Kulturkericht im Sommerloch
Es ist schon da, das Sommerloch: Kultur kann einem gestohlen bleiben, wenn die Sonne brennt. Die eine Hälfte des potenziellen Kulturpublikums bleibt lieber zu Hause im kühlen Altbau, ein Viertel sitzt an der Donau und zerwirft Bierflaschen (das kehre ICH nicht weg!) und das letzte Viertel ist zumindest geistig bereits in Urlaub.
Ein paar Ausnahmen gibt es aber dennoch, und so kann man auch in dieser Woche ein bisschen Kulturkericht aufhäufeln.
con_Temporary im Degginger: Kurz und schmerzlos
Nachdem ursprünglich eine vierwöchige Zwischennutzung geplant und diese dann zunächst ohne Angabe näherer Gründe abgesagt worden war, ist jetzt klar: con_Temporary, die Regensburger Initiative zur kulturellen Zwischennutzung leerstehender Räume, darf doch ins Deggingerhaus (ehemals KARE). Für zwei Tage – am 24. und 25. Juli – wird das Erdgeschoss des gerade in Renovierung befindlichen Gebäudes künstlerisch bespielt.
In einer Pressemitteilung der Stadt heißt es, dies sei „den Bemühungen von Oberbürgermeister Joachim Wolbergs“ zu verdanken. Man sei auf das „bunte Wochenende der Zwischennutzung“ gespannt, bevor das Erdgeschoss des Deggingerhauses in der Wahlenstraße ab Herbst zum „Möglichkeitsraum“ der Kultur- und Kreativwirtschaft in Regensburg werde.
Ein konkretes Programm für die zwei con_Temporary-Tage im Juli gibt es derzeit noch nicht. Die Organisatoren versprechen aber „Bands, Lesungen, Performance, Ausstellung und andere schräge Ideen“. Wer mitmachen möchte, kann sich unter contemporaryrgb@gmail.com melden.
Hochsommerliche Friedelei: Die Betonköpferei geht in die nächste Runde
In der Causa „Betonkepf“ bleibt Künstler Jakob Friedl am Ball. Nachdem er vor einigen Wochen aus Beton gearbeitete Köpfe im Dachauplatzbrunnen festgekettet hatte, um Werbung für eine Ausstellungsidee zu machen, musste er diese unter Aufsicht des Gartenamtes schon kurz darauf wieder entfernen. Obwohl zunächst befürchtet, stellte ihm das Amt im Nachgang an seine Nacht-und-Nebel-Aktion keine Kosten für entstandenen Aufwand in Rechnung.
Seine geplante Ausstellung am Dachauplatz wurde ihm dennoch nicht genehmigt. Und auch ein erneuter Antrag bei der Stadt scheiterte jetzt. Neben Sicherheitsbedenken führt das Gartenamt vor allem frühere Kooperationen mit Friedl, die stets sehr „betreuungsintensiv“ gewesen seien, als Begründung ins Feld.
„Fest, kein Festival“: Jazz am Wochenende
Wem nach Blue Notes ist, der kann sich dieses Wochenende auf dem Bayerischen Jazzweekend austoben, welches bis Sonntag in der Altstadt stattfindet. Mit internationalen, aber auch regionalen Acts und einer großen stilistischen Bandbreite ist hier auch für den nicht ganz so eingehörten Jazzsympathisanten bestimmt etwas dabei. Die Bestrebungen der Stadt, der Veranstaltung den Event-Charakter zu nehmen und sie durch eine Vielzahl von Spielstätten und Partnern zu einem Fest statt einem Festival zu machen, mögen vorgeschoben erscheinen. Sie sind jedoch allemal begrüßenswert.
Apropos Jazz, ein kleines Happy End zum Schluss: Nachdem es im Mai noch Knatsch gegeben hatte, wurden dem MUSIKKULT Regensburg und dem Kneitinger Keller am Galgenberg nun geplante Musikveranstaltungen (neben Konzerten auch Jam-Sessions) vom Ordnungsamt genehmigt.
Reverend Miller
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Ist typisch! Regensburg liebt die Kultur der großen Ankündigungen. Ohne Einblick in die Degginger-Sache zu haben, war klar, dass das kein Zwischennutzungs-Monster wird. Ab Herbst sucht man dann einen solventen Mieter, also IT Start up oder Architekturbüro, oder Kaffeeladen mit Bildern. Es macht auch nichts, weil “Bands…Ausstellungen und andere schräge Ideen” ungefähr so gefährlich klingt wie solidarisches Zähneputzen neben dem Weihnachtsmarkt. Der einzige, der nichts ankündigen und sich von den Medien feiern lassen darf, ist Friedl. Betreuungsintensiv bedeutet hier z.B. legal ausgestellte Kunstwerke nach einer Verweildauer von mehreren Jahren kurzerhand zu shreddern. Jakob Friedl hat sich im Laufe der Zeit nicht blamiert, er hat sich entrechtet, und wird beim Thema künstlerischer Wettbewerb zur Gestaltung des Dachauplatzbrunnens nicht nur ausgeschlossen, wie es von den Seilschaften zu erwarten ist, sondern gezielt desinformiert. Es lässt sich ahnen, dass man sich Friedl vom Leib hält, da er den Frieden stören könnte, den Frieden den man hat, wenn die Gewinner eines Wettbewerbes feststehen, der noch nicht mal ausgelobt ist. Genauso wie die Mieter des Deggingerhauses feststehen, während man noch ein bischen mit den Hipstern schmust. Bitte korrigiert mich!
Radlertölpel
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Eins vorweg,
ich bringe einen mobilen Modellierstand zum Jazzweekend mit.
ihr findet mich da wo die Musik spielt. (Orientiert Euch am Jazz-Programm)
Alle die Lust haben können spontan an 2-3 Kep`f modelieren oder bei einem Ortswechsel tragen helfen.
Wir Kep´feln mit ständig wechselnden Modellen und mit Würde.
(nicht mit hätte oder wäre wenn oder würde nicht)
Am Di, den 14.7. bei der Pressekonferenz gibt es dann um 17 Uhr eine kleine Ortsbegehung rund um den Dachauplatzbrunnen und zwischen 16 und 18 Uhr die Gelegenheit gemeinsam einen einzigen weiteren Kopf zu modellieren… und wie schon beim Jazzweekend uns das Kepfeln zu lernen.
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Nun zum Artikel: Kepf rein, Kepf raus, und aus und ein….
über die Inhalte der Kunstaktion und des vielschichtigen Groß-Kunstwerks und die wechselseitigen Argumente recherchieren kann ja jede/r selbst:
http://europabrunnendeckel.de/?p=3028#dachauplatzbrunnen
Übrigens bei der Installation handelt es sich auch um die skulpturale Umsetzung dieses Plakats von 2012 mit dem alles begann: http://europabrunnendeckel.de/download/buz/KEPFzeichnen800.jpg
Die Koalition tastet die Oppositions-DNA ab, bzw, fräßt sie an.
“Wie gefährlich kann figürliche Bildhauerei sein?” Ein Konzept???
zum Behördenkram:
“Betreungsintensiv” , das ist kein schönes Stigma.
Gemeint ist die vom Gartenamt unangemeldet geschredderte Baumskulptur…
Das soll vermutlich einfach nur weht tun, weil es so falsch ist.
http://jakob-friedl.de/?p=564
Die Mitarbeiter des Gartenamts, die konstruktive Anträge manchmal auf Biegen und Brechen ablehnen müssen sind nicht zu beneiden.
helga hanusa
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„Kepf“ im Brunnen am Dachauplatz
Soll der Dachauplatz nur „schöner“ werden? Jakob Friedl brachte mit seiner Kunstinstallation überhaupt erst die Diskussion und Forderung nach einem öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb für die Gestaltung des Dachauplatz in Gang.
Die Ablehnung der Stadt gegen eine nochmalige temporäre Ausstellung der „Kepf im Brunnen“ sind unhaltbar. Während der „blauen Nacht“ der REWAG tanzten gut gelaunte Besucher ungestört im Brunnen des Stadtparks! Hier gab es offensichtlich keine Bedenken, die Musikbühne vor dem Brunnen nicht zuzulassen, weil vielleicht was passieren könnte.
Mit dem Dachauplatz, zuvor Moltkeplatz, als historischem Ort sind die Morde am 23. /24. April 1945 nach der Frauendemonstration, wenige Tage vor der Befreiung, verbunden.
Dieser Platz, damals mitten im ehemaligen NS-Machtzentrum gelegen, umgeben von der Gestapozentrale im Minoritenweg, der NSDAP Kreisleitung (heute IHK) und begrenzt vom NS-Rathaus (heute Neues Rathaus) wurde nach 1945 nicht zufällig in Dachauplatz umbenannt.
Mit Dachau verbindet sich der Beginn der systematischen Verfolgung und Ausschaltung der politischen Gegner des NS-Regimes. Das gilt auch für Regensburg.
Im Zusammenwirken mit der Gestapo in Regensburg wurden Menschen in der gesamten Region, die sich nicht an die “Ordnung” der Naziherrschaft hielten oder ihr gar Widerstand entgegensetzten, erniedrigt, gequält, verfolgt, vernichtet.
Zum Beispiel: Von den inhaftierten Regensburger Nazigegnern wurden im Juli 1933
200 ins KZ Dachau überstellt. Viele jüdische Bürger wurden nach dem Novemberprogrom 1938 dort inhaftiert.
Mit der Ausschaltung des politischen Widerstands, wie im KZ Dachau begonnen, ebneten sich die gerade an die Macht gebrachten Eliten den Weg in den Raub- und Vernichtungskrieg und in den Holocaust.
“Die SS-Männer, die einige Jahre später den millionenfachen Mord mit Giftgas durchführten, lernten zuerst im Konzentrationslager Dachau, anders denkende Menschen als minderwertig zu betrachten und sie kaltblütig zu ermorden. Die Umsetzung der nationalsozialistischen Theorien in blutige Realität nahm im Konzentrationslager Dachau ihren Anfang”, so der Historiker Prof. Wolfgang Benz und die ehemalige Leiterin der Dachauer KZ-Gedenkstätte, Barbara Distel.
Heute, 82 Jahre nach der Errichtung des KZ Dachau und 70 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg, ist dieser oben beschriebene Zusammenhang im Gedächtnis kaum mehr da.
Ein eingeschränkter, kleiner Wettbewerb ist nicht geeignet, diesen Prozess umzukehren. Woher sollen Gestaltungsideen und Bewusstsein in der Stadtgesellschaft für den Dachauplatz kommen?
Die verstörenden “Kepf” erinnern an Opfer, die im Brunnen versunken sind und mit ihnen die Erinnerung.
Sie sollen nochmal gezeigt werden, um eine notwendige öffentliche Aufklärung und Debatte anzuregen.
Lothgaßler
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Und ich dachte der Burgweintinger Biber ist “betreuungsintensiv”, derweil ist es der Burgweintinger Friedl! Ich versteh erhrlich gesagt nicht, weshalb socherlei temporäre Aktionen nicht möglich sein sollen. Womöglich muss ein Bier- und Bratwurststand daneben stehen, sonst ist es keine durch die Stadt tolerierbare Kulturveranstaltung. Friedl braucht eine Bühne, also lasst ihn machen!
Radlertölpel
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offener Brief an die Stadträte:
http://jakob-friedl.de/download/Dachauplatzbrunnen_offener_Brief_14_7_2015.pdf
….
Durch die Kunst-Installation im Brunnen könnte schon im Vorfeld <> eine breitere Öffentlichkeit auf das historische Geschehen am Dachauplatz und allgemeiner auf das notwendige Gedenken an die Opfer das Nationalsozialismus aufmerksam gemacht und, so sensibilisiert, für eine interessierte Anteilnahme an der Neugestaltung des Platzes motiviert werden….