Krankenhaus Kelheim: Die Geschäftsführerin ist plötzlich weg
Es scheint eine äußerst kurzfristige Entscheidung gewesen zu sein. Am Mittwoch wurde die Belegschaft des Caritas-Krankenhauses St. Lukas darüber informiert, dass die Geschäftsführung „neu aufgestellt“ wird. Sabine Hehn, die von dem Bayereuther Beratungsunternehmen Oberender nach Kelheim kam, ist weg. Eine Nachfolge gibt es noch nicht.
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Caritas-Direktor Michael Weißmann, der neue Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Prokop, Geschäftsführerin Sabine Hehn, Landrat Martin Neumeyer und Jan Hacker, Vorstand der Oberender AG, im Sommer 2022 nach der Übernahme des Krankenhauses durch die Caritas und Oberender. Foto: pm/Hans-Christian Wagner
Mangelnde Konzepte und hohe finanzielle Risiken. Keine belastbare Prognose für die wirtschaftliche Entwicklung. Ein überhöhtes Grundhonorar für die Geschäftsführung von 528.000 Euro netto. Freihändige Vergabe von Leistungen ohne Ausschreibung.
Es sind nur einige, längst nicht alle Kritikpunkte, die der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz 2019 in seinem Jahresbericht mit Blick auf ein Beratungs- und Geschäftsführungsmandat für eine Krankenhaus-GmbH der Universitätsmedizin in Ingelheim monierte. Inne hatte dieses Mandat damals das Beratungsunternehmen Oberender AG, Geschäftsführerin in Ingelheim war Sabine Hehn. Seit Juli 2022 bekleidet Hehn deselben Posten beim Caritas-Krankenhauses St. Lukas in Kelheim, bzw. bekleidete.
Kurzfristige Entscheidung: Prokuristin führt vorerst die Geschäfte
Irgendetwas scheint nämlich in Kelheim vorgefallen zu sein. Am gestrigen Mittwoch informierte man die Beschäftigten des Kreiskrankenhauses per Rundschreiben darüber, dass Sabine Hehn ab sofort nicht mehr für die Geschäftsführung zuständig ist. Die Entscheidung fiel offenbar sehr kurzfristig, denn eine Nachfolgerin gibt es noch nicht.
Über die Gründe für Hehns plötzlichen Abgang schweigt sich die Caritas gegenüber den Beschäftigten wie auch gegenüber unserer Redaktion aus. Es heißt lediglich, die Geschäftsführung werde „neu aufgestellt“. „Bis zur Nachbesetzung der Stelle wird die Prokuristin die Geschäfte weiterführen.“
„Strategischen Partnerschaft“: Caritas hat das Sagen, Oberender führt die Geschäfte, der Landkreis zahlt
Unsere Redaktion hat mehrfach über das fragwürdige Konzept berichtet, mit dem der Landkreis Kelheim sein defizitäres Krankenhaus, ehemals Goldberg-Klinik, zu retten versucht. Im Rahmen einer „strategischen Partnerschaft“ hatte der Caritasverband Regensburg vor knapp drei Jahren für einen symbolischen Euro die Mehrheit und die wesentlichen Entscheidungsbefugnisse an dem Haus übernommen.
Der Ausgleich des jährlichen Defizits, von Zinsen und Tilgung blieb hingegen in voller Höhe beim Landkreis hängen. In den Jahren 2023 und 2024 waren das alles in allem jeweils rund zehn Millionen Euro. Das ist mehr, als den Kelheimer Kreisräten bei einer Präsentation am 18. Januar 2022 noch von der Oberender AG prognostiziert worden war, als die Entscheidung in Rekordgeschwindigkeit durch das Gremium gepeitscht wurde (die Sitzungsunterlagen von damals als PDF).
Das Bayreuther Beratungsunternehmen saß bei der Caritas von Anfang an mit im Boot – ungeachtet der Kritik, die Oberender im Rahmen von Mandaten andernorts immer wieder auf sich gezogen hatte, nicht nur in Ingelheim. Oberender ist kein reines Beratungsunternehmen, sondern bietet auch das komplette Management von Krankenhäusern an und zählt „Mergers &Acquisitions“, also auch den Kauf und Verkauf von Kliniken, zu seinen Geschäftsfeldern – eine Kombination, die zumindest einen Interessenskonflikt in Bezug auf eine unabhängige Beratung darstellen dürfte.
Bei einem Gutteil der Aufträge, die Oberender in den letzten Jahren von Kliniken in kommunaler oder freier Trägerschaft an Land gezogen hatte, wurde das Vertragsverhältnis augenscheinlich vorzeitig beendet (mehr darüber).
Ein „Zukunftskonzept“, das nicht eingehalten wurde
Folgt man der erwähnten Präsentation im Kelheimer Kreistag vom Januar 2022 stammen von Oberender nicht nur die wirtschaftlichen Prognosen für die Jahre 2022 bis 2032, sondern auch das medizinische Konzept, mit dem das Kelheimer Krankenhaus zukunftsfähig gemacht werden sollte.
Zentrale Säulen dieses Konzepts: Urologie und Geriatrie sollten als neue Leistungsbereiche nach Kelheim kommen, um die Belegzahlen zu erhöhen. Außerdem sollte ein externer chirurgischer Leistungsanbieter angesiedelt werden, um die Zahl der Patienten zu steigern.
Stand heute wurde keine dieser Erwartungen erfüllt. Die geplante Aufwertung des Krankenhauses durch die Urologie ist nicht erfolgt. Eine geriatrische Abteilung in der versprochenen Form existiert nicht. Und die Zahlen des externen chirurgischen Leistungsanbieters, des Sportpaedicums, brachen zuletzt in Kelheim ein, weil ein Großteil der Operationen derzeit in Regensburg stattfindet. Bereits 2022, als wir das Oberender-Konzept mehreren Experten vorgelegt hatten, fällten diese ein vernichtendes Urteil. Das scheint sich nun zu bewahrheiten.
Viele Fragen, keine Antworten
Bereits im Juli letztes Jahr hat unsere Redaktion sowohl Geschäftsführerin Sabine Hehn, den Landkreis und die Caritas mit einem umfangreichen Fragenkatalog konfrontiert. Zu den Themen Geriatrie, Urologie und orthopädische Operationen, zur personellen und finanziellen Situation.
Wir wollten wissen, welche Beratungsleistungen das Caritas-Krankenhaus St. Lukas in Anspruch genommen hat und durch wen, ob diese Leistungen ausgeschrieben wurden und wie viel davon gegebenenfalls an die Oberender AG vergeben wurde.
Als Antwort schickte Sabine Hehn uns damals sechs Sätze, ohne konkrete Zahlen und ohne konkret auf unsere Fragen einzugehen:
„Das Caritas-Krankenhaus St. Lukas entwickelt sich erfreulich gut und konnte insbesondere im letzten Jahr 2023 mit den ersten Leistungssteigerungen nach der Pandemie aufwarten, welche sich insgesamt positiv auf die Geschäftsentwicklung und auf das zu Beginn des Jahres 2023 prognostizierte Defizit auswirkte. Vergleiche zwischen dem Geschäftsjahr 2023 zum Referenzjahr 2019 zeigen klar, dass unser Krankenhaus noch nicht ganz die Leistungszahlen vor der Pandemie erreicht haben, jedoch bei der Personalentwicklung deutlich zum Personalaufkommen 2019 zugenommen hat. Gerade die Kooperation im Caritasverbund zeigt eine klare Stärkung des Standortes in Kelheim und wird auch zukünftig von Bedeutung sein.
Wir als Krankenhaus haben – auch vor dem Hintergrund des immer weniger vorhandenen Fachpersonals – großes Interesse eigenes Fachpersonal auszubilden; durchschnittlich sind bei uns 45 Auszubildende aus verschiedensten Bereichen sowie Ärzte in Weiterbildung, Personal in Weiterbildung zu einer Zusatzqualifizierung, PJler und Praktikanten im Einsatz. Zudem stärken und unterstützen wir unsere Mitarbeitenden bei dem Erwerb von Zusatzqualifikationen. Die Kooperation mit dem UKR wird aktiv gelebt und beidseitig unterstützt.“
Aufsichtsrat eines Kreiskrankenhauses lässt Frankfurter PR-Agentur antworten
Wir haben uns anschließend an die zwölf Mitglieder des Aufsichtsrats gewandt, besetzt mit Mitglieder des Kreistages und Vertretern der Caritas. Dabei verwiesen wir ausdrücklich auch auf die Kritik des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz an der Geschäftsführung durch Oberender bzw. Sabine Hehn in Ingelheim und auf mögliche Parallelen zur Situation in Kelheim und baten erneut um aussagekräftige Antworten.
Geantwortet wurde anschließend durch eine Frankfurter PR-Agentur, die man sich in Kelheim offenbar für ein Kreiskrankenhaus leistet. Dieses Mal waren es fünf Sätze ohne nennenswerten Inhalt:
„Danke für Ihre Nachfragen und Ihr grundsätzliches Interesse an der Gesundheitsvorsorge im Landkreis Kelheim. Alle Beteiligten arbeiten derzeit engagiert daran, den Menschen in unserer Region auch künftig die bestmögliche medizinische Versorgung zu bieten. Dabei bewegen wir uns am Standort Kelheim, wie jedes andere Krankenhaus in Deutschland auch, innerhalb der, vor allem bundespolitischen Rahmenbedingungen, die aktuell unsererseits als sehr schwierig eingeschätzt werden. Trotzdem ist es uns in den letzten zwei Jahren gelungen viele Dinge zum Positiven zu entwickeln – nicht zuletzt dank der Geschäftsführung. Den Vergleich mit der damaligen Entwicklung im Krankenhaus Ingelheim sehen wir als irreführend an. Gerne informieren wir Sie, sollte es zukünftig zu Veränderungen im medizinischen Leistungsportfolio des Caritas-Krankenhaus St. Lukas kommen, und verbleiben mit freundlichen Grüßen.“
Einen Vergleich zur Situation in Ingelheim bezeichneten die externen PR-Berater als „irreführend“.
Kommt der nächste Oberender?
Unklar bleibt nun, wie es in Kelheim weitergeht und wer zukünftig die Geschäftsführung am Caritras-Krankenhaus St. Lukas übernehmen wird. Die Frage, ob hier nach dem Aus für Sabine Hehn erneut die Oberender AG zum Zuge kommen wird, beantwortet der Pressesprecher der Caritas nicht. Ob es ein neues, realistisches Zukunftskonzept gibt, bleibt unklar.
Der Landkreis Kelheim sagt zu alledem nichts und verweist auf die Caritas. Die schafft an – und die öffentliche Hand zahlt.
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Pecunia vobiscum
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“Die Kirche schafft an, der Staat zahlt.”
Never change a running system, Amen.
Martin Ganslmeier
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Dies wäre jetzt die Gelegenheit, im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Veruntreuungen, die sich wohl die Caritas zuzurechnen lassen muss, den Vertrag zwischen Landkreis und Caritas vorzeitig, außerordentlich zu kündigen und ggf. Schadensersatz einzufordern.
Dieser Vertrag war wohl von Anfang an zum Scheitern verurteilt, denn die Einsetzung einer Trägerschaft ohne wirtschaftliche Verantwortung und Ziele würde die wirtschaftlichen Probleme nicht lösen. Sich von “Versprechen” eines Sozialkonzerns der moralisch bankrotten kath. Kirche blenden zu lassen, war wohl etwas naiv.
Dr Wolfgang Kolbinger
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Weiter so. Das Dilemma war absehbar. Unser Landrat und die große Mehrheit des Kreistages haben damals unser Krankenhaus sehenden Auges näher an den Abgrund geschoben und weisen jetzt jegliche Verantwortung zurück. Kelheim zahlt einen hohen Preis und andere schaffen an.
Günther Herzig
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Ob das die Legitimation, von wem oder was auch immer, stärkt, wenn ein Richter, Clemens Prokop, dabei ist? Er wurde vom Caritasverband entsandt, was sicher schon vorher ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzte. Ich erinnere mich an Berichterstattung, dass schlagartig Schluss war mit der Beratung schwangerer Frauen. Das wurde doch sicher von der katholischen Kirche durchgesetzt?
Martina Paulus
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Wieviele Köpfe mussten in der Amtszeit von Sabine Hehn rollen? Alles engagierte Mitarbeiter, die sich viele Jahre zuvor mit der Goldberg Klinik identifizierten zum Wohle der heimischen Bevölkerung.
Schon wieder und viel zu lange haben die Verantwortlichen der kirchlichen Trägerschaft
zugesehen. – Nicht zu fassen-
Andreas Schwanke
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Scheint, die Sache hat noch mehr Facetten – an einem Tag die Geschäftsführerin weg, am nächsten Tag die OPs geschlossen… Da hat wohl jemand was “übersehen”. Na, ich bin gespannt, was da noch rauskommt. Schaut dann aber auch weder für die Caritas noch für die Landkreisführung gut aus. Mir tun nur die Mitarbeiter leid (nicht nur in Kelheim, sondern auch in Mainburg). Da scheint ja einiges nicht bestens organisiert gewesen zu sein – wenn man die aktuell laufenden Prozesse auch mit berücksichtigt.