Monotones Stillleben in schwarz, grün, gelb
Maximal zwölf Personen mit Maske und ausreichend Abstand, sowie ein Desinfektionsmittelspender am Eingang. Damit hat das Art Lab am Bahnhof die notwendigen Voraussetzungen zur Eröffnung der neuen Ausstellung “Kukuruz” geschaffen. Sehr zur Freude des donumenta e.V., der das Kunstlabor seit einiger Zeit im ehemaligen Bahnhofstunnel betreibt. Bis zum 28. Juni beherbergt das alte Gewölbe nun das Kunstwerk von Catrin Bolt. Ein Besuch des “Monokulturellen Stilllebens”.
Länglich, gewölbt und grau-gelb in der Farbe, mit einer unebenen Oberfläche. Etwas reduziert kann so das erste Erscheinungsbild der ehemaligen Unterführung am Regensburger Bahnhof beschrieben werden. Einige Stufen hinunter durch eine Tür betritt man dort das Art Lab am Gleis 1. Der frühere Gleiszubringer wird seit einiger Zeit vom Kunstverein donumenta e.V. als Kunstlabor genutzt. Ab diesem Donnerstag geht es nun nach verlängerter Winterpause mit der neuen Ausstellung Kukuruz der österreichischen Künstlerin Catrin Bolt wieder los.
Länglich, gewölbt und teils in saftigem Gelb, umhüllt von etwas grünem Blattwerk entzieht sich das „Monokulturelle Stillleben“ (Bolt) jedoch zunächst dem Auge des Betrachters. Kukuruz, so nennt man in Teilen Österreichs und Bayerns Maiskolben. Rund 600 einzelne Abbilder dieser Pflanze hat Bolt an den alten, abgenutzten Fliesen der ehemaligen Bahnhofsunterführung über 15 Tage hinweg aufgemalt. Als Stillleben sollen die einzelnen Fliesenwerke dabei auf die früher beliebten Küchenfliesen verweisen und gleichzeitig, als Monokultur eine kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft darstellen.
In der Weite des Ganges verlieren sich die Farbtöne der gelblichen Maisgemälde zunächst aber auf den vergilbten, ockerfarbenen Fliesenwänden. Und so hastet man an den ersten Kolben fast schon ein wenig vorbei, ehe sie einen zwingen, inne zu halten, den Blick zu fokussieren und auf die Suche zu gehen.
Über die Vielschichtigkeit des Raumes
„Der Durchgang mit den Fliesen erlaubt es, eine Massenproduktion zu starten.“ Etwas das Bolt, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte, schon lange vorgehabt hat. In früheren Werken setzte sie sich bereits mehrfach mit der Komplexität von Räumen und ihrer alltäglichen Nutzung auseinander und versuchte deren Vielschichtigkeiten mit Hilfe von Kunst aufzudecken.
2011 entwickelte sie ein zeitgenössisches Mahnmal in Viehofen bei St. Pölten und später ein Erinnerungswerk im Stollen Gusen. Weitere Arbeiten zur Erinnerungskultur folgten in Graz und Wien. 2018 bekam Bolt mit ihrem Werk „Privater EU-Grenzzaun“ viel Anerkennung und den Theodor-Körner-Preis der Republik Österreich. Im vergangenen Jahr brachte Sie dann ihre ganz persönliche Vorstellung der modernen Fortbewegung mit einem Holzauto auf einem öffentlichen Parkplatz zum Ausdruck.
“Es hatte etwas Perspektivloses und Unaufhörliches”
Nun möchte Bolt auch im Mais gesellschaftskritisches Potential offenlegen und begibt sich dabei selbst zunächst in eine fünfzehntägige Massenproduktion. „Es hatte etwas Perspektivloses und Unaufhörliches.“ Ähnlich eines Fließbandes sei aber oftmals auch das eigene Leben. „Wir sind es gewohnt, in einer Art wiederkehrendem Rhythmus zu leben. Daraus ergibt sich ganz schnell eine gewisse Monotonie“, klärt Bolt über die Hintergründe ihres Kunstwerkes auf. Gerade die Massenproduktion von Gütern nehme sie als etwas wahr, „das unsere Gesellschaft stark prägt“.
Ähnlich einer Zugfahrt, die an den vielen Monokulturen vorbeiführt, habe irgendwann dann ihr Kunstwerk selbst eine gewisse Monotonie entwickelt. „Durch das Experimentieren mit der Gestaltung der Maiskolben, den verschiedenen Farben und Formen fand ich in der vermeintlichen Monotonie aber regelrecht Gefallen an dieser Arbeit.“
Von Mais, über Fertighäuser, hin zur “Idee der Masse”
Mal mit klar erkennbaren Linien, dann wieder sich nur sacht von den Fliesen hervorhebend zeigen sich die einzelnen Maiskörner auf ganz unterschiedliche Arten. Zwischen manchen zeigt sich deutlich der sie festhaltende Pflanzenkörper. Wieder andere fallen zunächst durch ihr vermodert wirkendes Blattwerk auf.
„Ich hätte natürlich auch eine Schablone anfertigen und damit die Fliesen bemalen können“, meint die Wienerin. „Das wäre aber fad gewesen und hätte noch mehr den modernen Arbeitsweisen der globalisierten Gesellschaft entsprochen.“ Fertighäuser und Tourismus, ja sogar die Gestaltung der Landschaft würden sich am Ende als Formen von Massenproduktionen offenbaren, die eben auch stets nach gewissen Schablonen gefertigt werden würden. „Das Stillleben soll auch ein wenig auf die Denkweise in unserer Gesellschaft referieren. Alle möglichen Bildproduktionsweisen und Weltbilder sind oft schon von der Idee der Masse und der Nutzbarkeit mitgestaltet.“
Antrieb und Politikum unserer Gesellschaft
Der Maiskolben sei hierfür ein wunderbar passendes Bild. Denn der Kukuruz ist einer der wichtigsten Rohstoffe und mit jährlich mehr als einer Milliarde Tonnen Ernte weltweit das meist angebaute Nahrungsmittel. Dabei wird das gelbe Korn, das bereits vor 8.000 Jahren in Mexiko kultiviert wurde, vielseitig eingesetzt.
Ob für Speisen, als Tierfutter – immerhin 60 Prozent der Ernte – oder Energieträger und in Kunststoffen. „Mais ist ein Antrieb und ein Politikum unserer Gesellschaft“, sagt Bolt neben ihren Fliesenkunstwerken stehend. Schließlich richte der Mensch mit den Monokulturen auch viel Schaden an der Natur an und befeuere gesellschaftliche Konflikte.
Spannungsverhältnis: Kunst und Reproduktion
Das Thema der Massenproduktion als gesellschaftliche Fragestellung wurde von Walter Benjamin bereits 1936 in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ mit Bezug auf die Kunst selbst aufgeworfen. Heute zählt das Werk zu den wichtigsten ästhetischen Texten des 20. Jahrhunderts. Benjamin, der als Mitbegründer der Kritischen Theorie gilt, beschreibt darin wie die massenhafte Vervielfältigung das Kunstwerk aus seinem ursprünglichen Zusammenhang heraus reiße.
Die damals neu entwickelten Techniken der Tonaufnahme, Fotographie und des Films würden dabei die Aura von Kunstwerken nachhaltig verändern. So ginge durch die Möglichkeiten der Reproduzierung insbesondere „die Einmaligkeit eines Kunstwerks“ verloren. Original und Fälschung könnten am Ende nicht mehr unterschieden werden und die Reproduzierbarkeit zum Verfall der Aura führen. Das Anliegen „der Massen im heutigen Leben“ sei es, sich die Dinge räumlich und menschlich näherzubringen und das Einmalige „durch die Aufnahme von deren Reproduktion“ zu überwinden.
Für Benjamin offenbare sich somit in den Kunstformen auch immer die Denkweise der jeweiligen Gesellschaft. Eine Idee, die nun Bolt in ähnlicher Weise zu verfolgen scheint. So ist das Stillleben durchaus beides: Eine monokulturelle Massenproduktion und 600 einzelne Malereien, die jeweils für sich genommen eine Aura entfalten können, sofern der Blick auf sie gerät. „Auch die Gesellschaft ist vielschichtig und aus unterschiedlichen individuellen Teilen zusammengesetzt.“ Doch auch das sei laut der Künstlerin durch das Denken der Massenreproduktion überlagert.