überzeugt, dass dies der Grund war, warum sie sterben musste.
Kinder haben Gericht beeindruckt
Auch am Tattag bei einem zunächst verbalen Streit habe sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie ihn nicht fürchte. Daraufhin griff er zum Messer und erstach sie. Eine „affektive Anspannung“, die Verteidiger Wunderlich nicht ausschließen wollte, sieht das Gericht nicht. Nach Einschätzung der Kammer liegt keine Bewusstseinsstörung vor, die zu einer verminderten Schuldfähigkeit des Täters hätte führen können. Hazir S. war voll schuldfähig und muss deshalb lebenslang in Haft.
In der Beweisaufnahme schilderten vor allem die drei Kinder das gewaltvolle und unterdrückerische Regime ihres Vaters. Von den Aussagen zeigt sich die Kammer „beeindruckt“. Man habe „drei sympathische, kluge Menschen“ gesehen, die sich gegenseitig stützen. Obwohl sie ihren Vater nicht mehr als solchen betrachten, haben sie sich in ihren differenzierten Ausführungen „nicht Bitterkeit, sondern Menschlichkeit“ ausgezeichnet. Durch das Urteil bleibt ihnen der „Familientyrann“, den sie so gerne schon früher losgeworden wären, bis auf weiteres erspart.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.