Lappersdorf: Mehr Glanz geht nicht!
Als Ersatz für einen nicht gebauten Bürgersaal und nach vielfachem Wechsel in Planung und Ausführung soll in Lappersdorf nach Monaten Verspätung voraussichtlich Mitte Oktober 2015 ein Kultur- und Begegnungszentrum eröffnet werden. Während sich die bei der Grundsatzentscheidung im Herbst 2012 genannten Kosten von rund vier Millionen Euro trotz verkleinerter Ausführung mehr als verdoppeln dürften, versucht der Markgemeinderat derzeit ein bislang nicht vorhandenes Nutzungskonzept zu erarbeiten. Noch ist nicht absehbar, ob die tatsächlichen Herstellungskosten für den angeblich nach mittelalterlichem Vorbild erbauten „Kulturstadel“ zuletzt nicht doch die zehn Millionen Grenze überschreiten werden. Zwischenbilanz eines strittigen Prestige-Projekts.
Die Marktgemeinde Lappersdorf hat dem CSU-Altbürgermeisters Erich Dollinger viel zu verdanken. So die fünf überwiegend vom Freistaat Bayern bezahlten Hochwasserrückhaltebecken, ein von vielen beneidetes Landkreisgymnasium, das Spektakel des Nordgautags 2012 und nicht zuletzt das derzeit errichtete kommunale Kultur- und Begegnungszentrum. Dem war allerdings ein 2011 per Bürgerentscheid gestopptes Projekt namens „Neue Mitte“ vorausgegangen. Der Reihe nach.
Bürger gegen Rathaus in der „Neue Mitte“
Im Dezember 2009 ging Bürgermeister Dollinger mit seinen Plänen für die „Neue Mitte“ an die Öffentlichkeit. Demnach sollte auf einem 15.000 Quadratmeter großen Gelände ein identitätsstiftendes Marktzentrum mit Geschäftsräumen und einem neuen Rathaus entstehen. Ebenso angedacht waren ein Wirtshaus und Bürgersaal.
Bemerkenswerterweise ging die Initiative dafür von Grundstückeigentümern und privaten Investoren aus. Diese hätten das Dienstleistungszentrum und die Marktgemeinde den Bürgersaal und das Rathaus bauen und finanzieren sollen. Letzteres sei wegen akuter Platznot unbedingt notwendig und billiger als die anstehenden Erweiterungs- und Renovierungskosten am bestehenden Gebäude. Mit dieser Parole griffen die absolute CSU-Mehrheit im Marktrat und ihr Bürgermeister die private Initiative auf und propagierten ein neues Rathaus, das billiger sei als die Renovierung des alten. Auf fünfeinhalb Millionen Euro kalkulierte die Marktverwaltung die Kosten für einen Neubau, das gesamt Projekt auf etwa acht Millionen.
Die Opposition hingegen hielt einen Neubau des Rathauses für gar nicht notwendig, die genannten Kosten für unseriös und manipulativ. Das ganze mündete deshalb in einen Bürgerentscheid, den die oppositionellen Markträte von SPD, Bürgerliste und Freien Wählern (FW) anstrengten. Anfang Februar 2011 stimmten dann über zwei Drittel der Lappersdorfer Bürger gegen den Rathausneubau. Somit war auch das übergeordnete Konzept „Neue Mitte“ vom Tisch gefegt.
Bürgermeister Dollinger wurde in diesem Zusammenhang nicht nur privat der Lüge bezichtigt, sondern auch mit einer gegen ihn gerichteten Dienstaufsichtsbeschwerde konfrontiert. Diese blieb freilich folgenlos, alldieweil Dollinger von seiner gefügigen Marktverwaltung selbstlosen Beistand beziehen konnte und die Aufsichtsbehörde des (damals noch) ebenso CSU-geführten Landkreises gegen den seinerzeitigen Stellvertretenden Landrat Dollinger keinen nennenswerten Verfolgungseifer entwickelte.
„Bürgersaal“ als Anhängsel
Blick man auf die hitzige Debatte von Anfang 2011 zurück, fällt auf, dass der damals geplante „Bürgersaal“ ein völlig bedeutungsloses Anhängsel für die „Neue Mitte“ darstellte. In einem damaligen Flyer der CSU heißt es substanzlos und knapp: Der „Bürgersaal“ solle „die Dorfgemeinschaft weiter beleben und die Vitalität der Gemeinde erhöhen“. Der Saal wäre also bestenfalls so etwas wie ein Mitnahmeeffekt des neuen Rathauses gewesen, das die CSU und ihr Bürgermeister primär wollten.
In der Argumentation für das ebenso anvisierte neue Wirtshaus hatte sich die CSU-Mehrheit damals schon mehr bemüht: „Das historisch traditionelle Ortsbild bayerischer Dörfer, Gemeinden und Städte“ sei „seit jeher geprägt von der engen Gruppierung gemeinschaftsrelevanter Gebäude und Einrichtungen wie Kirche – Rathaus – Gasthaus – Schulhaus“, hieß es damals allerorten. Die guten alten Lappersdorfer Zeiten also.
Dieses traditionelle Ortsbild hat es jedoch nicht einmal in dem längst untergegangenen kirchlich-bäuerlichen geprägten Straßendorf gegeben, das erst in den 1970ern durch die zwangsweise Einverleibung der einstigen Gemeinden Hainsacker, Kareth, Lorenzen und Oppersdorf zum Markt Lappersdorf aufgestiegen ist. Heutzutage findet dieses stockkonservative und kleindörflich geprägte Denken bei Lappersdorfer Bürgern keine Mehrheit mehr, wie der Bürgerentscheid deutlich machte und Erich Dollinger zutiefst kränkte.
Nebenbei bemerkt: In der Wirtshausbilanz hat man durch den Bürgerentscheid weder gewonnen noch verloren. Für das in der „Neuen Mitte“ vorgesehene Wirtshaus hätte ein alteingesessenes und gut besuchtes abgerissen werden müssen.
Der Slogan von der „Neuen Mitte“ war indes immer schon hohl und falsch. Da das auserwählte Areal direkt an die Lärmschutzwand einer Umgehungsstraße und die A 93 grenzt, lässt die dort alles dominierende Autobahn nur Rand- und Ecklagen, aber keine Mittellage zu.
Nach dem für ihn desaströsen Bürgerentscheid trat Dollinger zur Bürgermeisterwahl 2014 nicht mehr an. Dem Vernehmen nach fühlte er sich von zwei Drittel seiner mündigen Bürger persönlich beleidigt. Doch auch sein CSU-Nachfolger und treuer Neue-Mitte-Gefolgsmann Joachim Strauß wurde bei der Bürgermeisterwahl 2014 abgestraft und verlor haushoch gegen den Kandidaten der Freien Wähler, Christian Hauner.
Die restlichen drei Jahre seiner mit absoluter Mehrheit ausgestatteten Amtszeit nutzte Dollinger jedoch, um zumindest eine stark abgewandelte Version seines Vorhabens umzusetzen. Für etwas, das zuvor niemand begehrte.
Kulturzentrum statt Rathaus
Wenn schon kein Rathaus und Bürgersaal in der „Neuen Mitte“, sollte zumindest ein „Kulturzentrum“ in seiner Amtszeit beschlossen und gebaut werden. Ein solches sei – abermals – unbedingt notwendig, hieß es.
Dollingers Begründung: Da die Räume der Pfarrgemeinde, der sogenannte Pfarrsaal, wegen Bauschäden und die Gemeindehalle wegen Nutzung durch den gymnasialen Schulbetrieb bald nicht mehr zur Verfügung stünden, müsse rasch Ersatz durch einen Neubau geschaffen werden. Über 400 Veranstaltungen pro Jahr bräuchten einen Ort, hieß es im gemeindlichen Mitteilungsblatt. Dollinger wolle sich ein Baudenkmal setzten, war damals in Lappersdorfs Straßen zu vernehmen.
Daraufhin beschloss der Marktrat zunächst einstimmig eine städtebauliche Bestandsaufnahme. Unter dem Motto „Zukunftsorientiertes Lappersdorf“ beauftragte man im April 2011 die Agentur für Citymanagement (CIMA) mit der Erstellung eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts. Diese Agentur unterbreitete daraufhin ihre gigantischen Vorschläge: Neben riesigen Gewerbegebieten für „Fachmarktansiedlungen“ dachte man auch über ein übergroßes Baugebiet für „Autozubehör“ und diverse Wohngebiete nach. In Sachen Bürgertreff kam die vorgelegte Studie allerdings nicht über ein Fragezeichen hinaus.
Dollinger aber leitete aus den gefälligen Vorschlägen die Notwendigkeit eines Kultur- und Begegnungszentrums ab – im Mai 2012 wurde ein solches grundsätzlich im Marktrat beschlossen.
In der Folge beauftragte der Marktrat für die konkrete Standortbestimmung des auch unter „Kulturstadel“ oder „Bürgertreff“ firmierenden Bauvorhabens den Stadtplaner und Landschaftsarchitekten Bernhard Bartsch. Dieser schlug 2012 zwei konkrete Standortvarianten für den Stadel vor, die beide direkt neben dem altbekannten Standort der abgelehnten „Neuen Mitte “ liegen. Danach gab es Gespräche mit Anwohnern. Es folgten weitere Gutachten und schließlich wurden drei Architekten für konkrete Gestaltungsvorschläge engagiert. Im September 2012 kam der Entwurf des Regensburger Architekturbüros Blasch mit geschätzten Hochbaukosten von rund 3,2 Millionen Euro zum Zuge. Die Opposition stimmte dagegen. Nachdem ein Bebauungs- und Grünordnungsplans namens „Am Anger“ aufgestellt wurde, nahm die konkrete Bauplanung Fahrt auf.
Bauen im hochwassergefährdeten Bereich
Bemerkenswerterweise weicht die von Büro Blasch letztlich gewählte und jetzt bebaute Position des Zentrums von den ursprünglich vorgeschlagenen Standortvarianten ab. Offenbar mangels stadträumlicher Alternativen positionierte man den Bau im ehemaligen Flussbett des Regen, das im Zuge des Autobahnbaus in den 1970ern verlegt wurde. Bei den letzten Überschwemmungen durch das Regen-Hochwasser war hier alles landunter. Ob die vor einigen Jahren installierten Schöpfwerke auch in Zukunft Überschwemmungen und nun ein Absaufen des Zentrums verhindern werden?
Wagemutig (und im Nachhinein völlig unverständlich) gingen die Planungen von Anfang 2013 noch von einer vollständigen Unterkellerung des Kultur- und Begegnungszentrums und einer Gesamt-Kellerfläche von etwa 500 Quadratmeter aus. Anfang des Jahres 2013 bezifferte der Architekt Manfred Blasch die Baukosten auf fünf Millionen – inklusive einer sechs Meter umfassenden Außenanlage.
Im Mai 2013 erhob sich dann im Marktrat angesichts eines fehlenden Betriebskonzepts grundsätzliche Kritik. Öffentliche Gegenstimmen wurden laut. Zugleich stellte sich heraus, dass das Grundwasser im Bau-Areal schon in einer Grabungstiefe von nur einem Meter auftaucht. Was man vorher schon wissen hätte müssen: In einem alten Flussbett kann man nicht beliebig bauen. Die geplante Unterkellerung musste deshalb weitestgehend gestrichen werden, was ortskundige Anwohner nicht verwunderte und zu Spott verleitete. Allein die Hochbaukosten des Vorhabens stiegen trotzdem auf etwa sechs Millionen. Allerdings fehlten in dieser Summe die Erschließungskosten für das Areal Am Anger, die weiteren Außen- und Parkplatzanlangen, die Zufahrten und die möglicherweise noch anfallenden 19 Prozent Mehrwertsteuer. Dazu später noch mehr.
Fehlendes Konzept
Wie schon aus der bisher geschilderten Entstehungsgeschichte ersichtlich, blieb die Lappersdorfer Verwaltung und CSU-Regierung eine sachlich stimmige Begründung für die Notwendigkeit eines Kultur- und Begegnungszentrums schuldig. Während die Hauptstoßrichtung bis zum Bürgerentscheid auf den Neubau eines Rathauses zielte, behauptete man danach vorrangig das Fehlen eines Kultur- und Begegnungszentrums und den Verlust der bisherigen Treffpunkte. Da jedoch sowohl der Pfarrsaal als auch die Gemeindehalle nach wie vor und ohne Einschränkung genutzt werden können, erscheint Dollingers Begründung von Frühjahr 2011 aus heutiger Sicht vorgeschoben. Da kein tatsächlicher Bedarf für ein Zentrum vorliegt, gibt es auch kein substanzielles Nutzungskonzept.
In der Festschrift zur Grundsteinlegung des Kultur- und Begegnungszentrums Juli 2013 spricht Dollinger von dem Zentrum, „als neue, notwendige Veranstaltungsstätte“, die die „ehrenamtliche Arbeit in den Ortsvereinen, Pfarreien, Gruppen und Verbänden erleichtern“ werde. Essentielle Bedeutung werde diesem zukommen, so Dollinger. Die Begegnungsstätte sei „für die Bürger eine Investition in den Menschen“ und „ein Treffpunkt, damit das kulturelle und gesellschaftliche Leben stattfinden“ könne. Hat ein solches Leben etwa bislang nicht stattgefunden? Werden alle bisherigen Treffpunkte wie Sportgasttäten, Gastwirtschaften, Schützenheime, Pfarrzentren etc. mit dem neuen Zentrum verwaisen werden?
Laut Festschrift sei ein Konzept für das „Bürgerzentrum“ mehrmals diskutiert worden und „ein Beispiel von aktiver Bürgerbeteiligung“. Vor Ort hingegen hört man von Anwohnern, dass ihnen ein anderes Bauwerk vorgestellt worden sei, als jetzt ausgeführt wird. Böse Wörter wie „kriminell“, „Täuschung“ und „wie beim Berliner Flughafen“ werden erbost vorgetragen und es wird auf die immensen Folgekosten hingewiesen.
Kunst und Kultur für Jung und Alt
Was immer die „Investition in den Menschen“ heißen mag, es blieb bis zur Demission Dollingers im April 2014 unklar, wer das neue Begegnungszentrum in welcher Form konkret nutzen soll. Folglich kam im Marktrat erst nach dem Amtsantritt von Bürgermeister Hauner von Mai 2014 eine Debatte über das Nutzungskonzept auf. Im September 2014 beantragte die SPD-Fraktion die Erstellung eines Konzepts für die Nutzung des Bürgertreffs.
Es müssten endlich die tatsächliche Aktivitäten der Vereine und Gruppen, des Marktes und die Art der gewerblichen Veranstaltungen festgelegt werden. Laut Marktverwaltung hatten zu diesem Zeitpunkt nur der Krieger- und Soldatenverein, die Fischerkameradschaft und der Kinderchor Bedarf für Räume und Saalnutzung angemeldet. Das war bis zu diesem Zeitpunkt alles, was von den vorausgesagten 400 Veranstaltungen übrig blieb. Darüber hinaus sollen die halbjährlichen Bürgerversammlungen, Neujahrs- und Seniorenempfänge und das monatliche Lappersdorfer Seniorenessen dort stattfinden. Das von der Gemeinde gesponserte Essen für die Senioren (eine Gefälligkeit aus Dollingers Zeiten) würde von einem örtlichen Caterer angeliefert werden.
Daraufhin legte der FW-Marktrat Heinz Findeis Ende 2014 („fast schon zu spät“) den ersten Entwurf eines Nutzungskonzept („Kunst und Kultur für Jung und Alt“) vor. Darin regte er ein Logo für das Zentrum und einen griffigeren Namen an. Anvisiert werden ferner die Vermarktung des Zentrums für Konzerte, Kongresse und Tagungen. Auf diesem Feld befinden sich die Lappersdorfer allerdings in harter Konkurrenz mit Regensburger Veranstaltungsorten, die ebenso etwa 500 Personen aufnehmen können.
Um diese Überlegungen umzusetzen, wurde Anfang 2015 eigens ein Eventmanager eingestellt, der für eine gewisse Ausnutzung des Bürgertreffs sorgen soll. Die dafür anfallenden Personalkosten von jährlich 60.000 Euro waren bislang nirgends vorgesehen – offenbar fehlte selbst die banale Erkenntnis, dass ein kommunales Kultur- und Begegnungszentrum auch geleitet und organisiert werden muss. Allerdings ist es mit einem Manager nicht getan, angedacht ist zudem ein hochqualifizierter Hausmeister, der die komplexe Haustechnik beherrschen kann und ähnlich hohe Personalkosten auslösen dürfte. Weiteres Personal vor, während und nach den Veranstaltungen ist unerlässlich – vielleicht springen hierbei aber die Markträte und der Alt-OB Dollinger auch einmal ehrenamtlich ein. Die unvermeidlichen Fixkosten für den laufenden technischen Unterhalt des Zentrums schlagen mit jährlich 160.000 Euro zu Buche – unabhängig davon, ob im Bürgertreff überhaupt irgendetwas passiert.
Kulturzentrum ohne Wirtin und Küche?
An dieser Stelle wurde ein gravierender Schwachpunkt des Bürgertreffs deutlich: Es fehlte eine Bewirtung und eine eigenständige Küche. Hielt man für die gescheiterte „Neue Mitte“ ein Wirtshaus noch für ein unverzichtbares „gemeinschaftsrelevantes Gebäude“, waren in Dollingers Kultur- und Begegnungszentrum nicht einmal Kühl- und Spülmöglichkeiten vorgesehen. Um zumindest ohne Lieferservice gekühlte oder warme Getränke konsumieren und die Gläser hinterher spülen zu können, wurde Ende 2014 beschlossen, eine Teeküche mit entsprechenden Koch-, Kühl- und Spülanlagen im Obergeschoss und eine Kühl- und Spültheke im Erdgeschoss nachzurüsten. Kostenpunkt: über 200.000 Euro netto, zzgl. Ingenieurhonorar.
An solchen kaum zu glaubenden Planungsdefiziten und konzeptionellen Leerstellen wird auch deutlich, dass der Markt Lappersdorf nicht zu den ärmsten Gemeinden sondern denen gehört, die freudig aus vollen Kassen schöpfen können.
Dennoch regt sich einiger Unmut in der Gemeinde am Regensburger Speckgürtel. Ähnlich wie bei der gescheiterten „Neue Mitte“ hört man nun von Markträten und Bürgerinnen, dass auch beim Bürgertreff Am Anger die 2011 vorgelegten Kosten von der Verwaltung absichtlich zu niedrig angesetzt worden seien.
Diese Ansicht scheint sich durch die Reaktion des langjährigen Baumamtsleiters Peter Achatz zu bestätigen. Achatz meinte angesichts gravierender Nachrüstungen im Brandschutzbereich (angeblich 300.000 Euro) im Juni 2014 gegenüber der MZ Anfang 2015 lapidar, dass man den Aufwand für Brandschutz im Bürgertreff wohl unterschätzt habe und „in der Umsetzungsphase solch großer Projekte oft Veränderungen eintreten“. Tatsächlich tritt das Phänomen der Kostenexplosion für kommunale Bauvorhaben ständig auf. Die Frage ist nur: Unvermögen, Gleichgültigkeit oder Absicht?
Nicht zuletzt wegen des ansteigenden Unmuts rief der jetzige Lappersdorfer Bürgermeister Christian Hauner (FW) laut einem MZ-Bericht von Dezember 2014 in seiner Not alle Markträte dazu auf, den Bürgertreff nach außen zukünftig nur noch positiv darzustellen. Bemerkenswert, da sich der Kulturstadel immer noch in der Rohbauphase befindet und in der bereits erwähnten Festschrift von Hauners Vorgänger über den grünen Klee gelobt wird.
Neue Mitte durch „Entmaterialisierung“
Laut dieser Festschrift soll der Gebäudetypus des Begegnungszentrums an einen „mittelalterlichen Stadel“, oder an einen Amtshof des ehemaligen Klosters St. Emmeram aus dem 13. Jahrhundert anknüpfen. Das Zentrum könne „durch seine hohe Dachform … ein markantes und identitätsstiftendes Bauwerk für die Bürger und Gäste der Marktgemeinde“ werden und seine Lichtwirkung „einladende Fernwirkung … auch in Richtung Umgehungsstraße“ erzeugen. Es sei Grundstein für ein Konzept eines sich dort „ggf. in Zukunft entwickelnden neuen Ortszentrumsbereichs (Neue Mitte)“, heißt es in der Festschrift irgendwie prophetisch. Gerade so, als ob die Neue Mitte mit dem Bürgerentscheid nicht politisch tot wäre, sondern bei der nächsten Kommunalwahl auferstünde.
Zu Recht für bemerkenswert hält die Festschrift die äußerst aufwendige gestaltete Außen- und Dachhaut des Gebäudes. Hier wählte die CSU-Regierung eine „wartungsfreie schuppenartige Belegung durch standardisierte Kupferblechelemente“, die angeblich nicht nachdunkelt. Der „gelblich warme Schimmer der kleinteiligen Blechlamellen entmaterialisiert das Gebäudevolumen“ und vermittle dem Betrachter eine „vielfältig wechselnde Anmutung des neuen Gemeinschaftsgebäudes.“ Der Bau solle schon von weitem ins Auge stechen – was er tatsächlich bereits schafft, ohne fertiggestellt zu sein.
Dies tun auch die Baumaterialien. Stahlbeton, Glas und Metallbleche sind die hauptsächlichen Baustoffe dieser Bauweise, bei der ökologische und ökonomische Überlegungen offenbar kaum eine Rolle spielten. Kleinteilige Metallblechdächer gelten nicht nur als sehr energie-, sondern auch als äußerst arbeitsintensiv. In Lappersdorf müssen allein auf dem rund 1.500 Quadratmeter großen Dach etwa 2.000 goldfarbene Kupferelemente (50x50cm) Stück für Stück spenglermäßig auf einem großflächigen metallenen Unterdach befestigt werden. Seit Monaten schon können geneigte Interessierte diese mühselige Arbeit auf dem Steildach verfolgen – aufwändiger und teurer kann man kaum bauen. Kostenpunkt allein für die güldene Dachhaut: 250.000 Euro. Wenn auch die Fassade noch mit dem goldfarbenen Blechen verkleidet ist, wird wohl eine einzigartige Blendwirkung von dem Gebäude ausgehen. Das Architektenhonorar dürfte sich übrigens vorsichtigen Schätzungen zu Folge zwischen 500.000 und 600.000 Euro bewegen.
Mehr Glanz – ohne Substanz
Laut offizieller Beschreibung fasst der knapp 550 Quadratmeter große Konzert- und Veranstaltungsaal im Erdgeschoss nicht ganz 600 Personen bei Konzertbestuhlung; er kann mehrfach untergeteilt werden und grenzt an eine erhöhte und höhenverstellbare 60 Quadratmeter große Bühne. Alles vom Feinsten.
Im Ersten Obergeschoss gibt es einen großen Gemeinschaftsraum für Vereine mit 85 und im zweiten Geschoss einen mit 35 Quadratmetern. Über Öffnungen im glänzenden Dach wird der Saal mit einer mechanischen Lüftungsanlage be- und entlüftet und gegebenenfalls unter viel Energieaufwand mit einer Kälteanlage gekühlt. Beheizt sollte das Gebäude laut Festschrift mit einer Hackschnitzel-Anlage werden, die jedoch zusammen mit der Unterkellerung gestrichen wurde. Nun soll mit Gas geheizt werden, eine wohl überlegte solare Nutzung ist nicht erkennbar. Dies ist besonders verwunderlich, da sich der Markt Lappersdorf unter Bürgermeister Dollinger mit großem Getöse ein „integriertes Klimaschutzkonzept“ auferlegt hat. Bis 2030 will man demnach den CO2-Ausstoß halbieren, 50 Prozent regenerative Energien aus regionaler Produktion einsetzen und als Markt eine „Vorbildfunktion“ einnehmen. Dies hat man beim Bürgertreff keinesfalls getan hat. Vorbildhaft wäre ein autarkes Bürgerhaus gewesen, das etwa mit Kraft-Wärme-Kopplung und Solarstrom tatsächliche Akzente hätte setzten können.
Mit einer mittelalterlichen Bauweise hat der „Kulturstadel“ mit einer Grundfläche von rund 800 und einem verglasten Foyer von etwa 250 Quadratmetern jedenfalls gar nichts zu tun. Sondern mit herrschaftlichen Protz- und gemeindlichen Prestige-Bauten. Offenbar meint man in Lappersdorf, durch Verschleudern von viel Geld könne man viel Prestige erlangen.
Wie teuer wird der Spaß?
Anfang 2015 errechnete die Marktverwaltung Baukosten in Höhe von circa acht Millionen Euro netto, das heißt ohne Mehrwertsteuer. Hinzu kommen noch die Kosten für die Erschließungsanlage „Am Anger“, für Parkplätze, Freiflächen und die Innen-Einrichtung des Bürgertreffs. Summa summarum lägen die derzeit bekannten Netto-Kosten schon über denen des einstmals in der „Neuen Mitte“ geplanten und per Bürgerentscheid verworfenen neuen Rathauses und Bürgersaals.
Ungeklärt ist bislang noch, ob der Gemeinde nicht noch weitere Ausgaben in Millionenhöhe drohen. Für den Fall nämlich, dass das Finanzamt den Bürgertreff nicht als Betrieb gewerblicher Art anerkennt, kämen zu den genannten Summen der Aufschlag von 19 Prozent Mehrwertsteuer hinzu. Dies wären weitere 1,5 Millionen Euro.
Nach einschlägigen Unterlagen ist für die Einstufung eines kommunalen Zentrums als Betrieb gewerblicher Art der nachhaltige wirtschaftliche Charakter der Nutzung entscheidend. Etwa 200 wirtschaftlich geprägte Veranstaltungen pro Jahr und eine gewerbliche Nutzung von mindestens 84 Prozent der Räumlichkeit des Bürgertreffs seien dafür notwendig. Die vielfach genannten unentgeltlichen Vereins-, Gruppen-, Verbands- und Seniorentreffen gehörten allerdings ebenso wenig zu dieser Kategorie wie gemeindliche Empfänge und Bürgerversammlungen. Mit wirtschaftlicher Ausnutzung hat die wohl schwer erreichbare steuerliche Einstufung als Betrieb gewerblicher Art jedoch nichts zu tun. Eine solche wird der Bürgertreff eh nie erreichen können, ebenso wenig wie die bald überflüssige Gemeindehalle im Ortsteil Kareth, die schon jetzt ein jährliches Defizit von bis zu 200.000 Euro verursacht.
Am Montag dem 23. März 2015, um 19:30 Uhr findet im Pfarrzentrum Mariä Himmelfahrt die erste der diesjährigen Bürgerversammlungen statt. Vermutlich wird es im Pfarrsaal, der laut Dollingers Prognose von 2011 wegen Bauschäden eigentlich nicht mehr nutzbar sein sollte, auch um die ausufernden Kosten des Lappersdorfer Bürgertreffs gehen. Man darf gespannt sein, ob die Baukosten zwischenzeitlich weiter gestiegen sind.
streiff günther
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Ich finde den Artikel toll, chronlogisch richtig und den Tatsachen
entsprechend. In meinen Augen ist der Bau Größenwahnsinn pur.
Die damaligen Einsprüche von Anwohnern wurden von Tisch gefegt
In einem von den Anwohnern geforderten Brandschutzgutachten sah das Landratsamt keine Bedenken im Falle eines Brandes. Heute
muss mit viel Aufwand und Kosten eine Notzufahrt zur Umgehungsstraße mit einem Tor selbstverständlich schallabweisend gebaut werden. Auch diese Kosten, die noch nicht beziffert sind muss dem größenwahnsinnigen Projekt noch zugeschlagen werden. Auch die Erweiterung des Parkplatzes Cafe-Hahn um ca. 80 Parkplätze auf Grund des Kulturzentrums verschweigt die CSU bei Ihrer Kostenrechnung.
joey
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“Unvermögen, Gleichgültigkeit oder Absicht?”
Unvermögen. Es gibt sehr wohl Architekten bzw Gemeinden, die ihre Baukosten einhalten – oder gleich ehrlich und sorgfältig kalkulieren.
Daß das LRA Regensburg beim Golddach alle Augen zudrückt, normale Häuslbauer aber driezt bis zum x-ten Bauantrag (oder bis zur passenden Spende), ist auch bemerkenswert. Das gibt es in anderen Landkreisen auch anders.
Selber schuld. Die Leute im Regensburger Land müssen Politik und Verwaltung einfach mehr auf die Finger schauen und klopfen, da ist schon einiges eingerissen…
Jetzt noch ein paar Tips für Lappersdorfer, die ihre Bürgerpflicht (Kontrolle ihrer Politiker) ernst nehmen:
– falsche Kostenberechnungen machen Schadenersatz: Architekten kriegen ihr Geld für Arbeit, wer die nicht gscheid macht, ist ein Abkassierer (so lange man ihn läßt). Viele “Künstler” nehmen zur Kostenberechnung einfach irgendwelche Statistikwerte und klotzen anschließend alles mit teuren Details voll. Kein Wunder…
– Brandschutzanforderungen nicht einkalkuliert… macht Schadenersatz, weil ein Architekt kompetent sein muß – wers nicht kann, der darf es nicht machen – oder er holt sich (rechtzeitig) kundige Verstärkung. Ein erfahrener Architekt hat Grundkenntnisse… wenn wieder die billigen Bachelor oder Studenten im Praxissemester die ganze Arbeit machen und der große Chef nicht einmal nachschaut… Das Brandschutzkonzept muß übrigens schon zur Genehmigung vorliegen.
– Kostensteigerungen: Architekten sind keine Hellseher. Wenn der Bauherr nachträglich noch tausend Extrawünsche hat, kann er nichts dafür. Er muß aber sagen, daß bzw was Extras kosten, der Gemeinderat muß sich regelmäßig informieren und seine Kontrollpflicht ausüben. “Jetzt kosts halt doppelt so viel und noch mehr” darf nicht ohne gesonderte Beauftragung durch den Gemeinderat geschehen. Auch Gemeinderäte haben eine Haftung, nach den Sitzungsprotokollen ist nachlesbar, wer wofür war.
Die beste Kontrolle der Politik ist eine echte Opposition, unterstützt durch eine freie Presse – Danke Regensburg Digital! Licht bringt Sauberkeit – und manche Vorgänge scheuen das Licht…
Anwohner
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@joey: Vielen Dank für ihre Tipps.
Viele “Lappersdorfer, die ihre Bürgerpflicht … ernst nehmen” hätten sonst nicht gewusst wie es weitergehen soll.
HUPS
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Bravo RD!
Tiefschwarz war die fette Mehrheit im Gemeinderat, die das durchdrückte. Sie wurde sensationell abgewählt, auch weil sie den Bürgerentscheidung gegen die Neue Mitte nicht ernst genommen hatte.
In Regensburg könnte Ähnliches passieren: Ein (Ober-)Bürgermeister will zwanghaft weitere Veranstaltungssäle und verliert einen (weiteren) Bürgerentscheid (zum RKK). Verdienstvolle Gemeinderäte, die für das Kultuzentrum stimmten, verlieren daraufhin unerwartet bei der nächsten (Stadtrats-)Wahl ….
Geschichte wiederholt sich nicht?
Herbert D.
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Die Lappersdorf CSU-Ortsverbände haben in diesem Februar ein Hochglanz-Verschwender-Flugblatt verteilt, in dem der jetzigen Markt-Führung unter BgM Hauner (Koalition aus FW, SPD, Grüne und BL) viel zu hohe Ausgaben und Schulden vorgeworfen werden. Unter CSU/Dollinger sei zuvor alles bestens gewesen. Diese hohen Schulden haben aber lt. CSU nix mit dem BÜRGERTREFF zu tun, da die entsprechenden Baukosten nur um 1,15 % gestiegen seien und eine Steigerung mit gutem Willen ganz vermieden werden könne.
Wie nennt man so etwas: Heuchelei, Lüge oder politischen Alzheimer? Den Vorschlag, dass Dollinger und Markträte ehrenamtlich Gläserspülen sollen, finde ich toll!
Lothgaßler
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Wie, das ist gar kein Gold, das da glänzt? Jetzt bin ich aber enttäuscht! Macht nix, Kupfer wird auch geklaut.
Einen passenden Namensvorschlag für das Gebäude hätte ich aber schon noch: “Domus Aurea” (lateinisch für das “Goldene Haus”). Das antike Vorbild schuf Römer-Kaiser Nero.
Der Bau ist schon aberwitzig, erinnert an altehrwürdige Vorbilder: Schildbürger!
Leider wird die Frage nach Verantwortung wieder einmal ins Leere laufen. Die politischen Gremien haben es wohl den Gesetzen nach regulär in die Wege geleitet. Kein privater Bauherr hätte so etwas gebaut. Nur überforderte Politiker und überforderte Verwaltungsbeamte bringen so etwas zu Wege. Nicht wirklich zu wissen, was alles in dem Bau veranstaltet werden soll, und zum späteren Betrieb des Baus auch noch hauptamtliches Personal anzustellen, das ist ein Kracher für sich. Hoffentlich ergattern Politikerkinder diese Jobs.
Wir Regensburger haben auch unsere Sündenfälle (Stadion, Schlachthof/ Marina Quartier), aber ein goldenes Dach haben wir nicht. Mich packt der Neid. Das neue Fußballstadion (braucht außer dem SSV auch keiner) in Gold, das wärs gewesen.
W.R.
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Man hat es “versäumt, … den Bedarf und die vorgesehenen Verwendungen schlüssig zu begründen, alternative Unterbringungsmöglichkeiten zu eruieren, Wirtschaftlichkeitsvergleiche anzustellen, konkrete Betriebskonzepte zu entwickeln, die Gesamtkosten der Maßnahme sorgfältig zu ermitteln und den Haushaltsausschuss über die Notwendigkeit, die Wirtschaftlichkeit und die tatsächlichen Kosten ausreichend zu informieren.”
So rügt der ORH den Finanzamt-Neubau in Höchststädt (SZ von heute). Dies Mängel gelten exakt auch für den Lappersdorfer Bürgertreff!
Dollinger hat mehrfach vorgeschlagen, dass er mit seinen vielfältigen Erfahrungen die Fertigstellung des Bürgertreffs als ehrenamtlicher Pate begleitet. Kaum zu glauben, aber ernst gemeint!
In Meinen Augen wurde/wird in Lappersdorf öffentliches Geld veruntreut und Amtsmissbrauch betrieben.
Andre
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Ich würde unseren – Gott sei Dank – ehemaligen Bürgermeister die Kosten von seiner Pension abziehen. Es ist eine Schande was dieser Mann alles in seiner Amtsperiode gemacht hat. Er hat nichts für die Bürger erreicht – stattdessen muss er sich einen Abgang mit diesem Prunkbau auf Bürgerkosten versüßen. Hierbei handelt es sich um einen klaren Amtsmissbrauch des Bürgermeisters.
„Ein Projekt, das seinesgleichen sucht“ » Regensburg Digital
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