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Grundrecht eingeschränkt

Mit Kostenbescheiden gegen die Versammlungsfreiheit: Verwaltungsgericht Regensburg gibt Querdenker recht

Fast 800 Euro für verkehrliche Sicherungsmaßnahmen forderte die Stadt Weiden vom Anmelder zweier Kundgebungen. Zu Unrecht, wie nun das Verwaltungsgericht entschied.

„Ich habe nicht darum gebeten und ich wurde auch nicht darauf hingewiesen.“ Helmut Bauer klagte erfolgreich gegen Gebührenbescheide der Stadt Weiden. Foto: as

„Es liegt uns fern, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken“, betont die Rechtsrätin der Stadt Weiden. Doch auf welcher Grundlage man dem Anmelder zweier Kundgebungen auf dem Parkplatz Naabwiesen Kostenbescheide über insgesamt 797,81 Euro hat zukommen lassen, vermag die Juristin bei der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg nicht wirklich schlüssig dazulegen.

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Der Kläger mit dem Cowboyhut und dem markanten Schnauzer ist kein Unbekannter. Helmut Bauer gehörte während der Hochphase der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen zu den bekannteren Gesichtern. Er bezeichnete sich in der Vergangenheit selbst als „Querdenker mit Leib und Seele“.

Kosten für „straßenverkehrliche Maßnahmen“: Stadt Weiden fordert fast 800 Euro

Der gelernte Steinmetz leugnet unter anderem den menschengemachten Klimawandel, verstrickt sich immer mal in Verschwörungserzählungen und fing sich 2022 eine Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zur Aufforderung von Straftaten und Volksverhetzung ein. Er hatte in einer von ihm administrierten Facebook-Gruppe Dutzende menschenverachtende Kommentare geduldet, gespickt mit Mord- und Gewaltaufrufen.

Weil ihm die Stadt Weiden die Kosten für „straßenverkehrliche Maßnahmen“ bei zwei Kundgebungen am 11. April und am 20. August 2021 aufbrummen wollte, Absperrgitter und Halteverbotsschilder, die man auf dem Großparkplatz aufgestellt hatte, zog Bauer aber dieses Mal selbst vor Gericht.

Während der Verhandlung, zu der er ohne Anwältin erschienen ist, bezeichnet der Frührentner die Forderung der Stadt als „maßlos überzogen“. Die Maßnahmen seien in der Form überhaupt nicht notwendig gewesen, außerdem: „Ich habe nicht darum gebeten und ich wurde auch nicht darauf hingewiesen.“

Wenn das Schule mache, dann könnten bei Großdemonstrationen wie zum Beispiel in Berlin Hunderttausende Euro fällig werden, argumentiert Bauer. Solche „horrenden Kosten“ den Anmeldern von Kundgebungen in Rechnung zu stellen, bedeute nichts anderes als die „Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“.

Städtische Rechtsrätin: „Das liegt innerhalb des Gebührenschlüssels.“

Die Rechtsrätin der Stadt Weiden hingegen bezeichnet die Maßnahmen als notwendig. Es gehe darum, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Die erste Kundgebung sei zudem nicht ordnungsgemäß angezeigt worden. Die 305,50 Euro bei der ersten und 492,31 Euro bei der zweiten Kundgebung seien auch nicht überzogen, sondern entsprächen den Kosten, die tatsächlich beim städtischen Bauhof entstanden seien. „Das liegt innerhalb des Gebührenschlüssels.“

Folgt man der vierten Kammer am Verwaltungsgericht Regensburg, dann ist dieses Vorgehen der Stadt Weiden aber durchaus als versuchte Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu werten.

Städtisches Handeln widerspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung

In einer einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 2007, die sich mit „Gebührenpflichten“ befasst, werde klar benannt, dass „die bloße Verursachung einer Amtshandlung durch Anmeldung oder Durchführung einer Versammlung“ nicht ausreicht, um irgendwelche Gebühren in Rechnung zu stellen, so die Kammervorsitzende Martina Westermaier. Solche Maßnahmen seien nämlich überwiegend im öffentlichen Interesse.

Eine grundsätzliche Gebührenpflicht für Amtshandlungen aus Anlass von Versammlungen würde dem Charakter des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit widersprechen, heißt es in dem entsprechenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.

Gericht: „keinerlei Veranlassung“ für Gebühren

Obwohl die Kammervorsitzende am Verwaltungsgericht Regensburg bereits zu Beginn der Verhandlung unmissverständlich darauf hinweist, dass man die Gebührenbescheide der Stadt Weiden auf Basis dieser Entscheidung für rechtswidrig hält und es „keinerlei Veranlassung“ gegeben habe, um gegenüber dem Anmelder Helmut Bauer Kosten geltend zu machen, rudert die Vertreterin der Stadt Weiden nicht zurück. „Wir verstehen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so, dass wir Gebühren erheben dürfen.“

Und so entscheidet das Verwaltungsgericht Regensburg nach nicht einmal einer Stunde Verhandlungsdauer zu Gunsten von Helmut Bauer. Die Kosten des Rechtsstreits muss die Stadt Weiden übernehmen. Die will die Entscheidung dem Vernehmen nach wohl akzeptieren.

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Kommentare (10)

  • Daniela

    |

    Bin kein Freund der Querdenker, aber das Urteil des Verwaltungsgericht Regensburg teile ich zu 100%. Denn es könnte tatsächlich ein Problem werden, wenn Städte und Gemeinden Gebühren von den Anmeldern von Versammlungen verlangen dürften, das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass nur noch die sich versammeln können, die sich danach die Gebühren der Städte leisten können.
    Dies geht nicht, damit bliebe das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nur noch den Begüterten vorbehalten und nicht allen gleich.

  • Native

    |

    DAS WIRD MAN WOHL NOCH SAGEN DÃœRFEN
    Eine Demokratie muss das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gewährleisten, solange alle allgemein gültigen Regeln eingehalten werden. Auch wenn man idiologisch die Anliegen der verschiedensten Gruppen oft nicht nachvollziehen kann. Solange diese nicht verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Dass muss und wird eine Demokratie aushalten. Deshalb war das Urteil des Verwaltungsgericht Regensburg richtig.
    Oft entzaubern sich solche Vereinigungen ideologisch selbst. Siehe AfD. Gott sei Dank! In einer Demokratie hat Rassismus, völkische Ideologie, Europafeindlichkeit, Geschichtsklitterung und geschichtliche Retro-Romantik keinen Platz. Mist bleibt Mist und stinkt zum Himmel, sei es noch so „Quer“. Besonders wenn in einem „gärigen Haufen“, verfassungsfeindliche und volksverhetzende Kräfte die Geschicke bestimmen. „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“
    Deshalb Verantwortung übernehmen, in der Wahlurne bei der Europawahl am 09.06.2024

  • Native

    |

    Die Demokratie garantiert nicht nur Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und ungehinderte Informationsangebote für alle Bürger durch die Pressefreiheit. Damit meine ich nicht die manipulierenden Informationsblasen im Internet (Tik Tok und aus dem Ausland manipulierte Auftritte).
    Man muss kein Freund von Zielen einer rigorosen Finanz – und Industriepolitik sein. Die Prioritäten, die die Zeitenwende, bedingt durch die verfahrene geopolitische Weltlage und den zukünftigen Notwendigkeiten wegen des Klimawandels, Energiewende, Ökologie, usw. fordert, ist wichtiger und Herausforderung genug. Soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität, in der EU durch verbesserte außenpolitische, europäische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer ist wichtiger, denn je.
    Spätestens nach dem ehrlichen, erhellenden Interview von Olaf Henkel bei Maischberger am 30.05.2024 sollte auch dem letzten Protest – und Frustwähler für die AfD, ein Licht aufgehen.

  • Spartacus

    |

    Wie Rosa Luxemburg schon angemerkt hat ist Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden.
    Gerade weil ich als Linker ein politischer Gegner der Querdenkenden bin und leider Teile der neuen Linken ebenfalls mit ihrer Cancel Culture den Meinungskorridor immer weiter einengen , halte ich es für richtig und wichtig das dieser Angriff auf freie Meinungsäußerung vom Gericht abgewehrt wurde.
    Beängstigend dass es wahrscheinlich für die Handelnden in der Verwaltung in Weiden keine Folgen haben wird. Eigentlich sollte der Verfassungsschutz diese Beamten überprüfen und beobachten.

  • Hthik

    |

    “… rudert die Vertreterin der Stadt Weiden nicht zurück. „Wir verstehen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so, dass wir Gebühren erheben dürfen.“ …
    … Die Kosten des Rechtsstreits muss die Stadt Weiden übernehmen. Die will die Entscheidung dem Vernehmen nach wohl akzeptieren.”

    Das ging ja flott von “die Auslegung der BVerfG-Entscheidung muss mal ordentlich geklärt werden.” zu “Oh. Alles klar. Irrtum unserseits.” Kann man diese, offenbar sehr überzeugende Entscheidung wo lesen? Az?

  • Mr. T.

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    So sehr mir ein Erfolgserlebnis dieses duschgeknallten Cowboys missfällt, ist die Entscheidung natürlich richtig.
    Aber darauf zu vertrauen , dass sich solche Vereinigungen selbst entzaubern, noch dazu mir Hinweis auf die AfD, selbst entzaubern, ist mehr als naiv. Die letzten Jahre haben ja bewiesen, dass es einen substantiellen Bestandteil der Bevölkerung gibt, der sich von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Faschismus, Ausgrenzung von Minderheiten und der Sehnsucht nach einer starken autoritären Hand eher verzaubern lässt. Hier darf man nicht wieder hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt.
    Dazu braucht es aber Behörden, die nicht so stümperhaft vorgehen und sogar von so einem Cowboy ohne seine Anwältin der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Es gäbe genug andere Möglichkeiten, die Demokratie zu schützen. Die Demokratie, die nicht nur durch Faschisten, Reichsdeppen und andere fragwürdige Existenzen gefährdet ist, sondern auch durch Feigheit, Gleichgültigkeit und Opportunismus vieler anderer.

  • KW

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    Ist doch schön zu Lesen, dass es auch andere Städte außer Regensburg gibt, die sich in rechtlichen Dingen gerne mal der Lächerlichkeit Preis geben.
    Da dachten wir schon, wir hätten hier in Regensburg ein Alleinstellungsmerkmal.

  • Hthik

    |

    @Stefan Aigner 31. Mai 2024 um 14:10

    Danke, aber eigentlich wollte ich die VG Entscheidung lesen. Auf gesetze-bayern habe ich nichts gefunden. Wenn einem die Stadt Weiden schonmal ein Geschenk macht.

    “Wenn’s der Wahrheitsfindung dient.” -Fritz Teufel

  • tom lehner

    |

    Wasser auf die Mühlen der Schwurbler und geistig Umnachteten..
    Gut gemacht!

Kommentare sind deaktiviert

drin