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„Unsozialer Profit-Plan“

„Lobhudelei“ trotz Stellenabbau: IG Metall Regensburg kritisiert Aiwanger-Auftritt bei Infineon

Trotz eines angekündigten Stellenabbaus im mittleren dreistelligen Bereich in Regensburg lobt der bayerische Wirtschaftsminister das Unternehmen Infineon für das „Bekenntnis zu den bayerischen Standorten“. Die Gewerkschaft kritisiert das scharf.

Hubert Aiwanger mit Infineon-Vorstand Rutger Wijburg beim Besuch in Neubiberg am Mittwoch. Foto: Bayerisches Wirtschaftsministerium

Folgt man einer Pressemitteilung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, dann war es eine recht harmonische Zusammenkunft, zu der sich Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Infineon-Vorstand Dr. Rutger Wijburg diese Woche in Neubiberg getroffen haben. Im Rahmen eines „industriepolitische Austauschs“ lobte Aiwanger demnach das „Bekenntnis von Infineon zu den bayerischen Standorten Neubiberg, Augsburg und Regensburg“. Daneben kritisiert er die Bundesregierung und europäische Behörden dafür, dass die Genehmigungsprozesse von Förderprojekten angeblich „viel zu lange“ dauern und „unsere Industrie“ benachteiligen würden.

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Was der bayerische Wirtschaftsminister unerwähnt lässt: Bereits Anfang Mai hatte der Chiphersteller angekündigt, am Standort Regensburg, hier sind derzeit rund 3.100 Menschen beschäftigt, eine mittlere dreistellige Zahl an Stellen abbauen zu wollen, vornehmlich in der Produktion. Die Jobs sollen ins Ausland verlagert werden. Von „Billiglohnländern“ spricht die IG Metall.

Stellenabbau trotz Gewinnmargen im zweistelligen Prozentbereich

Hintergrund ist ein Sparprogramm, das die Chefetage bei Infineon umsetzen will. „Viele Endmärkte entwickeln sich konjunkturbedingt schwach, und der Abbau der Halbleiterbestände bei Kunden und Distributoren dauert an“, so Vorstandschef Jochen Hanebeck Anfang Mai. „Die Nachfrageschwäche bei verbrauchernahen Anwendungen zieht sich hin. Zudem sehen wir eine spürbare Verlangsamung des Wachstums im Automobilbereich.“

Das Jahr 2023 war bei Infineon das beste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte – mit über vier Milliarden Euro Gewinn. Im zweiten Quartal 2024 brach der Gewinn dann um etwa die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr ein – trotzdem bleibt eine Marge ihm zweistelligen Prozentbereich.

Von dem angekündigten Stellenabbau – betriebsbedingte Kündigungen wolle man vermeiden, heißt es – verspricht sich das Unternehmen nun Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich. All das sei aber keine Reaktion auf den allgemeinen Wirtschafts-Zyklus, sondern habe zum Ziel, das Unternehmen allgemein noch wettbewerbsfähiger zu machen und die Profitabilität zu steigern, so ein Unternehmenssprecher im Mai.

IG Metall kritisiert „Kahlschlag“ zur „Profitmaximierung“

Schon damals hatte die Gewerkschaft IG Metall diese Pläne scharf kritisiert. Bevollmächtigter Rico Irmischer sprach von einem „Kahlschlag“, der in erster Linie der „Profitmaximierung“ geschuldet sei. Schließlich befinde sich Infineon nach wie vor nicht in Schieflage.

Gerade die Halbleiterindustrie habe in den vergangenen Jahren „massive Gewinne“ eingefahren und sei „der Gewinner der Chipkrise der letzten Jahre“, so Irmischer. „Jetzt so verantwortungslos mit denjenigen umzugehen, die alles für die Lieferfähigkeit des Betriebs getan haben – Sonderschichten und Mehrarbeit waren selbstverständlich – zeugt von einer besonderen Skrupellosigkeit.“

Aiwanger: Beschäftigte finden was anderes

Aiwanger hatte hingegen davon gesprochen, dass die betroffenen Beschäftigten angesichts des Fachkräftemangels schon woanders unterkommen würden. „Einfache Produktionsschritte wie Wafer schneiden, testen und verpacken“ ließen sich in Deutschland „aufgrund der Kostensituation“ eben nicht mehr halten.

Eine „Bagatellisierung“ der Situation der Betroffenen warf ihm die IG Metall deshalb vor. Die von Aiwanger angesprochene „gute Arbeitsmarktlage“ sei „kein Trost für die Beschäftigten, die jetzt fürchten müssen, einen mitbestimmten, gut tarifierten Arbeitsplatz zu verlieren“.

IG Metall: „Aiwanger redet der Industrie nach dem Mund“

Auch aktuell zeigt sich die Gewerkschaft erzürnt über Aiwangers Auftritt in Neubiberg. „Nicht nur ich, vor allem die betroffenen Beschäftigten fragen sich, in welcher Welt unser Wirtschaftsminister lebt“, sagt Rico Irmischer. „Statt der Industrie nach dem Mund zu reden und in Lobhudelei zu verfallen erwarten die Beschäftigten von der Politik, die Missstände deutlich anzusprechen und sich für die Interessen der Menschen einzusetzen.“

Er erwarte von Hubert Aiwanger, den Abbauplan des Infineon-Vorstandes als das zu kritisieren, was er sei: „Ein unsozialer Profit-Plan auf dem Rücken der Menschen.“

Wäre das Unternehmen an einer echten Lösung interessiert, würde es den Dialog mit Betriebsrat und IG Metall suchen, so der IG-Metall-Bevollmächtigte. „Wäre der bayerische Wirtschaftsminister an den Menschen in diesem Land interessiert, würde er sich für tarifgebundene Arbeitsplätze und Zukunftssicherung in der Transformation einsetzen, anstatt weiteren Druck auf die Tarifbindung auszuüben.“

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