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Mein Freund Max hat sich vermehrt

Parkplatz Westportal. Doch ist gibt weit Ärgerlicheres rund um den Dom.Mein Freund Max hat sich vermehrt. Das heißt seine Frau Inga. Ich kann sie nicht leiden, sie kann mich nicht ausstehen. Zum Glück wohnt Inga in NRW und zur Taufe werde ich nicht erwartet, da tut es eine nette Karte. Ich finde eine besonders kitschige, die Inga entweder gefällt oder ihr erneut meine Abneigung deutlich macht, und kritzle Glückwünsche drauf. Adresse und Absender auf das Kuvert und ab zur Post. Die Uhr an der Dompost zeigt 11.46 Uhr, die Warteschlange reicht bis zur Eingangstür. Ich überlege, ob ich ein Postwertzeichen aus dem Automaten ziehe, aber leider habe ich nur Scheine und ein Zwei-Eurostück im Portmonee. Werfe ich das Zwei-Euro-Stück ein, verschenke ich 1,45 Euro, denn der Automat spuckt statt Wechselgeld garantiert 145 einzelne Briefmarken im Wert von je einem Cent aus. Diesen Fehler habe ich einmal gemacht, tagelang trug ich eine Handvoll Marken mit mir herum, die bald zu einem Papierklumpen verklebt waren und weder zum Versenden von Glückwünschen noch für die Aufgabe von Kondolenzbezeigungen taugten. Die Warteschlange ist angewachsen, die ersten Postkunden stehen auf den Stufen zur Dompost. Ich beschließe erst einen Kaffee zu trinken, die ganze Stadt hat schließlich Mittagspause, vielleicht ist der Ansturm auf die Postschalter gegen 13.00 Uhr so abgeebbt, dass ich ohne Wartezeit die lästigen Inga-Grüße los werde. Denkste! Die Uhr an der Dompost zeigt 13.02 Uhr, die Warteschlange reicht bis zur Kapelle Maria Läng. Es hilft nichts. „Que up“, sagt der Brite, also stelle ich mit hintan und gelobe in Maria Läng eine Votivtafel zu stiften, wenn ich bis 13.30 Uhr die verdammte Inga-Karte los bin. Inzwischen schiebt sich die Schlage quälend langsam vorwärts. Ich stehe bereits am Abfalleimer an der Dompostecke und widerstehe der Versuchung, die Karte hier bequem zu entsorgen, die Linie der hinter mir Wartenden dürfte sich grob geschätzt bis zur Historischen Wurstkuchl erstrecken. Mir ist nicht nach Konversation. Die nette alte Dame vor mir in der Schlage redet erst über die unmöglichen Zustände bei der Post AG und dann darüber, dass wir doch dankbar sein sollen, dass es nicht regne. Maria Läng hat nicht geholfen, halb Zwei ist durch und ich muss kein Taferl stiften. Die Grüße zur Geburt bin ich noch immer nicht los. Die Dame vor mir trägt ein keckes moosgrünes Hütchen mit einer zitternden Feder, die zu jedem ihrer Worte zustimmend zu nicken scheint: Zum Glück ist es nicht zu heiß, denn das wäre genauso schlimm wie Regenwetter. Wenn nicht noch schlimmer, „die UV-Strahlen, wissen Sie?“ Ja, ich weiß. Ich versuche mich abzulenken und sinniere über das Postwesen. Seit Thurn-und-Taxis-Zeiten hat sich tempomäßig nicht viel verändert. Die Dame mit dem Tirolerhut weckt mich aus meinen Gedanken und plappert etwas von Zumwinkel und Liechtenstein. Soeben reiht sich die letzte Person am Herzogspark in die Warteschlange ein. Endlich hat sich meine Einheit des Wartewurms ins Innere der Dompost geschoben, nur noch 27 Postkunden trennen mich von einem Schalter. Vier Schalter gibt es, zwei jedoch sind nur besetzt. „Und dabei haben wir so viel Arbeitslose, gell!“, wendet sich meine Leidensgenossin mit dem Tirolerhut zu mir um. Ich murmle Unverständliches, das Zustimmung signalisieren soll. Es dürfte jetzt grob geschätzt gegen 14.15 Uhr sein. Vor mir in der Schlange noch zwölf Leute. Was brauchen die Menschen auch immer so lange? In Zeitlupe werden Unterschriften werden geleistet, Bargeld wird im Schneckentempo ausbezahlt, Quittungen werden vier-, fünfmal kontrolliert, immer wieder verschwindet der Schalterbeamten und die -beamtin, um nach Stempelkissen zu suchen, nicht ausreichend frankierte Briefe in die Schalterhalle zu tragen, mit einem Kollegen, der hinter einer Trennwand in der Nase bohrt, zu plaudern oder einfach so. Der Arbeiter Samariterbund versorgt inzwischen mittels mobiler Suppenküche die, die sich jüngst in Prüfening in unsere Warteschlange eingereiht haben. Noch zwei Leute vor mir. Die Dame mit dem Hut schreitet zum Schalter, ich fasse es nicht, gleich bin ich die vom Handschweiß vollkommen durchnässten Inga-Grüße endgültig los. Ich beschließe, die künftige Kommunikation mit Max und seiner Angetrauten auf E-Mail-Verkehr zu beschränken. Mein Gott, was quatscht die alte Dame dann so lange? Der Beamte am Nebenschalter stellt ein Täfelchen auf seinen Schalter mit der Aufschrift „Dieser Schalter ist momentan geschlossen. Wenden Sie sich bitte an den nächsten Schalter.“ Ich stöhne. Die haben es gut, die Postler: Bis 30. Juni 2011 sind betriebsbedingte Kündigungen weiter ausgeschlossen. Die Wochenarbeitszeit bleibt für Tarifbeschäftigte und Beamte bei 38,5 Stunden, bisher geltende Pausenzeiten werden zwar gekürzt, die Löhne jedoch in zwei Schritten um 4,0 Prozent und noch einmal um 3,0 Prozent angehoben. Eine komfortable Verhandlungsbasis der Schalter-Leute gegenüber uns Postkunden, denke ich. Nun gut, die Dame mit der Zitterfeder wird gleich fertig sein. Gleich sagt sie „Auf Wiedersehen“, nein, sie plappert verschwörerisch mit der Schalterbeamtin. Sie kauft keine Briefmarken, sie hebt kein Geld von ihrem Postbankkonto ab, sie steht da und quatscht. Ich kann nicht an mich halten und murmle – offensichtlich zu laut – etwas von Seniorenberatung, die es hier wohl umsonst gäbe. „Halts Maul, Schwuchtel“, faucht mich die Tirolerin an und rammt mir dabei fast den Mittelfinger in ein Nasenloch. Die hinter mir Wartenden können mich zurückhalten und vor einem Totschlag im Affekt bewahren. Kurz vor Feierabend darf ich endlich meine erhöhte Briefbeförderungsgebühr bezahlen, denn das inzwischen vollkommen klebrige Glückwunschkuvert entspricht nicht dem Standartmaß, es hat Übergröße und das kostet. Ich will so schnell wie möglich aus der Dompost verschwinden, aber die Schalterbeamtin hält mich mit hypnotischem Blick fest: Ob ich eine Lebensversicherung abschließen wolle, die Post AG handle jetzt auch mit günstigem und ökologisch einwandfreiem Strom, Bausparverträge wären im Moment sehr gefragt und ich könne gar nicht früh genug an meine Rente denken, da hätten die Post AG gerade ein sehr interessantes Angebot für mich. Nein, für meine Rente soll Ingas Blag aufkommen. Das ist es mir nach diesem Nachmittag schuldig, denke ich, suche das Weite und finde es auf dem Heimweg vorbei an der Warteschlange, die sich von Etterzhausen herein bis zum Domplatz erstreckt.

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