29 Mrz2008
Kunstkammer Hammer
Galerie Hammer –Ein Ausflug ins Regensburger Beauvoir-Zentrum.
Es hat sich längst herumgesprochen und erst jüngst widmete „Der Spiegel“ der Tatsache zwei Seiten, und es gehört fast schon ins Kunst-Regensburg wie Donauschule und „Ostdeutsche“ – das künstlerische Vermächtnis von Hélène de Beauvoir, das in der Galerie Hammer in der Unteren Bachgasse 6 verwaltet und gepflegt wird. Galerist Ludwig Hammer selbst freundete sich mit der Künstlerin 1970 auf einer Schiffspassage an. Gegenseitige Wertschätzung und häufige Besuche ließen eine innige Galeristen-Künstler-Beziehung reifen. Bis das umfangreiche Werk jedoch in Regensburg ankommt, sollten noch viele Jahre und ein erbitterter Juristen-Streit um Ölbilder, Aquarelle und Stiche vergehen.
Seit Ostern gibt es neben dem reizvollen und äußerst vielfältigen Oeuvre der „kleinen“ Schwester von Simone de Beauvoir, auch Arbeiten ihres Freundes, Mentors und ideellen Lehrmeisters Pablo Picasso zu sehen (und zu kaufen). Einige wenige Blätter nur, aber Lithografien und Zeichnungen, die nicht nur eine rentablen Anlage, sondern auch kunstgeschichtliche Kabinettstücke darstellen. Die wenigen wertvollen Picasso-Blätter runden die ständige (und ständig wechselnde) Beauvoir-Ausstellung ab, es lassen sich Parallelen ziehen und Vergleiche anstellen, Einflüsse und Beeinflussungen werden deutlich.
Am 5. Juli 2001 stirbt die 1910 geborene Künstlerin. Sie überlässt Ludwig Hammer die erste Wahl aus ihrem künstlerischen Lebenswerk, ein Gemälde vermacht sie testamentarisch dem Museum der Stadt Regensburg. 2004 gibt es die erste große Beauvoir-Retrospektive in Regensburg, die Fachwelt wird langsam aufmerksam auf die große Künstlerin, die sich erst nach dem Tode aus dem Schatten ihrer Schwester, der engagierten Frauenrechtlerin und Philosophin Simone de Beauvoir löst. Zeitlebens hatten die Schwestern ein gutes Verhältnis, wenngleich Simone der Meinung war, eine Frau solle nicht in ein Atelier zurückgezogen arbeiten. Umso erstaunlicher ist, dass die ältere Schwester Hélènes beste Interpretin wurde. Auch Sartre, Simones Kumpan und Gefährte, schätzte Hélènes Kunst hoch. Zeit ihres Lebens galt die bildnerisch tätige Beauvoir als hervorragende Künstlerin, als Malerin und Zeichnerin ersten Ranges. Mit 20 Jahren hat sie bereits ein eigenes Atelier, damals eine Sensation. Ausstellungen in den ersten Galerien weltweit mehren ihren Ruf, mit den Großen der Kunst steht sie in Kontakt.
Das Werk der Malerin zu kategorisieren, ist ein schwieriges Unterfangen. Stets verweigerte sich Hélène vorherrschenden Richtungen oder Strömungen. Spätimpressionismus, Expressionismus, Kubismus – in keine dieser „Schubladen“ lassen sich Stiche, Ölbilder und Aquarelle der Beauvoir einordnen. Sie selbst änderte Maltechnik und Motive sehr häufig, bewusst, um sich abzugrenzen, um sich nicht kategorisieren zu lassen, um sich nie selbst zu kopieren. In diesem Punkt ist sie ihrer Schwester letztlich doch sehr ähnlich, mochte die Ältere die Jüngere auch rügen, dass sie gern und gut kochte und eine stabile und harmonische Beziehung führte, Betonung auf eine Beziehung! Es sind die pastosen Töne, die in Beauvoirs Bildern vorherrschend, viel Rosa, viel Blau. Figurativ, dann hemmungslos verspielt floral, Arabesken aus Farben auf weißgrundigem Horizont. Eine sehr weibliche Malweise, in allen Techniken versiert, virtuos in der Komposition. Am schönsten beschreibt aber Hélènes Kunst die Schwester selbst: „…Ein Bild ist für Hélène eben nicht nur ein Akkord harmonischer Farben, der zum Komfort des Mobiliars beiträgt. Es stellt vielmehr so etwas wie ein Fenster dar, das den Blick ins Imaginäre öffnet.“
Ein Problem, das keines ist, oder zumindest keines sein sollte: In der Galerie Hammer sind die Beauvoir-Bilder in geradezu inflationärer Fülle vertreten. Leicht kommt die Anmutung auf, Hélène de Beauvoir sei eine Viel-Malerin gewesen, wenig wählerisch mit Sujets und Motiven. Weit gefehlt. Fast ein ganzes Jahrhundert hindurch war die Künstlerin kreativ, sie schuf über mehrere Epochen hindurch ihr ureigenes und umfangreiches Werk. Welche Kostbarkeiten, welch dekoratives und welch reiches Kunstschaffen sich in der Galerie Hammer im wahrsten Sinn des Wortes stapelt, lässt sich nur für den ermessen, der sich die Mühe macht, Blätter, Gemälde und Stiche in Ruhe und in Muße zu studieren und auf sich wirken zu lassen.
Dass in Deutschland eine gründliche und ernsthafte Beauvoir-Rezeption gerade erst einsetzt, zeigt sich daran, dass im letzten Jahr Galerist Hammer viele Beauvoirs zu einer umfassenden Schau nach Erlangen auslieh. Im Moment haben sich die Bestände in der liebenswerten „Kunstkammer“ Hammer wieder gelichtet, zwei Ausstellungen in Berlin, eine im Französischen Institut Berlin und eine in der legendären Fasanen Galerie, zeigen dem hauptstädtischen Publikum die Regensburger Schätze. Und so schafft die Beauvoir Platz für hervorragende Blätter des Großen der Moderne, Picasso, und räumt ein prominentes Plätzchen frei für einen hinreißenden Matisse. Wenn auch nur auf Zeit.