Koalitionskrach um Investition in „inspirierenden Ort“
Gegen die Stimmen der Rest-Koalition hat die Oberbürgermeisterin mit ihrer SPD und der Opposition ein Künstlerprojekt im Wiedamann-Haus durch den Kulturausschuss gebracht. Der Regensburger CSU-Chef spricht von „herumschwanzeln um einen Investor“ und von „Koalitionsbruch“.
Ein „inspirierender Ort“ sei es. Eine „einzigartige Möglichkeit“, schwärmt Regensburgs Kulturreferent Wolfgang Dersch. Und auch kosten würde das Ganze nicht wirklich viel. Dennoch hat ein Streit um zwei Wohnateliers für ein „Artist in Residence“-Programm im Wiedamann-Haus die Zerrüttungen in der Rathaus-Koalition so nachhaltig vertieft, dass zwischenzeitlich auch in der CSU darüber spekuliert wird, das 2020 geschlossene Zweckbündnis vorzeitig platzen zu lassen. „Lange hält das nicht mehr“, prophezeit ein Fraktionsmitglied.
Letzte Woche hat der Kulturausschuss des Regensburger Stadtrats beschlossen, zwei Wohnateliers für ein „Artist in Residence“-Programm im Wiedamann-Haus in der Brückstraße anzumieten. Kostenpunkt: 120.000 Euro pro Jahr für das gesamte Programm, wobei 32.000 Euro auf die jährliche Miete (für 185 Quadratmeter) entfallen. Der Rest auf Nebenkosten, Stipendien etc.
CSU-Chef: „Herumschwanzeln um Investoren bei einigen Kollegen noch immer sehr verhaftet.“
120.000 Euro – das sind gerade einmal 0,01 Prozent des städtischen Gesamthaushalts. Keine große Sache eigentlich. Das Spannende dabei ist, dass – abgesehen von der SPD – sämtliche Mitglieder der Regierungskoalition im Ausschuss gegen die Vorlage von Kulturreferent Wolfgang Dersch gestimmt haben und dass die Oberbürgermeisterin ihre Mehrheit von 10:7 Stimmen der Opposition zu verdanken hat (die es zwar formal nicht gibt, die aber de facto existiert).
Und die Wogen kochten hoch. CSU-Chef Michael Lehner lässt sich angesichts „der Hartnäckigkeit, mit der dieses Projekt verfolgt wird“, gar zu der Aussage hinreißen, dass hier „alle um einen Investor“, Karl Kotz, der das Wiedamann-Haus 2021 erworben hat und es derzeit saniert, „herumschwanzeln“. Und das, dieses „Herumschwanzeln“ um Investoren sei wohl, so Lehner, „bei einigen Kollegen hier noch immer sehr verhaftet“.
Zunächst: „Assoziationen mit dem Anne-Frank-Haus“
Doch von Anfang an. Inspirierend, um bei Derschs Worten zu bleiben, ist das Wiedamann-Haus tatsächlich. Die Entdeckung eines Geheimzimmers in dem Gebäude inspirierte Ende 2022 beispielsweise mehrere Medien, allen voran die Mittelbayerische Zeitung, von einem angeblichen Judenversteck zu fabulieren.
Nicht nur beim Kulturreferenten weckte das damals „Assoziationen mit dem Anne-Frank-Haus“. Und gegenüber dem Sonntagsblatt regte Wolfgang Dersch an, die Räumlichkeiten öffentlich zugänglich machen, um dort beispielsweise „authentische Lesungen zum Thema anbieten“ zu können.
Nach detaillierten Nachfragen unserer Redaktion zog man bei der Stadt im Februar die Reißleine. Die (durch nichts zu belegende) Geschichte mit dem Judenversteck im Haus des NS-Rüstungsbetriebs Wiedamann (ausführliche Informationen dazu hier) sei „ein Produkt der Medien“ hieß es nun.
Dann: „Flagge zeigen für diesen Ort“
Bei besagter Sitzung des Kulturausschusses am 13. Juni spricht Dersch das Thema nicht direkt an. Man kenne ja die „Zeitungsberichte über dieses Versteck und so weiter, (…) oder wie auch immer man es nennen will“. Weil man aber „Flagge zeigen“ müsse für „diesen Ort“ brauche es weiter dessen öffentliche Nutzung und – daran scheiden sich die Geister in der Koalition – die Anmietung zweier Räume als besagte Wohnateliers.
Erstmals Anfang 2023 sei diese Idee des Kulturreferenten im Koalitionsausschuss aufs Tapet gekommen, heißt es. Vielleicht angeregt durch die Anne-Frank-Assoziationen.
Doch insbesondere die CSU winkte ab. Man habe nichts gegen ein „Artist in Residence“-Programm, im Gegenteil, aber angesichts der angespannten Haushaltslage solle man doch zusehen, ob nicht vorhandene Leerstände genutzt werden könnten. Etwa in Stadtamhof, an der Schierstadt 2, das die Stadt seit zweieinhalb Jahren angemietet hat und leerstehen lässt.
Nach Dersch-Vorstoß in der Koalition: Brücke-Fraktion hat dieselbe Idee…
Der Vorschlag von Wolfgang Dersch schaffte es nicht auf die Tagesordnung des Kulturausschusses. Ende März dann war – so ein Zufall – die Brücke-Fraktion auf dieselbe Idee gekommen wie der Kulturreferent. Man solle doch Kontakt zum Eigentümer des Wiedamann-Hauses aufnehmen, hieß es. Dieses sei ein „einzigartiger Ort“, so der entsprechende Antrag, für den Florian Rottke und Bettina Simon verantwortlich zeichnen.
Die Nutzung für ein „Artist in Residence“-Programm, so der Brücke-Antrag weiter, würde „nicht nur dazu beitragen, die künstlerische Szene in Regensburg zu stärken, sondern auch den Ruf der Stadt als kulturelles Zentrum in der Region und darüber hinaus zu stärken“.
Erneut tagte der Koalitionsausschuss. Wolfgang Dersch lieferte weitere Details, versuchte laut Schilderungen von Teilnehmern eindringlich, die Bedenken (nicht nur) der CSU auszuräumen. Vergeblich.
Trotz Kontroverse in Koalition: OB nimmt Antrag auf die Tagesordnung
Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer scheint dies zu bunt geworden zu sein. Für die Sitzung des Kulturausschusses vergangene Woche setzte sie nun nicht nur den Antrag der Brücke, sondern einen eigenen, im wesentlichen inhaltsgleichen Antrag des Kulturreferats auf die Tagesordnung, der bereits mit sämtlichen Details zur Anmietung versehen war. Man arbeitet schließlich schon lange daran.
Die Freien Wähler versuchen in der Sitzung, wenn man so will, zu vermitteln. Ein „Artist in Residence“-Programm sei „sehr gut“, sagt Ausschusssprecherin Kerstin Radler. Es biete „viele Synergieeffekte“, es sei äußerst sinnvoll, wenn die Stadt sich hier engagiere. Aber gebe es denn nicht genug andere Räume, fragt Radler.
Prinz-Leopold-Kaserne, M26, Schierstadt 2, Optionen im Andreasstadel sind ein paar Orte, die sie nennt. Ob man denn nicht noch einmal prüfen können – maximal sechs Monate. Dann könne man, wenn es tatsächlich nichts anderes gebe, immer noch die Option im Wiedamann-Haus ziehen. Radler stellt einen Änderungsantrag.
Dersch verweist auf ideale Bedingungen und reele Miete
Kulturreferent Dersch gibt sich überrascht ob dieses Ansinnens. Man brauche doch keine Ateliers, sondern Residenzen. Wohnen und arbeiten in inspirierender Umgebung. Und da seien die Räume im Wiedamann-Haus, die zuvor schon Ateliers gewesen seien, ein „echter Glücksfall“. Künstlerinnen könnte hier im Tandem arbeiten.
Das sei eine „einzigartige Chance“ und man stehe auch „in der Verpflichtung gegenüber dem Investor“. Nochmal sechs Monate zu prüfen – das werde nichts ändern. Und die Miete sei mit etwas über 14 Euro pro Quadratmeter ortsüblich.
Während die SPD in Person von Stadtrat Alexander Irmisch sich hinter Derschs Antrag stellt, halten die Koalitionspartner Gabriele Opitz (FDP) und Michael Lehner dagegen.
CSU moniert „klaren Koalitionsbruch“ der SPD
Sie finde Radlers Vorschlag gut, meint Opitz. So ein Wohnatelier müsse doch nicht zwingend im Zentrum sein. „Ich habe keine Sorge, dass wir Künstler finden.“ Lehner, hörbar erbost, verweist darauf, dass ansonsten, auch bei kleinen Beträgen, stets auf die angespannte Haushaltslage verwiesen werde, das hier aber offenbar egal sei.
Grüne und Brücke wundern sich derweil, warum die Koalition ihre Meinungsverschiedenheiten auf offener Bühne austrägt, während Dersch in die Zukunft blickend um Zustimmung wirbt: „Diese Entscheidung wird die richtige gewesen sein.“ Und so geht der Vorschlag des Kulturreferenten durch – gegen die Stimmen von CSU, Freie Wähler, FDP und AfD.
Und während sich in der Vergangenheit häufiger die SPD über die mangelnde Teamfähigkeit der CSU in der Koalition beklagt hatte – bei einer Delegiertenkonferenz Mitte Mai gab es sogar den Antrag, die Koalition aufzukündigen – meldet sich am Tag nach der Sitzung die CSU zu Wort und verweist auf den „klaren Koalitionsbruch“ der SPD.
OB: „Stehe zu dieser Entscheidung.“
Die Oberbürgermeisterin scheint davon ungerührt. „Ich hätte das von der Tagesordnung nehmen können“, sagt Maltz-Schwarzfischer noch in der Sitzung. Das habe sie dann aber nicht getan. „Und ich stehe auch zu dieser Entscheidung.“
Über das Thema gesprochen hat man in der Koalition seit dieser denkwürdigen Sitzung noch nicht. Das habe man sich um Umfeld des Bürgerfests erst einmal gespart. Kommenden Montag aber steht das Thema auf der Tagesordnung beim Koalitionsausschuss.
Jonas Wiehr
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… und das Artist-in-residence-Atelier im Andreasstadel, an dem das Kulturreferat ja nicht ganz unbeteiligt ist, steht derweilen leer. Wahrscheinlich ist das viele Grün am Donauufer nicht so inspirierend. Und welche Artists dann ins Wiedamann-Haus dürfen, darüber entscheidet Frau Hellwig-Schmid, oder wer?
Ottmar
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Der Karl Kotz der kann’s. Er hat den Komplex Antoniushaus auch reaktiviert .
https://elternzeitung.de/stadt/artikel/antoniushaus-renoviert
https://elternzeitung.de/stadt/artikel/antoniushaus-theaterbetrieb
Gotthelf!
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Komische Dinge, die in dieser Stadt vor sich gehen. Soweit ich das überblicke von aussen, hat das Kulturreferat unter Wolfgang Dersch das Jazzweekend übernommen, also Richard Wiedamanns Nachfolgerin, die das brilliant gemanagt hat, vor die Tür gesetzt. Die waren da in dem Haus vorher. Und jetzt will die Stadt unbedingt selber rein in das Haus. Und dafür 120.000 Euro jährlich aus dem Stadtsäckel!!!!! Und wie bereits im Artikel erwähnt, da drüben in Stadtamhof ist es tatsächlich schön und gäb viel Platz, den die Stadt sowieso schon zahlt und seit langem leerstehen lässt. Und was wär mit dem M26 und dann kommt doch das Super-Lagerhaus im Osten! Wo sollen denn die Künstler herkommen dafür, wenn die alle schon im Wiedamannhaus hausen? Apropos Kultur hier: Wie geht es eigentlich weiter mit der Akademie im Andreasstadel? Was unternimmt die Stadt grade, um diese wichtige Institution zu retten? Weiß man da was? Oder ist Kotz wie Zitzelsberger und unsere letzte Hoffnung bleibt Transparency? Das Wiedamannhaus hatte einiges an Werkstätten vermutlich, war ja eine Zinngießerei, hab ich gelesen, vermutlich nicht einfach in Wohnungen zu verwandeln. Dann steckt man halt Künstler rein und der Investor ist damit garantiert ziemlich zufrieden.
Seltsame Stadt. Hier verändert sich gar
nix.
Charlotte
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Warum wundert einen das alles nicht? Haushalt und damit Steuergelder interessieren weder OB, noch kleine Oppositionsparteien und die städtischen Angestellten scheinbar auch nicht. Getreu dem Motto: Nur raus mit der Kohle! Ganz ehrlich, wieviele Gebäude, Wohnungen und Ladeneinheiten will Regensburg jetzt noch anmieten für ominöse Projekte, die nie realisiert werden und dann nur leer stehen? Sorry, aber es suchen genug Bürger und Unternehmer Mietobjekte. Solange es hier nicht endlich Entspannung gibt, ist weder Zeit noch Energie und Geld schon gar nicht für solche Lobby – und Lieblingsprojekte da.
Karli Knecht
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Eine Zusammenarbeit mit den Grünen und der Brücke?!
Ich halte das nicht für eine gute Idee.
thomas orro
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wieder ein ausbruch von großmannssucht
Moni
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Das alter Wiedermannhaus, ein historisches Kleinod, wurde seitens der Stadt derart mit Brand- und Denkmalschutzauflagen belegt, dass eine ertragsbringende Bewirtschaftung durch Vermietung vorhandener Wohnungen nicht mehr möglich war. Die Alteigentümer gaben auf. Ein Invester übernahm. Es ist schon erstaunlich, dass es nun dieser Investor schafft, dass eine Vermietung wieder möglich wird und zudem dafür eine üppige finanzielle Unterstützungen bei der Stadt zu erwirkt wird. Wieseo geht das jetzt?
Rufus
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Ich weiß nicht, es gibt überall soviele unverständliche Unternehmungen und Maßnahmen worüber man den Kopf schüttelt. Die Einrichtung von Künstlerwohnateliers ist dabei das Harmloseste überhaupt. Eine nette Idee, die endlich mal gegen den Dauertrend der problemerkennenden Bedenkenträgerei einfach durchgezogen wurde: finde ich mutig, tatkräftig und überzeugend! Echt!
Mr. T.
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Moni, in Randsp…, äh Regensburg ist nix mehr erstaunlich. Gerade im Umgang mit Behörden beweisen manche eben mehr Talent als andere. Reicht auch, wenn man Freunde mit Talent hat.
Hier nur ein Beispiel: https://www.regensburg-digital.de/baugenehmigung-von-schaidingers-gnaden/19032017/
Ansonsten finde ich Ateliers für Kunstschaffende super! Auf jeden Fall besser als Ferienwohnungen in der Altstadt. Man sollte aber schon erst mal Leerstände beseitigen bevor man etwas Neues eröffnet.