Liebeserklärung an die Regensburger Freakshow
Der „Sommernachtsalbtraum auf St. Emmeram“ hätte ruhig noch ein wenig böser sein dürfen.
Nein. So fremd kommt es einem erst einmal gar nicht vor, wenn man sich im Velodrom als Zuschauer der ersten Folge von „Durchlaucht TV“ wiederfindet. Was ist so unrealistisch an der Vorstellung, dass eine Fürstin, die „Gier und Ehrgeiz“ als ihre hervorstechendsten Eigenschaften beschreibt und die „singen, malen und rappen“ kann (nah am Original: Linda Foerster als „Viktoria“), sich eine eigene TV-Show (fein moderiert von Jacob Keller) gönnt?
Ist es nicht sehr realitätsnah, dass sie an ihrer Seite einen durchgeknallten Bischof als Stargast hat (Michael Haake als Amalgam mit viel Tebartz, einem Hauch Voderholzer und einer ordentlichen Prise Müller), der Fürstentochter Liesl (Sexy: Andine Pfrepper) das Höschen abpresst und auch sonst noch manch dunkles Geheimnis hat? Da fragt man sich doch sofort: Warum gibt’s das in Regensburg eigentlich noch nicht? Hier, „wo selbst die (Dom)Spatzen sexy sind“ (gewagte Werbe-Einblendung übrigens), „wo Händlmeier-Senf regiert“ und „wo der Jahn immer verliert“?
Ja, es stimmt schon, was da im Programm steht: „Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind unvermeidbar“ bei der „Rock-Revue“, die so beginnt wie man Regensburg kennt und schließlich in einer Zombie-Apokalypse (Maske: Sabine Brucker, Sabine Heuser) mündet, weil wegen „irgendsoeinem Modevirus wie HIV“ (Viktoria) die Toten plötzlich wieder aufstehen und „einen absurden Appetit auf uns Regensburger“ entwickeln (TVA-Moderator Martin Gottschalk als TVA-Moderator Martin Gottschalk).
Die Stars sind natürlich die Musiker: Gerwin Eisenhauer und Band, der am Stück (Inszenierung: Jens Schmidl) mit- und es seinen Musikerkollegen, unter anderem mit Anklängen zu Filmen wie „Sister Act“, „Life of Brian“ und ein wenig Tarrantino, auf den Leib geschrieben hat. Das schafft schöne Konzert-Atmosphäre.
Steffi Denk brilliert dabei nicht nur mit ihrem Gesang, sondern beweist auch, dass sie breiten Oberpfälzer Dialekt genau so gut beherrscht wie zickiges Italienisch. Markus Engelstädter, blackfaced als „Prince“, kann nicht nur sein Repertoire präsentieren, sondern mit Fürstentochter Liesl auch einen Geschlechtsakt auf der Bühne hinlegen, der vor der Premiere noch entschärft wurde. Dasselbe ist auch dem einen oder anderem Dialog widerfahren – zu böse und provokant wollte man dann doch nicht sein.
Aber immerhin: Hätten sich unter einem Bischof Müller auf einer städtischen Bühne Nonnen den Habit vom Leib gerissen, um zu sexy Glitzerladys zu mutieren (Choreographie: Yoko El Edrisi), hätte ein zombiefizierter und in einen Käfig gesperrter Domspatz (schaurig-schön: Robert Herrmanns) fröhlich bei „Always look on the bright side of life“ mitgesungen und anschließend dem Bischof die Gedärme aus dem Leib gefressen, wäre jedwede Zusammenarbeit mit dem Stadttheater sicher bis zum jüngsten Gericht verboten worden. Zum Glück ist das heute (wahrscheinlich) anders…
Unnötig zu erwähnen, dass niemand der Anwesenden überlebt. So ist das bei Zombie-Apokalypsen immer. Da hilft auch der Einsatz von SEK (Hallo! Das heißt in Bayern USK!), Fürstin („Ich will auch einen Zombie erschießen. Ich will auch. Ich will auch.“) und des zum Bert-Man mutierten Fürstensohns Bertl (Sebastian Ganzert) nichts. Lediglich Oberbürgermeister Joachim Wolbergs schafft es, wie er per Videobotschaft mitteilt, sich und seinen Stab in Auffanglager nach Kelheim zu retten. „Mein Name ist Barack…“ Ehe er das „Entschuldigung“ zu Ende sprechen kann, bricht die Übertragung ab.
Ansonsten tapst – unterlegt von Klavier-Musik – eine auf „die Urinstinkte Fressen und Ficken“ reduzierte Horde durch die Regensburger Altstadt (schöne Gastauftritte per Video von Zombie-Musiker Menzl und Zombie-Koch Anton Schmauser mit Zombie(-Kopf) Neli Färber im Topf). Auch das: ein schönes und symbolträchtiges Bild.
Wie es sich für eine Rock-Revue gehört gibt es am Ende noch einige Zugaben – die Zuschauer wären dafür sicher auch ohne Aufforderung aufgestanden. Und wenn sich unter den Klängen von „All you need is love“ neben den schon erwähnten Figuren auch Zombies in Jahn-Fan-Kluft, SS-, GI- und Schulmädchen-Uniform in blutverschmierter Eintracht auf der Bühne tummeln, dann ahnt man, dass im Hinterkopf von Schmidl und Eisenhauer vielleicht noch manche Bösartigkeit gesteckt wäre. Aber man muss es ja nicht unbedingt übertreiben…vielleicht…oder doch?
altstadtkid
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Wow!!!!!!!
Da kann man sich, im Orphee gegenseitig auf die Schultern klopfen, hoffentlich fliesen da keine Steuergelder