10 Apr2012
Ein Geheimdienst und seine Vorschriften
Mancher Kunde ist König
Mordende Nazi-Trupps aufbauen oder sich bei den WAA-Protesten eine Geldstrafe einhandeln – das sind schon zwei Paar Stiefel. Klar. In beiden Fällen kann aber dasselbe passieren: Man wird „Kundschaft“ beim bayerischen Verfassungsschutz. Und die Vorschriften, was mit den Daten passiert, die über die einzelnen Kunden gespeichert werden sind streng – zumindest streng geheim.
„Kundschaft.“ So nennt der Herr vom Bayerischen Verfassungsschutz, mit dem ich Mitte Februar (zum bereits zweiten Mal) telefoniere die Personen, die von seiner Behörde überwacht werden. Weil sie unsere Freiheit und Demokratie gefährden. Rechtsextremisten, Linksextremisten, islamistische und sonstige Extremisten – das sind die Schubladen in der „Kundenkartei“ des Geheimdienstes. Bei einigen Kunden werden Daten schon mal „60 oder 70 Jahre“, ja „ein ganzes Leben lang“ gespeichert. Bei anderen eben nicht. Da hält man sich streng an die Vorschriften.
Kundschaft 1: Der Nationalsozialist
Ein Kunde des bayerischen Verfassungsschutzes war zum Beispiel der bekennenden Nationalsozialist Tino Brandt. Brandt hat den „Thüringer Heimatschutz“ aufgebaut. Mit Geld, das er sich als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes verdient hat. Aus dieser Nazi-Truppe ging der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hervor, jenes Terrortrio, das zwischen 2000 und 2007 Sprengstoffanschläge, Banküberfälle und mindestens zehn Morde verübt haben soll. Fünf davon in Bayern. Und hier – in Bayern – begann Tino Brandt 1993 auch seine Karriere. In Regensburg versuchte er (letztlich erfolglos) eine Nazi-Truppe aufzubauen. Nebenbei verbreitete er rassistische und antisemitische Hetzpamphlete. Damals war Brandt denn auch „Kundschaft“ des bayerischen Verfassungsschutzes. Er wurde überwacht, aber ansonsten nicht weiter belästigt.Wegen der Vorschriften: Man weiß nicht, ob man etwas weiß
„Umfangreiche Dokumente“ gebe es aus dieser Zeit, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Anfang Januar hat Herrmann einen umfangreichen Fragenkatalog der Landtagsabgeordneten Maria Scharfenberg (Grüne) zur bayerischen Vorgeschichte Tino Brandts beantwortet. Recht viel geben die Antworten des Innenministers allerdings nicht her. Das liegt an „Datenlöschungs- und Aktenvernichtungsvorschriften“, wie Herrmann bedauernd schreibt. Wegen dieser Vorschriften stünden Daten zu Brandt und dessen Aktivitäten „nur noch eingeschränkt“ zur Verfügung. schreibt Herrmann in einer Vorbemerkung zu seinen ansonsten recht dürftigen Antworten. „Eine Bewertung und Einschätzung von Tino Brandt und seiner damaligen Rolle in der rechtsextremistischen Szene ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt deshalb nur bedingt möglich. Inwieweit seine damalige Rolle im Detail rekonstruierbar sein wird, ist derzeit noch nicht abschätzbar.“Die Vorschriften: Streng geheim
Datenlöschungs- und Aktenvernichtungsvorschriften – was ist das überhaupt? Das Innenministerium antwortet auf diese Frage zunächst einmal nicht. Als ich drei Tage später nachhake, wird mein Anliegen ans Landesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet. Von dort kommt – wieder einige Tage später – ein kurzer Anruf. Ich werde auf das Bayerische Verfassungsschutzgesetz verwiesen. Dort steht zwar lang und breit, dass es Vorschriften und Fristen zur Löschung gibt, aber nicht wie diese Vorschriften und Fristen aussehen.„Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Dauer der Speicherung in Dateien und in Akten, die zu einer bestimmten Person geführt werden, auf das Maß festzulegen, das zur Erfüllung seiner Aufgabe nach diesem Gesetz erforderlich ist.“ Artikel 7, Bayerisches Verfassungsschutzgesetz. „Ob die Voraussetzungen der Löschung und Vernichtung (…) vorliegen, ist bei jeder Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen zu entscheiden.“ Artikel 8, Bayerisches VerfassungsschutzgesetzDer Landesbeauftragte für Datenschutz würde mir zwar gerne weiterhelfen, darf dazu aber nichts sagen, „aus Gründen des Geheimschutzes“, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme heißt. Er verweist mich erneut ans Landesamt für Verfassungsschutz und von dort gibt es dazu ebenfalls keine weitere Auskunft. „Sonst kann sich unsere Kundschaft ja ausrechnen, was sie tun muss, um nicht mehr gespeichert zu werden.“
Neuromancerr
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Ein feiner Artikel, das MUH Magazin finde ich allerdings nicht so toll. Den Verfassungsschutz noch weniger.
Wann werden die Menschen endlich begreifen, dass es eine Ehre ist im Verfassungsschutzbericht zu stehen!
Gondrino
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Wieder einer der zahlreichen Beweise, dass der Verfassungsschutz, besonders der bayerische, nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems ist. Eine in sich undemokratische Gheimgesellschaft, deren parlamentarische Kontrolle das Papier nicht wert ist, auf dem sie steht, kann eine demokrtische Verfassung niemals schützen. Der Schutz unserer Verfassung sind aufmerksame Bürger und unabhängige Medien. Darum: Landesverfaasungsschutzämter auflösen und das Geld für Demokratieerziehung in Schulen o. ä. stecken!!!!
Ich bin mal gespannt, wie lange WIR (die Bürger) uns so was noch gefallen lassen…
Aber bis vor 250 Jahren gabs bei uns ja auch noch die Inquisition und Hexenverfolgungen…
Veronika
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Nicht böse sein, aber ich sehe am Verfassungsschutz ganz allgemein kein Problem! Probleme scheint es eher bei einigen derjenigen Personen zu geben, denen der Verfassungsschutz als Behörde nahezu “unterstellt” ist. Während das eine Landesverfassungsschutzamt auch religiöse Strömungen gleich welcher Art überhaupt einmal wahrnehmen darf, scheint es einem anderen Landesverfassungsschutzamt (ob hier das “C” im Parteinamen verantwortlich ist?) nahezu “verboten” ausser Islamisten auch so etwas wie die meiner Meinung nach ebenso gefährlichen christlichen Traditionalisten (Ich sage nur “kr..z.n*t”) überhaupt zu stören. Beamte sind manchmal eben echt Beamte, ob bei einem LAfVs oder sonst. Je nach politischer Strömung darf, oder darf eben nicht gehandelt werden.
Das Prinzip 6 aus 49 | Regensburg Digital
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[…] – da hätten die Herren vom Verfassungsschutz jetzt auch kürzer ausdrücken können. Drei Monate ist es her, seit unsere Redaktion – mit recht mäßigem Erfolg – von den bayerischen…Wann schreddert der Verfassungsschützer Akten und wann […]
NSU – wen schert das noch? | Regensburg Digital
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[…] Gründer ist Tino Brandt, ein zunächst in Bayern aktiver bekennender Nationalsozialist. In Regensburg werden Antifaschisten, die seine Hetze mit Flugblättern anprangern vom Amtsgericht wegen übler Nachrede zu Geldstrafen verurteilt. Vom Vorsitzenden Richter Werner Gierl ist die Aussage überliefert: „Hintergründe interessieren mich nicht.“ Der bayerische Verfassungsschutz hält bis heute Informationen über Brandts damalige Aktivitäten z… […]