Melancholie, Optimismus und ein Haufen Erde
„Glückliche Tage“ machte am Freitag etwas verspätet den Spielzeitauftakt am Theater Regensburg komplett.
Als hätte sich ein gigantischer Maulwurf ins Innere einer Wohnung gegraben. Ein gewaltiger Erdauswurf erhebt sich inmitten zerbrochener Motivfliesen aus Nachkriegstagen. Dahinter eine Fensterfront, die den Blick auf die Postkartenansicht eines Alpengebirgszugs freigibt.
Das ist die Szenerie, in der das Regieteam um Jona Manow Samuel Becketts „Glückliche Tage“ zeigt. Die Premiere fand am Freitag mit einigen Tagen krankheitsbedingter Verspätung statt. Die Tragikomödie, 1961 von Beckett selbst uraufgeführt, ist im verlassenen, postzivilisatorischen Niemandsland angesiedelt. Sie wirft ein Schlaglicht auf ein älteres Ehepaar; Winnie, die bis zur Hüfte in einem Erdhügel eingegraben ist, und ihr Mann Willie, der sich vor einiger Zeit entschieden hat, außer Sichtweite Winnies hinter dem Erdhügel zu leben.
Vom Innehalten und Warten
Im Verlauf des Zweiakters ist es beinahe ausschließlich Winnie, die monologisierend über ihre Tagesrituale, die „glücklichen Tage“, die sie im Erdhügel verbringt, und „den alten Stil“ längst vergangener, früherer Zeiten nachdenken darf. Willie beschränkt sich auf wenige Einwürfe, ist die meiste Zeit über damit beschäftigt, zu schlafen oder sich vor der Sonne zu schützen. Man lebt neben sich her, man hat sich eingerichtet.
Von viel Aktion auf der Bühne kann man also auch in der Regensburger Inszenierung der „Glücklichen Tage“ nicht ausgehen. Tatsächlich nutzen Doris Dubiel, die die Winnie spielt, und Gerhard Hermann als Willie (klettert auf Stuhl / liegt am Boden / rollt im Einkaufswagen / kriecht vor Staubsauger) schon das Maximum an Bewegungsfreiheit, und doch ist das Stück von Statik, vom Verweilen, vom Innehalten, vom Warten – nicht auf Godot, aber doch auf irgendeinen Erlösungsmoment – geprägt.
Fabulöse Leistung der Hauptdarstellerin
Optische Abwechslung kommt dann aber beispielsweise auch dank des Lichtkonzepts zustande. So wird insbesondere der erste Akt von einem angenehm unaufdringlichen Lichtwechsel von den ersten Sonnenstrahlen über die pralle Mittagshitze bis hin zum Schlaglicht aus dem Westen, wenn die Sonne untergeht, begleitet. Nachts dann stroboskopartiges Geflacker, ein bisschen wie ein „Sprung in der Platte“, Zeit und Raum scheinen festzuhängen, sich zu wiederholen, sich zu fragmentieren.
Eine schlicht nicht anders als fabulös zu bezeichnende Leistung liefert Dubiel als Winnie ab. Wie erwähnt ist es schließlich ihre Aufgabe, mit höchstens halb sichtbarem, feststeckendem Körper 90 Minuten nahezu ununterbrochenen Monolog so zu spielen, dass das da vorn auf der Bühne eben mehr ist als bloße Rezitation. Dieses Kunststück gelingt ihr so gut, mit so viel Melancholie und tragischem Optimismus, dass das Ende – von einem Finale ist ja bei Beckett kaum zu sprechen – nicht etwa auf sich warten lässt, sondern durchaus überraschend kommt.
Ein bisschen absurd auch zum Schluss
Regisseur Manow, seinem Team und den beiden Darstellern gelingt ein Stück Theater, das kaum besser auf die kleine Bühne am Haidplatz passen könnte, das gemacht ist für die unmittelbare Nähe zum Zuschauer und doch unüberbrückbare Distanz zu der absurden Welt, die es zeigt.
Schade, dass dieses Spannungsfeld am Ende des Premierenabends doch noch entladen, der quasi magisch gespielte Bühnenraum doch noch entweiht wird: Mangels besserer Gelegenheit (im Thon-Dittmer-Palais wird gerade heftig umgebaut) hält Intendant Jens Neundorff von Enzberg seine Premierenrede kurzerhand auf der Bühne, verirrt sich dabei ein wenig mit Ensembleaufzählung und berechtigtem Lob, eingebaut zwischen Erdhügel, Requisiten-Obst und zwei Schauspielern, die Beckett-Land zumindest in Kostümform noch nicht abgelegt haben. Ein bisschen absurd darf es eben auch zum Schluss sein.