Letztes Kapitel im Finanzskandal Wenzenbach?
Einen Vergleich gibt es in der Schadenersatzklage der Gemeinde Wenzenbach gegen die Witwe von Altbürgermeister Josef Schmid. Die erste Kammer am Verwaltungsgericht findet teils deutliche Worte.
Geschlagene sieben Stunden dauert es, ehe sich die Parteien in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg einig sind und einen Schlussstrich ziehen unter das, was vor neun Jahren als Finanzskandal Wenzenbach Schlagzeilen machte. Ein Schlussstrich mit Vorbehalt allerdings, denn die Beteiligten haben noch bis Anfang Oktober Zeit, um den mühselig zusammengezimmerten Vergleich zu widerrufen.
Unrechtmäßige Leistungsprämien und Urlaubsabgeltungen für Beamte, eine üppige Reisekostenpauschale für den mittlerweile verstorbenen Bürgermeister Josef Schmid und private Steuerschulden, die aus der Gemeindekasse beglichen wurden, waren es, die dem Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband bei einem Besuch in Wenzenbach aufgefallen waren. Der Schaden für die Kommune wurde seinerzeit auf bis zu 170.000 Euro beziffert.
Schadenersatz von Bürgermeister-Witwe: Das Verfahren ruhte viele Jahre
Die Gemeinde reichte 2014 Schadenersatzklage beim Verwaltungsgericht ein. Doch weil das Thema zunächst straf-, anschließend disziplinarrechtlich aufgearbeitet werden musste, ruhte dieses Verfahren über mehrere Jahre.
Der langjährige Gemeindegeschäftsführer Hans E. wurde in der Folge zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und verlor seine Pensionsansprüche. Bürgermeister Schmid wurde 2017 in zweiter Instanz vom Landgericht Regensburg freigesprochen. Zwar sei der Tatbestand der Untreue in objektiver Hinsicht erfüllt, Schmid habe seine Sorgfaltspflichten verletzt und wenigstens fahrlässig gehandelt, strafbar aber sei dies nicht, hieß es in dem damaligen Urteil.
Vorsatz könne man dem Bürgermeister nämlich nicht vorwerfen. Er habe einfach dem Gemeindegeschäftsführer, der als treibende Kraft hinter alledem gilt, blind vertraut. Deshalb: Freispruch.
Vor dem Verwaltungsgericht gelten andere Maßstäbe als im Strafrecht
Bei der Schadenersatzklage vor dem Verwaltungsgericht gelten allerdings andere Maßstäbe. „Es geht nicht mehr um Strafbarkeit, sondern um schuldhafte Pflichtverletzungen“, so Richter Georg Geißelbrecht, Vorsitzender der ersten Kammer.
Solche Pflichtverletzungen sieht das Gericht nicht nur beim Gemeindegeschäftsführer, sondern auch beim 2021 verstorbenem Altbürgermeister Schmid – verbunden mit Schadenersatzansprüchen, die seine Witwe treffen. Die hat als Alleinerbin nämlich nicht nur Anspruch auf eine Witwenpension, sondern ist auch Rechtsnachfolgerin ihres Mannes in diesem Schadenersatzverfahren.
Von den ursprünglich eingeklagten 170.000 Euro sind am Verhandlungstag noch etwas mehr als 100.000 Euro übrig geblieben. Zwei Beamte haben bereits im Vorfeld ihre unrechtmäßig erhaltenen Prämien zurückgezahlt, von Hans E. flossen bislang rund 54.000 Euro zurück in die Gemeindekasse.
Familie Schmid sieht keine Schuld beim verstorbenen Bürgermeister
Keinerlei Rückzahlung erfolgte in all den Jahren von Schmid bzw. dessen Witwe. Die Familie des Verstorbenen sähe das, das wird im Verlauf des Prozesses klar, als spätes Schuldeingeständnis. Und ein solches sieht man im Hause Schmid als nicht gerechtfertigt, geschweige denn gerecht an. Entsprechend scheiterten erste Einigungsgespräche, die das Gericht im Mai 2022 angeregt hatte.
Die Lesart der Familie und der beauftragten Anwälte: Schmid trage keinerlei Verantwortung. Er habe dem Geschäftsführer blind vertraut und dieser habe ihn zudem vorsätzlich getäuscht. Eine Behauptung, die Hans E.s Rechtsanwalt Thomas Troidl im Verlauf des Verfahrens in dieser Form mehrfach zurückweist.
Überhöhte Fahrtkosten – doch die Verantwortung trägt der Gemeinderat
Der größte eingeklagte Batzen, der beim Verwaltungsgericht übrig geblieben ist, sind hier die Fahrtkostenpauschalen, die der Bürgermeister zusätzlich zu seiner A16-Besoldung erhielt. 480 Euro pro Monat, gezahlt über zwölf Jahre – insgesamt fast 70.000 Euro.
Etwa 1.300 Kilometer pro Monat hätte Schmid fahren müssen, um eine solche Höhe zu rechtfertigen, rechnen Wenzenbachs Bürgermeister Sebastian Koch und Klaus-R. Luckow, Rechtsanwalt der Gemeinde, vor. Und ein rudimentär geführtes Fahrtenbuch, das Schmid nach einer Mahnung des Finanzamts kurz geführt habe, zeige: Solche Strecken seien es nicht einmal im Ansatz gewesen – obwohl selbst Kirchenbesuche dort als Dienstfahrten verbucht worden seien.
Doch hier bescheinigt die Kammer der Klage wenig Erfolgsaussichten. Nicht, weil das Gericht die Höhe der Pauschale als gerechtfertigt ansieht, sondern weil diese Pauschale durch Beschlüsse des Gemeinderats abgesegnet wurde.
Damit sei jeder einzelne Gemeinderat verantwortlich, wenn der Beschluss in gesetzeswidriger Weise gefasst worden sei, macht die berichterstattende Richterin Ulrike Dettenhofer deutlich. „Die Gemeinderäte hätten das prüfen müssen.“ Schadenersatz komme hier, wenn überhaupt, allenfalls in sehr geringer Weise in Frage.
Gericht bescheinigt Schmid grob fahrlässiges Verhalten
Anders sieht das bei der Nachversteuerung dieser zunächst steuerfrei ausgezahlten Fahrtkostenpauschale durch das Finanzamt Regensburg aus. Rund 11.000 Euro Lohnsteuer zulasten von Schmid, die von der Gemeinde bezahlt wurden – abgesegnet mit seiner Unterschrift.
Die Argumentation von Schmids Anwälten, Andreas Brey und Reinhard Mühlbauer, derzufolge Geschäftsführer Hans E. ihm das Dokument arglistig untergeschoben habe, es ging auch um Nachversteuerung von E.s Urlaubsabgeltung, folgt die Kammer nicht. Einem Bürgermeister müsse man zumuten, ein solches Dokument – eine Seite und „auch für den Laien verständlich“ – wenigstens durchzulesen. Dies nicht zu tun sei grob fahrlässig.
Auch den (nicht näher erläuterten) Einwand von Rechtsanwalt Mühlbauer, derzufolge Schmid die Fahrtkostenpauschale doch ohnehin selbst versteuert, also das Finanzamt mit der Nachversteuerung einen Fehler gemacht habe, überzeugt das Gericht nicht. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass sich ein Bürgermeister seine Steuer von der Gemeinde schenken lasse, so Richter Geißelbrecht.
Gericht: Wer mit A16 besoldet ist, darf sich nicht blind auf alles verlassen
Auch bezüglich der größtenteils bereits zurückerstatteten Urlaubsabgeltungen und Leistungsprämien weist die Kammer am Verwaltungsgericht dem verstorbenen Bürgermeister eine deutliche Mitverantwortung zu. „Ich kann mich nicht in ein solches Amt, besoldet mit A16, wählen lassen und mich dann blind auf alles verlassen – bei allem Respekt“, sagt Geißelbrecht. Auch das sei grob fahrlässig.
Im Nachhinein sei das leicht gesagt, erwidert Rechtsanwalt Mühlbauer. „Aber damals hätte das jeder hier unterschrieben.“ Doch auf diese Debatte lässt sich die Kammer nicht ein – denn man befindet sich bereits im Einigungsgespräch.
Gemeinderat muss dem Vergleich zustimmen
Mehrere Stunden bastelt man anschließend an einem Vergleich. Es müssen zwei Telefonate mit Schmids Witwe, die nicht anwesend ist, geführt werden. Schließlich einigt man sich darauf, dass sie 14.000 Euro, Ex-Geschäftsführer E. weitere rund 10.000 Euro bezahlen muss. Die Verfahrenskosten gehen zu 56 Prozent auf die Kappe der Gemeinde.
Bis zum 6. Oktober haben nun alle Beteiligten Zeit, sich diese mühsam erzielte Einigung durch den Kopf gehen zu lassen. Wenzenbachs Bürgermeister Koch braucht dafür die Zustimmung des Gemeinderats. Schmids Familie will die Zahlung lediglich als Zugeständnis verstanden wissen, um den Fall zu beenden. Ein entsprechender Passus wird eigens in den Vergleich diktiert. Ob der am Ende hält, werden die nächsten Monate zeigen.
Jürgen
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Die Selbstbedienungsmentalität und Uneinsichtigkeit ist hier schon sehr erstaunlich, betrachtet man die Sachlage. Der damalige Freispruch vor dem Landgericht war im Prinzip die Feststellung, dass er als Bürgermeister geistig überfordert war.
Man sollte meinen, dass nur halbwegs fähige Personen ins Bürgermeisteramt gewählt werden. Letztlich trifft die Schuld auch den Wähler, der das offensichtlich missachtet hat.
Welch ein Trauerspiel und welche ein beschämender Abgang.