Mangelnde Gleichstellung an Hochschulen
Die Universität schreibt sich eine Vorreiterrolle beim Thema Gleichstellung der Geschlechter auf die Fahne. Dieses löbliche Engagement trifft bei der Umsetzung jedoch, wie folgende Beispiele zeigen, oft schnell an seine Grenzen. Der AStA findet: die Universität muss dem Thema mehr Aufmerksamkeit widmen.
Am 13.1. fand die erste Sitzung im neuen Jahr der Fakultät PKGG (Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften) der Universität Regensburg statt. Bereits eine Sitzung zuvor stellte die neu gewählte Frauenbeauftrage der Fakultät ein Gleichstellungskonzept vor, das jedoch von Beginn an Kritik erntete. Als scheinbar problematisch sahen viele, vor allem männliche, Ratsmitglieder die damit einhergehende Verpflichtung zur Förderung der Gleichstellung durch ihre eigene Person. Unter anderem sahen sie die Tatsache, dass jedes Semester eines der Institute zu diesem Vorhaben einen themenbezogenen Vortrag organisieren sollten – also jedes Institut alle vier Jahre – als Einschränkung ihrer persönlichen Interpretation des Lehrauftrags. Nach weiteren Nachfragen und Anmerkungen wurde die Frauenbeauftragte dazu angehalten, das Konzept der geübten Kritik nach zu überarbeiten und in der darauf folgenden Fakultätsratssitzung zur Abstimmung zu stellen. Eine angemessene Zeit vor der nächsten Sitzung wurde allen Mitgliedern des Rats das überarbeitete Konzept zugesandt. Die Verpflichtung zur Organisation eines einmal im Semester stattfindenden genderbezogenen Vortrags wurde aus dem vorgeschlagenen Konzept entfernt. Doch trotz dem Eingehen auf die Änderungswünsche der Fakultätsratsmitglieder zeigten sich diese nicht zufrieden. Beispielsweise wurde nun die empfohlene Richtlinie, in Berufungskommissionen einen Frauenanteil von mind. 20% zu pflegen, als unerfüllbar und zu hoch quotiert gesehen.
Die fehlende Sensibilität seitens der Dozierenden zum Thema Gender und Gleichstellung äußert sich nicht nur durch die Kritik an dem vorgeschlagenen Konzept, sondern auch durch das breite Desinteresse und Unwissen über die Thematik, auf deren Basis die Diskussion stattfand. So drängt sich beispielsweise der Verdacht auf, dass manche Mitglieder des Fakultätsrats, trotz ihrer hohen wissenschaftlichen Reputation, keine konkrete Vorstellung von geschlechtergerechter Gestaltung ihrer Kurse haben. Das Potential, das Vorträge mit diesem Themenschwerpunkt, abwechselnd organisiert von den verschiedenen Fakultäten, durch die interdisziplinäre Gestaltung und den Perspektivenwechsel birgt, wird nicht erkannt. Diese Versäumnisse und Vorwürfe wie beispielsweise der eines Dozenten, ein Gleichstellungskonzept speziell zur Frauenförderung sei verfassungswidrig, zeigt nochmals deutlicher, wie notwendig ein kompromissloses und verpflichtendes Gleichstellungskonzept ist, um über die strukturelle Benachteiligung zu informieren und Maßnahmen zur Bekämpfung dieser zu treffen.
Es ist unverständlich, wieso eine derartige Diskussion um die Einführung eines Gleichstellungskonzepts entbrannte, da die Präambel der Universität diese festschreibt: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein Leitprinzip der Universität Regensburg und wird bei allen universitären Vorgängen berücksichtigt.“ [1] Dagegen wirkt es fast zynisch, dass von den elf Fakultäten nun erst die zweite (neben Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften) überhaupt ein Gleichstellungskonzept verabschiedet hat. Hinzu kommt, dass es sich bei dem in der PKGG verabschiedeten Gleichstellungskonzept lediglich um eine zweijährige Testphase handelt und die langfristige Sicherung der expliziten Frauenförderung nicht gewährleistet ist. Es bleibt zwar zu hoffen, dass sich andere Fakultäten dazu entschließen, einem Gleichstellungskonzept eine Chance zu geben, in Hinblick auf den starken Gegenwind, der von den männlich dominierten Gremien auf die Frauenbeauftragten trifft, scheint dies jedoch noch ein schwieriges Unterfangen
„Es ist enttäuschend, dass der Fakultätsrat durch das Beschneiden des Konzepts an entscheidenden Stellen die essentielle Bedeutung von Aufklärung und konkreten Maßnahmen gegen die Benachteiligung von Frauen* und damit den Posten der Frauenbeauftragten untergräbt“, stellt Nadine Randak, Referentin für Antidiskriminierung des AStA der Universität, fest.
Dank Initiativen wie Mentoring UR werden immer wieder kleine Schritte in Richtung Aufklärung, beispielsweise durch den Vortrag „Die gläserne Decke“ über die marginalen Aufstiegschancen für Frauen, getan. Universitätspräsident Prof. Dr. Hebel hielt es nach dem Händeschütteln mit der Frau Bürgermeisterin und den verschiedenen Redner*innen und seiner Begrüßungsrede, in der er öffentlichkeitswirksam das Engagement der Hochschulleitung beim Thema Frauenförderung hervorhob, jedoch nicht für nötig, dem Vortrag länger als 20 Minuten beizuwohnen. Der Rest der zu 100% männlich besetzten Universitätsleitung scheint ebenfalls keinen Bedarf zu sehen, sich persönlich mit dem Thema auseinanderzusetzen und blieb der Veranstaltung geschlossen fern.
Jedoch fehlt nicht nur das Verständnis und Interesse bezüglich der Themen Frauenförderung und Gleichstellung, all zu oft wird die Debatte aktiv verfälscht und polemisiert. Das jüngste Beispiel ist der Vortrag von Herrn Kothmann, welcher nicht nur lehrender Professor am Institut für Evangelische Theologie im Bereich Religionspädagogik der Uni Regensburg, sondern auch Chefredakteur des Magazins Confessio Augustana ist. „Anstelle einer wirklich wissenschaftlich fundierten, differenzierten Darstellung der akademischen Disziplin der Gender Studies und politischen Gleichstellungsbemühungen suggerierte Kothmann, dass die „Gender-Ideologie“ „Gleichheitsklischees huldige“, eine „Verunsicherungspädagogik betreibe“ und nicht nur alle Geschlechter abschaffen, sondern noch dazu die „normale Familie“ untergraben wolle und sprach dann auch gleich Gender-Theorien die Legitimation ihrer Existenz im Hochschulbetrieb ab […].“ [2]
Solch ein starres und voreingenommenes Geschlechterverständnis, durch welches die Frau* durch vermeintlich wissenschaftlichen Vorträgne in ein antiquiertes Rollenbild gepresst und zu einem männlich dominierten Objekt degradiert wird,hat nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen. Es schafft den perfekte Nährboden für die selbsternannten Pick-up-Artists, die es als Sport betrachten, Frauen zu verunsichern und zu manipulieren, um mit ihnen zu schlafen. Auch an einigen Campussen in Deutschland hat diese „Sportart“ bereits Einzug gefunden und wird mit berechtigter Sorge beobachtet. Ein bezeichnender Vorfall ereignete sich vor einigen Wochen in Frankfurt. Einer der selbsternannten Pick-up-Gurus (Pick-up-Artists, welche Seminare und Vorträge für andere anbieten) wurde namentlich in einem Aufklärungsbericht des ansässigen AStAs genannt, um auf die sexistischen Methoden und die damit einhergehenden Gefahren für Frauen aufmerksam zu machen. Daraufhin klagte dieser gegen besagten AStA. Weitere Informationen hierzu sind in der Berichterstattung von letzter Woche zu finden. [3]
All diese Fälle zeugen von einem gesellschaftlichen Missstand, dem durch präventive Aufklärung und Sensibilisierung entgegengewirkt werden kann. Dies sollte nicht zuletzt an Bildungseinrichtungen wie Universitäten selbstverständlich sein.
[1] http://www.uni-regensburg.de/rechtsgrundlagen/medien/grundordnung.pdf
[2] Vgl. Pressemitteilung des Ak queer vom 4.2.16: https://www.facebook.com/notes/ak-queer-regensburg/pressemitteilung-homophobie-unter-wissenschaftlichem-deckmantel/544002502442588
[3] Vgl. Pressemitteilung des AStA Regensburg vom 19.2.16 https://www.facebook.com/asta.regensburg/posts/1048794581825988