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Mordprozess Maria Baumer

Verzweifelte Suche war nur gekonnte Schauspielerei

Christian F.s Version zu den Todesumständen von Maria Baumer bekommt weitere Risse. Statt einer Doku über Verbrechen, mit der er seine verdächtigen Google-Suchen (u.a. „der perfekte Mord“) erklären wollte, hatte er sich das Lied einer Lieblingsband seines späteren Stalking-Opfers im Netz angeschaut. Das ergaben Nachermittlungen der Staatsanwaltschaft. Aussagen von Baumers Schwester wecken zusätzliche Zweifel.

Christian F. wird aus dem Gerichtssaal zurück in die JVA gebracht. Foto: as

Christian F. bekreuzigt sich, schaut nach vorne zum Altar, kurz darauf sieht man ihn etwas weiter hinten im Kirchenschiff eine Kerze anzünden. Er komme öfter hierher, um seine Wünsche und Gebete an Maria zu senden, sagt er dem Fernsehteam von „Aktenzeichen xy … ungelöst“ und verdrückt ein paar Tränen. „Man kann es nicht in Worte fassen“, sagt er wenig später zu Moderator Rudi Cerne.

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„Irgendwann beginnen die Hoffnungen, dich aufzufressen.“

Fast acht Jahre ist es her, seit der nun wegen Mordes angeklagte frühere Verlobte von Maria Baumer Ende Oktober 2012 diesen Auftritt hingelegt hat. Seit dem vergangenen Dienstag ist nun endgültig klar, dass der verzweifelte öffentliche Fahndungsaufruf von Christian F. nichts anderes war als gekonnte Schauspielerei, Baustein einer Lügengeschichte, mit der er den Tod seiner Verlobten vertuschen wollte und deren Angehörige in eine Situation brachte, die Baumers Schwester damals so beschrieb: „Irgendwann beginnen die Hoffnungen, dich aufzufressen.“

Am Montag weint sie ein wenig, als jene Sendung im großen Sitzungssaal des Landgerichts Regensburg gezeigt wird. Christian F., dem sie zu diesem Zeitpunkt noch voll und ganz vertraute, hat letzte Woche über seinen Wahlverteidiger Michael Euler eingeräumt, dass er Maria Baumer bereits in der Nacht vom 26. auf den 27. Mai 2012 in einem Waldstück bei Bernhardswald verscharrt hat. Laut F.s Version soll die 26jährige den Medikamentencocktail, an dem sie starb, selbst zu sich genommen haben. Tramadol gegen ihre Regelbeschwerden, Lorazepam gegen ihre depressiven Stimmung wegen eines engen Freundes, der Jahre zuvor tödlich verunglückt war. Er habe „die Liebe seines Lebens“ nur deshalb verschwinden lassen, weil er Angst gehabt habe, dass bei Ermittlungen herauskommen werde, dass er seiner Verlobten die Medikamente besorgt – von seiner Arbeitsstelle am Bezirksklinikum gestohlen – habe, ließ F. über Rechtsanwalt Euler ausrichten, inklusive einer „aufrichtigen“ Entschuldigung für seine Lügen.

„Marktwert testen“ mit Stalking und Betäubung

Doch die Geschichte des 35jährigen, in der er einräumt, was nach der Beweisaufnahme kaum noch zu bestreiten war, weist einige Lücken und Ungereimtheiten auf. Sie erklärt beispielsweise nicht, warum er an jenem 26. Mai, als Maria Baumer tot in der gemeinsamen Wohnung lag und Christian F. sich in einer Stimmung von „unendliche Trauer gepaart mit Verzweiflung“ befunden haben will, Zeit fand, ein romantisches Musikalbum auf einen Stick zu ziehen. Ein Geschenk für seine damalige Patientin Valerie S., der er später nachstellte, sie stalkte und an einem Abend in ihrer Wohnung mit dem Medikament Lorazepam betäubte, um sie – wie er in einem früheren Prozess gestanden hat – zu „enthemmen“.

Die Staatsanwaltschaft sieht den Wunsch von Christian F., eine Beziehung mit Valerie S. einzugehen, als Mordmotiv. Rechtsanwalt Euler ließ hingegen in der Erklärung seines Mandanten verlauten, dieser habe Maria Baumer nie verlassen wollen. Er habe bei Valerie S. lediglich seinen „Marktwert testen“ wollen. So etwas gebe es auch in harmonischen Beziehungen.

Youtube-Link mit Schreibfehler…

Auch die Erklärung für verdächtige Google-Suchen F.s wenige Tage vor dem Tod von Maria Baumer bröckelt. Dass sein Mandant damals im Internet unter anderem nach „der perfekte Mord“, „Lorazepam letale Dosis“ oder „Würgegriff“ recherchierte, versuchte Rechtsanwalt Euler damit zu erklären, dass F. laut Erkenntnissen der Ermittler kurz zuvor ein Youtube-Video aufgerufen hatte. Der Link funktioniere heute nicht mehr, hieß es noch am vergangenen Dienstag in Christian F.s Erklärung. Doch „theoretisch“ sei es möglich, dass sein Mandant sich kurz zuvor eine ZDF-Dokumentation über ein fast perfektes Verbrechen angesehen habe, die ihn zu den Google-Suchen veranlasst habe. Diese könnten also durchaus mit dem kriminalistischen Interesse seines Mandanten zusammenhängen und „nicht denklogisch mit Mord“.

Oberstaatsanwalt Thomas Rauscher ließ nachermitteln und förderte dabei Erstaunliches zutage. Offenbar hatte sich bei Rechtsanwalt Euler ein Schreibfehler in den besagten Youtube-Link eingeschlichen. Korrekt geschrieben funktioniert dieser Link allerdings noch und führt zu einem Musikvideo der Gruppe Mumford & Sons. „Das ist eine der drei Lieblingsbands von Valerie S.“, merkt Rauscher am Montag an.

Schwester weckt weitere Zweifel

Auch Maria Baumers Schwester, die am Montag erneut kurz vernommen wird, setzt dicke Fragezeichen hinter die Version von Christian F. Maria habe generell eine Abneigung gegen Medikamente gehabt. Lediglich gegen ihre Regelbeschwerden habe sie hohe Dosen Ibuprofen eingenommen. Darüber habe man auch gesprochen. Hätte ihre Schwester Tramadol oder Lorazepam eingenommen, „dann wären mir die Namen dieser Medikamente damals bekannt gewesen“. Dass der Unfalltod des engen Freundes Benni ihre Schwester lange mitgenommen habe, stimme. „Aber das hat über die Jahre abgenommen.“ 2012 sei man an Bennis Todestag miteinander beim Skifahren gewesen. „Ich kann mich nicht erinnern, dass sie ihn damals überhaupt erwähnt hätte.“

Der Prozess wird am 21. September fortgesetzt. Am 2. September soll das erste Explorationsgespräch zwischen Christian F. und der psychiatrischen Gutachterin stattfinden.

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Kommentare (12)

  • Ludovico Settembrini

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    Ich habe mir vor ein, zwei Jahren im Internet die XY Sendung angesehen und fand insbesondere die Szene des trauernden Verlobten in der Kirche vor einer entzündeten Kerze schon sehr ungewöhnlich. Von wem ging die Idee zu dieser Szene aus? Das muss ja wohl in irgendeiner Form der Angeklagte der XY Redaktion vorgeschlagen haben, könnte man annehmen. Dergleiche, der später gesteht, die Tote vergraben zu haben, überzeichnet seine Trauer und sein ‚sich das nicht erklären zu können‘ ins nahezu Groteske und verbrämt es religiös mit Kapelle und Kerze. Ein bisschen sehr dick aufgetragen, wenn man bedenkt, dass er in seiner Stellungnahme behauptet nur deshalb so gehandelt zu haben, um keine beruflichen Nachteile zu erleiden.
    Dass die aufgezeichnete XY Sendung für den Beschuldigten kein vorteilhaftes Bild abgibt, war vermutlich auch dem Angeklagten oder seiner Familie oder der Verteidigung bewusst. Nur so ist es möglicherweise zu erklären, dass diese Sendung im Internet seit einiger Zeit nicht mehr abrufbar ist.
    Wer schafft es und wie schafft man es , eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschwinden zu lassen? Und warum tut man das?

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  • R.G.

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    Ja,damals wurde eine Maria gesucht, die sich Auszeit genommen habe.
    Neben vielen anderen für mich seltsamen Details sah ich in XY Ungelöst den Verlobten der vermissten Frau, Herrn C.F., wie er in der Kirche eine dieser Kerzen anzündete, die bei uns daheim Ewig Licht Kerzerl heißen, mit ihnen stellt man bei uns eine gedachte Verbindung zu den Verstorbenen her. Bis zu dem Beitrag wusste ich nicht, dass man für Lebende Lichter anzündet.

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  • XYZ

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    Zu R.G. 21.04:
    Da hat sich das Unbewusste mal wieder vehement geäussert: Der Brauch Opferkerzen vor Marienaltären aufzustellen ist uralt, namentlich im – katholischen – Italien, und erinnert an den Brauch des Grablichts. Keine Beweise, aber psychiatrisch hochinteressant.

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  • XYZ

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    Nachtrag: dass Maria den ‘Medikamentencocktail’ selbst zu sich genommen habe ist der blanke Wahnsinn – was mich immer noch beschäftigt: warum hat niemand was bemerkt?

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  • Dieter

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    @Ludovico Settembrini

    Ich bin mir nicht sicher, ob XY das Video nicht selbst offline genommen hat, nachdem Christian F. 2013 in Untersuchungshaft kam. Es wurde auf jeden Fall thematisiert, dass der Studiogast plötzlich verdächtigt wurde – es war in all den Jahrzehnten der Sendung wohl ein Novum.
    Ich habe das Video aber auch später gesehen – wer weiß wer dann zur generellen Löschung aufgefordert hat: Der Sender, die Verteidigung, die Familie Baumer oder die StA. Das erscheint mir alles möglich.

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  • Nemo Udeis

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    Opferlichte in Kirchen stellt man nicht nur für Verstorbene auf. Sie stehen für ein Anliegen. Die Kerze “betet weiter” für den, der sie anzündet, solange sie brennt.
    Man zündet sie an für jemanden, der krank ist, für Familienmitglieder, für eine gute Heimkehr (z.B. aus dem Urlaub).
    Das mag manchem skurril erscheinen, ist aber eigentlich nichts besonderes. Im konkreten Zusammenhang wird es aber natürlich makaber …

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  • kamekaze

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    Auch wenn der Rechtsanwalt die Wahrheit nicht kennt (von Christian F.) spricht nicht viel dafür daß Maria B. sich die Tabletten selber eingeflößt hat oder es vielleicht ein Dritter (einer der Brüder von Christian F.?)getan hat. Aber egal – so oder so müsste jedem normal denkenken Mensch klar sein, dass Christian F. psychisch krank ist und vor der Allgemeinheit auf Lebenszeit weggesperrt werden muss.

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  • R.G.

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    Wenn es wirklich der Song Winter Winds von der Band war, dann lohnt sich nicht nur das Lesen des Textes, sondern auch ein Blick auf das Video.
    Die Band läuft durch den Wald, etwa auf 0:30 sieht man auf einer Lichtung einen von ihnen mit dem Spaten laufen und dann in die Grasnabe einstechen.

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  • XYZ

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    Zu kamekaze 11.15:
    So einfach geht’s halt nicht: auch wenn ich den Angeklagten für reichlich psychisch gestört halte, soweit ich das aus der Berichterstattung entnehmen kann, sind strafrechtlich konkrete Beweise erforderlich – es laufen so manche psychisch gestörte Individuen herum, die aber nicht tatsächlich morden, wenn auch seelisch – bestes Beispiel die kath. Internate.

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  • Mathilde Vietze

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    Dieser Angeklagte scheint ein Psychopath zu sein, einer, der seine Krankheit dazu miß-
    braucht, seine Umwelt zu manipulieren und hinters Licht zu führen. Und seine Familie
    deckt ihn.

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  • XYZ

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    Zu M.Vietze 18.15
    Ob die Familie ihn deckt ist offen, könnte mir vorstellen dass sie innerlich auch entsetzt – und beschämt – sind die wohl offenkundige Psychopathie nicht früher erkannt zu haben.

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  • Bertl

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    Ich habe zur Zeit das Buch “Das fünfte Kind” von Doris Lessing auf meinem Nachttisch liegen. Darin ist eine andere Art von Entwicklung eines Kindes der Inhalt der Geschichte, die eine ganze Familie zerstört.
    Wie die Familie des TV sich verhält und warum, kann ein Aussenstehender nicht mit Sicherheit beurteilen.
    Für mich gäbe es Grenzen, an der mit meiner Solidarität auf keinen Fall mehr zu rechnen ist. Aber als Aussenstehender weiß man nicht, wie es sich entwickelt hat.

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