Millionenklage wegen Gewalt und Missbrauch: Bistum Regensburg setzt auf Verjährung
Verjährung, Ablehnen der juristischen Verantwortung und Bezweifeln der Vorwürfe: So lautet die Strategie des Bistums Regensburg gegen die Millionenklage von Ex-Domspatz Matthias Podszus.
Die Anwälte des Bistums Regensburg berufen sich unter anderem auf Verjährung. Foto: Archiv/Staudinger
Das Bistum Regensburg hat auf die Klage des ehemaligen Domspatzen Matthias Podszus reagiert. Dies bestätigte der 42-Jährige auf Nachfrage. Wie mehrfach berichtet, verklagt er die Regensburger Diözese auf Schadenersatz und Schmerzensgeld für das, was ihm in den 1990er Jahren an der Domspatzen-Vorschule in Pielenhofen widerfahren ist.
Körperliche, psychische und seelische Gewalt. Dem langjährigen Leiter von Schule und Vorschulinternat, dem Geistlichen Johann Meier, wirft Podszus mehrfache Vergewaltigung vor. Der zentrale Punkt der Klage: Die Kirche hat ihre „Garantenpflicht“ verletzt. „Trotz eindeutiger Hinweise“ habe das Bistum seine Pflicht, die Vorschüler zu schützen, nicht wahrgenommen, heißt es in der von Rechtsanwalt Sven Markuske verfassten Klageschrift. Stattdessen seien „Vorfälle wie beim Kläger jahrzehntelang bewusst verschwiegen und verschleiert“ worden.
Bistumsanwälte: Annerkennungszahlung war „Vergleichsangebot“
In einem ähnlich gelagerten Fall in Köln hatte das dortige Bistum darauf verzichtet, sich auf Verjährung zu berufen. Dieses Entgegenkommen gibt es beim Bistum Regensburg nicht. Dort vertritt eine Nürnberger Anwaltskanzlei die Beklagte und argumentiert, dass sämtliche Ansprüche verjährt seien, wie uns Podszus berichtet.
Demnach stellt sich das Bistum neben der Einrede der Verjährung auf den Standpunkt, dass die Anerkennungsleistungen, die Betroffene von Gewalt und Missbrauch erhalten, ein Vergleichsangebot seien. Im Fall von Podszus waren es insgesamt 50.000 Euro.
Da er nun klagt, nehme er dieses „Vergleichsangebot“ nicht an, so das Bistum. Deshalb wehre man sich nun gegen die Klage. Einen außergerichtlichen Vergleich lehnt das Bistum dezidiert ab und beantragt, die Klage abzuweisen.
„Die versuchen, mich als Trittbrettfahrer und Lügner darzustellen.“
„Auch wenn es nicht ausdrücklich so formuliert wird, versucht die Kirche, mich als Trittbrettfahrer und Lügner darzustellen“, sagt Podszus. „Außerdem bestreiten sie, für die Domspatzen-Vorschule juristisch verantwortlich zu sein. “ Die Argumentation lautet kurzgefasst so: Träger der Vorschule sei nicht das Bistum, sondern die „Stiftung Regensburger Domspatzen“, deren Träger wiederum das Domkapitel und der Verein „Freunde des Regensburger Domchores“ sind.
Weil Johann Meier die ihm vorgeworfenen Taten als Schuldirektor und nicht in seiner Eigenschaft als Geistlicher begangen habe, sei das Bistum bzw. die Diözese überhaupt nicht dafür verantwortlich. Man habe schließlich keinerlei Weisungsrecht. Das habe nur die Stiftung.
Bemerkenswert hierbei: Dass das Bistum durchaus Durchgriffsmöglichkeiten auf die Stiftung gehabt hätte, zeigt der Umstand, dass der Vorgänger von Bischof Rudolf Voderholzer, Gerhard Ludwig Müller, 2012 dafür sorgte, dass die Stiftungen von Grundschule und Gymnasium zusammengelegt wurden, um für mehr Kontrolle zu sorgen. Doch das Bistum erwähnt das laut Podszus nicht und fordert stattdessen: Klageabweisung.
Bistum will von nichts gewusst haben
Weiteres Argument: Das Bistum habe überhaupt nichts von den Taten von Meier gewusst, also allein schon deshalb nichts unternehmen können.
Das ist insofern bemerkenswert, weil es aus dem Jahr 1966 ein Schreiben gibt, in dem ein Domspatzen-Präfekt den damaligen Bischof Rudolf Graber ausdrücklich zwar nicht über die sexuelle, aber doch die körperliche, psychische und seelische Gewalt informiert, die Meier ausübte und auch bei dem übrigen Personal an der Schule nicht nur billigte, sondern regelrecht einforderte. Dieses Schreiben liegt unserer Redaktion vor. Ebenso eine Empfangsbestätigung durch Bischof Graber bzw. den damaligen Generalvikar.
Meier forderte demnach, dass man gegenüber den Kindern „Ordnungshüter, Aufseher und Eindriller“ sein müsse. Der Präfekt berichtet merklich schockiert von regelmäßigen Schlägen, auch mit Gegenständen, erzwungenem Stillschweigen, Beschimpfungen („Du Dreckschwein“) und der Verweigerung von ärztlicher Hilfe trotz schwerer Verletzungen. Das Bistum stellt sich aber dennoch auf den Standpunkt, von nichts gewusst zu haben. Deshalb: Klageabweisung.
Bistum hält Forderung für überhöht
„Die Anwälte verzerren in ihrem Schreiben meine Schilderungen“, berichtet Podszus. Es würden Dinge weggelassen oder in einen falschen Zusammenhang gestellt. „Mehr oder weniger unterstellt man mir, dass das gar nicht passiert wäre und ich mir das nur aus dem Abschlussbericht von Herrn Weber (Rechtsanwalt Ulrich Weber, der die Aufklärung der Taten bei den Domspatzen übernommen hatte, Anm. d. Red.) zusammengesucht hätte. “
Insgesamt hält das Bistum die Forderungen von Matthias Podszus für überhöht. „Die zählen als Beleg mehrere Urteile auf, bei denen das Schmerzensgeld niedriger war. “ Allerdings seien diese Urteile zum Teil älter als 20 Jahre.
Entmutigen lässt sich Podszus von dem Anwaltsschreiben nicht. „Ich habe damit gerechnet, dass es keine leichte Auseinandersetzung werden wird“, sagt er. Führen werde er sie trotzdem.
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Günther Herzig
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Die Verjährung dient dem Rechtsfrieden und der Herstellung von Rechtssicherheit.
Manfred van Hove
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Meine Klage in ählicher Sache steht kurz davor. Wie armselig die Begründung des Bistums ist, müsste selbst dem Papst peinlich sein. Zu der Zeit, als die Taten statt fanden, hat sich niemand um die Opfer gekümmert. Was hat der Bischof erwartet ? Hätte ich als Zwölfjähriger das Bistum verklagen sollen ? War Verjährung nicht bewusst von der Kirche herbeigeführt durch vertuschen und verleugnen ? Auch jetzt noch verweigert mir die Heimleitung die Herausgabe interner Akten des Täters Dr. Zeitler.
Die Folgen des Missbrauchs verjähren nicht, sie wirken fort bis zum Lebensende.
Gewissenlos, verantwortunglos – so ist das Verhalten des Bistums zu bezeichnen. Das wird nicht folgenlos bleiben.
aucheinehemaliger
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Saubande, dreggade.
Manfred van Hove
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@Günther Herzig
Die Verjährung für Mord wurde aufgehoben, ohne dass Rechtsfrieden und Rechtssicherheit verletzt wurden. Es liegt am Gesetzgeber, dies auf alle schwere Verbrechen auszuweiten.
Alle Gesetze sind von Menschen gemacht und können deshalb von Menschen geändert werden. Ihr Prinzip schützt die Täter zu Lasten der Opfer.
Christian Huber
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Kämpfen und durchhalten. Ich wünsch den Klägern viel Kraft und viel Ausdauer 👌👌👌