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Landgericht Regensburg

Millionenklage wegen Vergewaltigung gegen Bistum Regensburg: Gericht sieht keine Verjährung

„Nach vorläufiger Würdigung“ dürften die Ansprüche des früheren Domspatzen Matthias Podszus wegen Vergewaltigung an der Vorschule in Pielenhofen nicht verjährt sein. So steht es in einer Verfügung des Landgerichts Regensburg.

Das Bistum Regensburg reagierte auf ein Schreiben des Anwalts von Matthias Podszus mit einem ablehnendem Sechszeiler. Foto: Archiv/Staudinger

Der Versuch des Bistums Regensburg, sich bei der Schadenersatzklage des ehemaligen Domspatzen Matthias Podszus wegen Vergewaltigungsvorwürfen mit dem Argument der Verjährung aus der Affäre zu ziehen, scheint gescheitert zu sein. Dies geht aus einer Verfügung des Landgerichts Regensburg hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach seien etwaige Ansprüche deswegen „nach vorläufiger Würdigung“ wohl nicht verjährt. Was die körperliche, psychische und seelische Gewalt betrifft, die Podszus laut seinen Schilderungen in der früheren Domspatzen-Vorschule in Pielenhofen erlitten hat, sieht die Kammer noch Diskussionsbedarf.

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Regensburg-digital hat mehrfach über Matthias Podszus, seine Zeit in Pielenhofen und seine juristische Auseinandersetzung mit dem Bistum Regensburg berichtet. Von September 1991 bis Juli 1993 war der heute 42-Jährige als kleiner Junge in der Domspatzen-Vorschule untergebracht und war dort dem Regime von Johann Meier ausgesetzt, das andere Betroffene rückblickend als „Hölle“ bezeichnet haben.

Pielenhofen: eine Tortur für Kinder, Schulleiter Meier: ein Exzesstäter

Spätestens seit dem 2017 veröffentlichten Abschlussbericht des „Domspatzen-Aufklärers“ Rechtsanwalt Ulrich Weber steht die anfänglich in Etterzhausen, später in Pielenhofen angesiedelte Schule mit Internat für vielfältige Formen von Gewalt, Demütigung und sexuellen Missbrauch, denen hunderte Kinder zum Opfer fielen. Der Geistliche Johann Meier, der dort fast vier Jahrzehnte das Regiment führte, gilt als sadistischer Exzesstäter.

Matthias Podszus dürfte eines seiner letzten Opfer gewesen sein – Meier wurde im Januar 1992 in den Ruhestand verabschiedet. Während der drei Monate, die er und der damals achtjährige Matthias in Pielenhofen aufeinandertrafen, vergewaltigte Meier ihn mehrfach. So steht es in der umfangreichen Klage, die Podszus’ Rechtsanwalt Sven Markuske vergangenen Oktober beim Landgericht Regensburg eingereicht hat.

Podszus fordert darin Schadenersatz, Schmerzensgeld und Verdienstausfall. Sollte das Gericht der Klage in vollem Umfang stattgeben, könnte eine Bruttoforderung von deutlich über einer Million Euro auf das Bistum Regensburg zukommen.

Bistum Regensburg wusste lange von Meiers Gewaltregime

Dreh- und Angelpunkt der Klage: Als Podszus 1991 nach Pielenhofen kam, lagen dem Bistum bereits seit mindestens 25 Jahren schriftliche Hinweise dafür vor, dass Johann Meier ein exzessiver Gewalttäter war, in dessen Obhut Kinder nichts verloren haben. Damit habe das Bistum Regensburg seine „Garantenpflicht“ zum Schutz dieser Kinder verletzt.

Die Klage dokumentiert unter anderem das Schreiben eines früheren Präfekten an den damaligen Bischof Rudolf Graber aus dem Jahr 1965/66 wegen Meiers Gewalttätigkeiten. Ebenso einen Hinweis des Stiftungsvorstands der Regensburger Domspatzen von 1975, demzufolge übermäßige Gewalt und Prügel nicht mehr geduldet würden. Beide Schreiben blieben folgenlos. Man ließ Meier weiter gewähren – und schickte Kinder in Vorschule und Internat.

Bischofskonferenz sieht Einrede wegen Verjährung als zulässig an

In seiner Klageerwiderung hatte das Bistum sich zuletzt darauf berufen, dass die Sexualstraftaten Meiers gegenüber Podszus bereits verjährt seien (sogenannte „Einrede wegen Verjährung“).

Darauf greifen zwar nicht alle Bistümer zurück. Das Bistum Köln beispielsweise hatte bei einer ähnlich gelagerten Klage ausdrücklich auf die Einrede wegen Verjährung verzichtet und zahlte am Ende 300.000 Euro Schmerzensgeld. Allerdings billigt die Deutsche Bischofskonferenz dieses Vorgehen ausdrücklich.

Die Einrede wegen Verjährung sei ein zulässiges und anerkanntes Rechtsmittel, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme – allen Protesten und einer Petition von Betroffenen mit bislang fast 100.000 Unterschriften zum Trotz.

Seitdem gehen die Bistümer in Deutschland unterschiedlich mit solchen Forderungen um. Das Bistum Aachen beispielsweise erhob bei zwei von drei Klagen die Einrede wegen Verjährung. Das Bistum Essen wiederum verzichtete letzten November darauf.

Vergwaltigung nicht verjährt, andere Gewalt vielleicht

Das Bistum Regensburg hat es bei der Klage von Matthias Podszus mit einer Einrede wegen Verjährung versucht und ist nun beim Landgericht Regensburg „nach vorläufiger Würdigung“ abgeblitzt.

Folgt man der Verfügung vom 9. April, bezieht sich das Gericht auf § 208 Satz 1 BGB, demzufolge die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Betroffenen gehemmt ist. Anschließend gelte eine Verjährungsfrist von 30 Jahren – und diese sei noch nicht überschritten.

Im Hinblick auf die weitere Gewalt, die Podszus in seiner Klage ausführt – unter anderem willkürliche Prügel, Schläge ins Gesicht, auch mit dem Schlüsselbund, das Drücken eines Bleistifts unter den Fingernagel – sieht das Gericht Diskussionsbedarf.

Zwar sei hier die Verjährung nicht gehemmt, sondern laufe ab dem Zeitpunkt der Tat. Allerdings lässt das Gericht noch offen, ob das kirchliche Verfahren zur „Anerkennung des Leids“ hier verjährungshemmend wirken könne.

Anerkennungsverfahren: Verjährungshemmend oder nicht?

Das Bistum Regensburg hatte in seiner Klageerwiderung damit argumentiert, dass dieses Anerkennungsverfahren, in dessen Rahmen Podszus zwischen 2015 und 2022 insgesamt 50.000 Euro zugesprochen wurden, ein „Vergleichsangebot“ gewesen sei.

Diese juristische Kategorie hatte die Kirche in Zusammenhang mit den Anerkennungsverfahren in der Vergangenheit in der Regel nicht verwendet. Häufig war von einer freiwilligen Leistung die Rede, die Betroffenen auch einen zermürbenden Zivilprozess ersparen sollte. Hat sich das Bistum Regensburg mit dieser juristischen Einordnung womöglich selbst ein Bein gestellt?

Das Gericht hat den Klageparteien in seiner Verfügung nun eine Stellungnahmefrist von vier Wochen eingeräumt. Insbesondere auch zur Organisationsstruktur und den Anstellungsverhältnissen an der Domspatzen-Vorschule. Neben der Verjährung hatte sich das Bistum nämlich auch darauf berufen, dass man gegenüber dem Geistlichen Johann Meier, der Schule und Internat leitete, überhaupt nicht weisungsbefugt gewesen sei.

Bistum lehnte außergerichtlichen Vergleich ab

Einen außergerichtlichen Vergleich mit Matthias Podszus hat das Bistum Regensburg bislang ausdrücklich abgelehnt. Bleibt es dabei, dürfte es zu einem öffentlichen Prozess kommen.

Gerichts- und Anwaltskosten finanziert Podszus, erwerbsunfähig, schwerbehindert Grad 50 und auf Grundsicherung angewiesen, nahezu ausschließlich über Spenden. Sollte er bei der Auseinandersetzung mit dem Bistum Regensburg recht bekommen, will er das Geld anderen Betroffenen zur Verfügung stellen, um eventuelle Rechtsstreitigkeiten um Entschädigungszahlungen führen zu können.

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