“Mei. Is halt Aschenputtel.”
Nicht wirklich lustig, nicht wirklich dramatisch, nicht wirklich musikalisch bestechend und auch nicht wirklich schön: “La Cenerentola” von Gioachino Rossini am Theater Regensburg (Fotos: Sarah Rubensdörffer).
In 24 Tagen hat Meister Rossini das gesamte Aschenputtel fertigkomponiert. Die Ouvertüre hat er von sich selbst geklaut, eine Arie auch weitestgehend aus einem bereits fertigen Werk kompiliert. Schließlich musste es schnell gehen im Rom des frühen 19. Jahrhunderts und der ständige Ärger mit der katholischen Zensur raubten bereits genug Nerven, bevor überhaupt die schöpferische Tätigkeit aufgenommen werden konnte.
Seltsame Verwirrung aus Kitsch, Pomp und Trash
Und dann, nach all dem Hin und Her, wurde es doch nur ein Märchen mit viel Füllmusik, wenig großen Highlights – leichte Kost, vielleicht nicht seine beste Oper und anfänglich vom Publikum zerrissen. Und doch erreichte “La Cenerentola” bereits zu ihrer Zeit sehr schnell sehr große Beliebtheit und wurde von Vienna bis Australia, rund um den Globus aufgeführt.
Am vergangenen Samstag war es also auch einmal wieder im bayerischen Regensburg soweit. Uwe Schwarz inszeniert den Märchenstoff in einer seltsamen Verwirrung aus Kitsch, Pomp und (unfreiwilligem?) Trash. Leider weiß keines der Elemente recht zu zünden, oder gar zu begeistern und am Ende verlässt man das Regensburger Theater mit einem Vorwurf der konzeptionellen Einfallslosigkeit an den Regisseur.
Durch den Abend führt der magische Erzieher und Mentor des Prinzen Don Ramiro, Alidoro (gespielt von Jongmin Yoon). Wiederholendes Element der Bühnengestaltung ist eine Art Holzvorhang mit einer halbtransparenten Leinwand in der Mitte, die das allwissende Auge des zaubernden Erzählers imaginiert. Soweit eigentlich so schön, aber gleichzeitig wohl das überhaupt peinlichste Ding im ganzen Theater. In einer geschwungenen Kitsch-Schriftart werden da ab und zu Märchenzitate eingeblendet um die narrativen Lücken zu überbrücken, während Alidoro in dämlicher Zirkusdirektorpose starr daneben steht.
Alles dreht sich ein bisschen…
Der absolute Gipfel ist dann das echte, abgefilmte (!) Auge, das im Zoomvorgang mit Scheinwerferglitzerfunkel in der Pupille herangefahren wird. Mehr geht wirklich nicht. Was sich dann dahinter abspielt, ist recht unspektakulär. Bühnenbild und Requisite sind halbherzig historisierend – irgendwie auf alt gemacht, aber dann schon eindeutig als neu zu erkennen. Manchmal dreht es sich dann, der Hintergrund wechselt mit einem Bild von Holzbögen assoziativ zum Palast und die Spieglein an der Wand drehen sich ein bisschen.
Clever funktioniert diese Anordnung nur bei einer hektischen Verwirrungsszene im zweiten Akt, als die Beteiligten umher rennen, die Scheinwerferlichter sich brechen, die Außenbögen sich drehen und es eigentlich eine herrliche Angelegenheit ist, wie hier mit Licht und Schatten gespielt wird. Doch was soll das alles, eine Märchenoper 2016 wie einen tschechoslowakischen Kinderfilm zu inszenieren?
Theater, das sich kaum was traut
Mit dem Budget und Möglichkeiten in Regensburg kann man sich offenbar keinen überbordenden Pomp leisten – also muss man sich etwas einfallen lassen, um auch mit wenig zu beeindrucken. Hier wirkt das eher wie Schülertheater, das sich bemüht, gerne gefällig ist, aber sich überhaupt nichts traut. Dabei gibt es hervorragende Möglichkeiten zu einem intelligenten Bruch: Die wohl schönste und lustigste Szene befindet sich im ersten Akt, wo wiederum der asiatische Alidoro auf einmal mit Mao-Zedong-Frisur im Zahnfeekleid das dunkelhäutige Aschenputtel ungeschickt mit weißem Makeup vollkleistert.
Das ist auch ohne latenten Rassismus richtig lustig und wäre, wenn man solche Elemente ab diesem Zeitpunkt konsequent weiterverfolgt hätte, vielleicht ein richtiger Geniestreich geworden. Eine Märchenoper, nicht in konzeptioneller Verwirrung, sondern zwischen Ernstnahme ihres aufrichtigen Pathos und gleichzeitig der ihr inhärenten Leichtigkeit. Natürlich muss und darf man nicht selbstgefällig und schlauer-als-der-Text ständig ironisch brechen – aber bei diesem Stoff, sollte man sich so etwas vielleicht ein bisschen überlegen.
Musikalisch geht der Abend solide über die Runden. Tetsuro Bans orchestrale Leitung ist zurückhaltend und bleibt stets in angenehmer Transparenz. Probleme gibt es nur manchmal in Abstimmung mit den Sängern, die stellenweise gegen die Lautstärke des Orchesters allzu sehr den Kürzeren ziehen. Allen voran scheint Vera Semieniuk an diesem Abend nicht in bester Form zu sein. Ihre Hauptrolle singt sie zum Premierenabend eher dünn und kraftlos, in den höheren Tönen und Pharsierungen wirkt sie äußerst angestrengt. Die beiden männlichen Protagonisten (Prinz und Diener in Wechselidentität) hingegen, geben die herausragendste Leistung des Abends ab. Enrico Iviglia scheint zunächst ein bisschen warm werden zu müssen und legt im zweiten Akt noch einmal deutlich an Volumen und Lockerheit zu, während Matthias Wölbitsch eindrucksvoll fast den ganzen ersten Akt rettet und dann im zweiten etwas krampft.
Mit der Pappmaché-Ratte zum EM-Viertelfinale
Nun, was macht man also mit so einem Abend, der nicht wirklich lustig, nicht wirklich dramatisch, nicht wirklich musikalisch bestechend und auch nicht wirklich schön anzusehen ist? Am besten nimmt man sich seine Pappmaché-Ratte und reitet in die nächste Kneipe zum ungleich spannenderen EM-Viertelfinale. Tragisch ist das nicht – wie auch Opernfanatiker, bekennender Alt-Stalinist, Schwulenaktivist, Philanthrop und Schöngeist Alexander Striebl findet: “Mei. Is halt Aschenputtel. Muas ja ned immer was passiern.”.
2 Flamingos von 5
J.B.
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Muss denn immer alles ganz anders sein?
Die Kritik die im einzelnen durchwegs positiv ist, klingt in der Zusammenfassung sehr negativ, arrogant und herablassend.
Hat dieser Abend meiner Meinung nach nicht verdient.
Zumal im Vergleich zum angeblich besseren Fussballspiel.
Wer aktiv war, hat an diesem Abend die bessere von zwei Welten gesehen , Oper und den Rest vom Spiel ……..im nahegelegenen Mutterhaus….
Kreuzbrave Opiumträume » Regensburg Digital
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[…] werden verschiedene Elemente aus dem kreuzbraven „La Cenerentola“ in „Les Enfants Terribles“ recycelt. Angefangen beim eingeblendeten Titel in der selben […]