Koalition blamiert sich mit Antrag zur Sonntagsöffnung
Wegen Corona-Einbußen im Einzelhandel: Die Regensburger Rathauskoalition wollte mit einem Antrag im Finanz- und Verwaltungsausschuss das städtische Rechtsreferat dazu bringen, neben den zwei bestehenden, zwei weitere verkaufsoffene Sonntage zu erlauben. Weil die Oberbürgermeisterin starke rechtliche Bedenken hat, kassierte sie den Antrag ihrer eigenen Koaltion wieder.
„Jetzt wird’s immer lustiger. Also, die Koalition wie ich sie verstehe, besteht aus Koalitionspartnern plus Bürgermeister plus Oberbürgermeister. Jetzt kann man sagen, man hat keinen Einfluss, was die Koalitionäre so schreiben. Aber so einen Schmarrn zu veranstalten und hier einen Antrag einbringen, den vermutlich Herr Janele geschrieben hat – weil hätte er ihn nicht geschrieben –, die CSU und die SPD haben ihn sicher nicht geschrieben, weil die haben Juristen in ihren Fraktionen.“
Brücke-Fraktionschef Joachim Wolbergs ist sichtlich verwundert über die Vorgehensweise der Koalition und Stadtspitze.
Rechtliche Grundlagen gegen geltendes Recht?
Es geht am Donnerstagnachmittag im Finanz- und Verwaltungsausschuss des Stadtrats um den Antrag, den Christian Janele (CSB) im Namen der gesamten Koalition aus SPD, CSU, Freien Wählern, FDP und CSB eingereicht hat. Es sollen „zwei zusätzliche verkaufsoffene Sonntage nach Beendigung des Lockdowns“ durchgeführt werden. Das Rechtsreferat soll dabei beauftragt werden, „die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen.“
Hintergrund ist, dass nach geltendem Recht (Ladenschlussgesetz) in Bayern maximal vier verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage im Kernbereich einer Kommune stattfinden dürfen. In Regensburg sind es bisher zwei – im Oktober und im November. Sogenannte „äußere Anlässe“ sind zwingende Voraussetzung für eine Sonntagsöffnung. Dazu gehören etwa Feste, Märkte oder Messen, die einen großen Ansturm von Besucherinnen und Besuchern erwarten lassen. Von den dann sowieso vielen Menschen in der Stadt kann so auch der stationäre Einzelhandel profitieren, der sonst sonntags geschlossen haben muss.
Nach Beendigung des Lockdowns und nach Öffnung der Gastronomie
Der verkaufsoffene Sonntag darf selbst nicht der Besuchermagnet sein. Das fachlich zuständige Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales schreibt hierzu, dass „wenn das Offenhalten der Verkaufsstelle im Vordergrund steht“, ein äußerer Anlass „keinesfalls“ gegeben sei. Doch genau das fordert die Koalition. „Um dem Einzelhandel den Neustart nach dem Lockdown zu erleichtern,“ so heißt es in der Begründung, sollen von der Stadt Regensburg zwei zusätzliche verkaufsoffene Sonntage durchgeführt werden.
Einer „zeitnah nach Beendigung des Lockdowns für den Einzelhandel“ und der zweite „direkt nach der Öffnung der Gastronomie.“ Falls rechtlich nötig, könne ja flankierend zum Beispiel ein „Frühlingsmarkt etc.“ veranstaltet werden.
Oberbürgermeisterin hat rechtliche Bedenken
Die Oberbürgermeisterin verweist auf die tatsächliche Rechtslage. Gertrud Maltz-Schwarzfischer betont in der Ausschusssitzung, dass verkaufsoffene Sonntage „rechtlich schwierig“ seien. Diese dürften eben „nur dann stattfinden, wenn gleichzeitig ein Anlass in der Stadt stattfindet.“ Sie gibt auch zu, dass die Regensburger Anlässe – ein Herbstfest und der Tag der offenen Tür der städtischen Töchter – im letzten Jahr ohnehin „schon grenzwertig“ gewesen seien.
Maltz-Schwarzfischer versucht den von Janele vorgestellten Antrag elegant wegzumoderieren. Es gebe bald einen Termin der städtischen Wirtschaftsförderung mit unter anderem den Altstadtakteuren und der IHK und da könne sie diesen Vorschlag mitnehmen. Einen Beschluss des Ausschusses oder des Stadtrats möchte sie nicht. Der Antrag soll stattdessen durch Bericht der Verwaltung als erledigt betrachtet werden.
Wolbergs: „So kann man eine Stadt nicht regieren!“
Doch da fährt ihr der ehemalige Oberbürgermeister Joachim Wolbergs in die Parade und kritisiert insbesondere, dass Janele von der Koalition vorgeschickt werde, sich in den Medien mit einem Vorschlag präsentieren könne, der letztlich doch wieder kassiert werde. „Was ist denn das?,“ fragt Wolbergs. Erst lasse man sich als Koalition abfeiern, weil es zwei weitere verkaufsoffene Sonntage geben soll und dann ziehe man den Antrag wieder zurück. „So kann man eine Stadt nicht regieren,“ so der Brücke-Chef.
Er selbst sei „schon immer für die vier verkaufsoffenen Sonntage“ und habe sich „immer darüber geärgert, dass es einen Anlass geben“ müsse. Aber „es ist, so wie es ist.“ Die CSU sei wegen der Kirchen eigentlich stets gegen die Ausweitung gewesen und die SPD wegen der Gewerkschaften. Ähnlich verwundert über den plötzlichen Sinneswandel von CSU und SPD in dieser Frage zeigt sich später auch Grünen-Stadträtin Theresa Eberlein.
Sonntagsallianz erwägt Klage
Auch anlässlich des aktuellen Antrags haben sich Gewerkschaften und Kirchen, die bundesweit in der „Allianz für den freien Sonntag“ zusammengeschlossen sind, reagiert und sich im Vorfeld der Sitzung in einer E-Mail an die Ausschussmitglieder gewandt. Darin heißt es, dass für Christinnen und Christen „der Sonntag ein Tag des Gottesdienstes, des Gebets und der Besinnung, der mit Recht besonderen gesetzlichen Schutz genießt“ sei und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein „Tag der Arbeitsruhe von kaum zu überschätzendem Wert, als zuverlässig arbeitsfreier Tag, der zur freien Verfügung steht.“
Die Sonntagsallianz appelliert an die politisch Verantwortlichen nicht nur keine neuen verkaufsoffenen Sonntage anzudenken, sondern auch die bestehenden wieder abzuschaffen. Es sei „hochzweifelhaft“, ob letztere in Regensburg überhaupt den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Man behalte sich im Zweifel auch vor, dagegen zu klagen.
Klemens
| #
+So kann man eine Stadt nicht regieren+
Recht hat er, leider geht das so oder ähnlich schon seit Jahren.
Franz Josef Avestruz
| #
Da flippst Du komplett aus!! Ūber was wird da bitte debattiert???!! Was ist mit einer Teststrategie o.ae. oder vllt mal einen sinnvollen Vorschlag was man jetzt tun kann, statt mit “der Regierung telefonieren und dem Gesundheitsamt!”…. Ūber verkaufsoffene Sonntage palavern???? Wie bitte? Da faellt dir echt nix mehr ein.
Die solln alle heimgehn endlich.
Was fuer eine unfaehige Stadtregierung!
Mr. B.
| #
Kommentar gelöscht. Bleiben Sie beim Thema.
Franz Josef Avestruz
| #
Hatte vergessen zu fragen…liebe Stadtregierung…sagen Sie doch mal… (denn wenn man sie anschreibt, bekommt man nur seltsame freche mails zurueck…)…
Wie schauts eigentlich mit der “kleinen Maidult” aus???
Laesst sich da wirklich nix machen…??? Was sagt die Regierung und Herr Boeckh dazu? Das waer doch was. Hauptsache rechtssicher! Zukuenftig kann man dann daran gleich die verkaufsoffenen Sonntage koppeln!!!
Privatfrau
| #
Regensburg und seine “Stadtregierung”.
Einfach nur (unbeabsichtigte) Realsatire oder der Versuch einer Hommage an Monty Python?
Wie auch immer – es bleibt (leider) spannend.
peter sturm
| #
da hat die oberbürgrmeisterin recht getan!
eine normenkontrollklage von eigenen genossen (nicht nur den christen) wäre peinlich aber notwendig geworden.
ich bin froh, dass uns das erspart blieb.
R.G.
| #
Kommentar gelöscht. Bleiben Sie beim Thema.
Gscheidhaferl
| #
Ich weiß nicht, ich habe eigentlich schon gedacht, “regieren” sei mehr als nur “Rechts-/Verwaltungsvorgaben folgen”.
Aber dieses kleine Trauerspiel, das da auf einem Nebenschauplatz aufgeführt wurde, wirft vielleicht wirklich ein bezeichnedes Licht auf ein zentrales Defizit in unserer Stadt (und ich vermute, deswegen wird es r-d auch aufgergriffen haben):
Der augenscheinlich recht begrenzte Gestaltungswille. Ist es mangelnder Mut? Fehlt es an Fantasie? Ist es fehlendes Bewusstsein hinsichtlich der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten? Warum entsteht bei vielen Gewählten der Eindruck, es genüge Ihnen, bestimmte Positionen eingenommen zu haben? Warum lassen sie so selten den Willen erkennen, diese auch tatsächlich auszufüllen? Muss ja nicht gleich so – Achtung Herr Wolbergs, jetzt gibt’s wieder was zum Aufregen für die verfolgte Unschuld – so bescheuert sein, wie beim Ex-OB, der sich augenscheinlich auch nur um eine möglichst originalgetreue Kopie der Unionsamtsführung alter Schule bemüht hat.
Ja, gegen den Janele kann auch viel gesagt werden. Aber so unsympatisch find ich seine Initiativen mitunter gar nicht. Im Großen geht ohnehin kaum was voran. Warum dann also nicht wenigstens in Nebensächlichkeiten kleine, konstruktive Schritte setzen? Ja, wirkt angesichts der aktuellen Herausforderungen fast schon lächerlich. Aber ganz im Ernst: Bis dann z.B. vielleicht irgendwann in 100 Jahren doch keine große Lösung für die Verkehrsproblematik in Regensburg kommt, find ich einen auf Janeles Initiative zurückgehenden Zebrastreifen, auf dem Kinder die überlasteten Straßen sicherer überqueren können, echt nicht so verkehrt.
Das (vielleicht) eigentliche Problem ist damit aber natürlich längst nicht gelöst. Frei nach Marx: “Der bisherigen Stadtregierung ging es nur darum Rechts- und Verwaltungsvorgaben nachzuvollziehen. Es geht aber eigentlich darum sie zu verändern.” Und am besten so, dass letztlich mehr Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten zum Wohle aller (und nicht nur einiger weniger) entstehen. Aber dann müsste originell, intensiv und konstruktiv gestritten und gearbeitet werden, statt das übliche, reichlich vorhersagbare Kasperltheater wieder und wieder aufzuführen. Und am End haben einen dann irgendwelche maßgeblichen Leute nicht mehr lieb. Nein, nein. Dann schon lieber verlegen lächelnd mit den Schultern zucken und “So sind nunmal die Vorgaben.” sagen. Die Chancen, damit durchzukommen (=wiedergewählt zu werden) sind ja letztlich gar nicht so schlecht.
Realist
| #
Der Streit ob es hier zwei oder vier verkaufsoffene Sonntage in Regensburg geben soll, ist wirklich eine Art “Kasperltheater”.
Grundsätzliches:
Hier in Deutschland versucht man sich immer noch mit aller Gewalt an ein Ladenschlussgesetz zu halten. In vielen Länden gibt es sowas in dieser Form schon gar nicht mehr. Diskutieren Sie mal mit einem Amerikaner über Geschäfte die Sonntag nicht offen haben. Oder denken Sie an den Kampf der Bäcker Sonntags öffenen zu können.
Ist inzwischen m.E. sogar ein Wettbewerbsverstoß, weil hier natürlich bei den ganzen online-Händlern permanent eingekauft werden kann. Sollten diese Portale dann nicht auch am Sonntag geschlossen werden..:-)
Ich denke entscheiden sollen dies doch schlußendlich die Einzelhändler auf der einen und die Konsumenten als Hauptakteure auf der anderen Seite. Wenn diese am Sonntag oder um Mitternacht nicht zum einkaufen kommen, dann werden die Geschäfte auch nicht mehr öffnen.
Und was das Personal betrifft (ein Hauptgrund für das Gesetz) : Wieviele Menschen müssen bereits jetzt am Sonntag arbeiten.
Ich denke das es diese Diskussion um die 4 vier Sonntage in 5 Jahren nicht mehr geben wird, weil sich die Gesetzeslage ändern muß um die Einzelhändler ggü. den “amazons” wettebewerbsfähig zu machen.
Und das sich die Oberbürgermeister(inen) oft lieber auf Alteingesessenes zurückziehen ist ja nachvollziehbar, da muß nichts geändert werden und man kann keine Fehler machen….obwohl das genau die Fehler sind.
Tobias
| #
@Realist:
Man merkt, dass Sie nicht aus dem Handel kommen aber so tun als ob.
Ich bin froh, dass wir dieses Ladenschlussgesetz haben. Vor allem die Grünen und andere selbsternannte Umweltschützer sollten dringend gegen weitere Öffnungszeiten oder weitere offene Sonntage sein; der Lieferverkehr via LKW ist ja einer der schlimmsten Umweltverschmutzer.
Und ja, man kann “Rund um die Uhr” bei Amazon einkaufen, aber geliefert wird auch hier Sonntags und auch nachts nichts sondern die Zustellzeiten deckt sich ziemlich genau mit der Öffnungszeit des Handels. Ihr Argument ist unsinn.
Ja, fragen Sie mal einen Amerikaner mit den nächtlichen Öffnungszeiten. Ich glaube der Spiegel war mal zu Mitternacht in einem Boot-Store, der Angestellte dort sagte, er hatte keinen Kunden.
Warum sollten wir – ich bin ja “betroffen” – nachts arbeiten? Arbeitet ihr nachts? Ist mein Zahnarzt nach meiner Nachtschicht offen, oder das Finanzamt? Wer kümmert sich um meine Kinder? Kindergarten und -hort dann bitte auch 24/7, denn ich bin ja in einem leeren Supermarkt.
Einge gute Idee wäre es, wenn “ihr” wieder etwas wie verantwortungsbewusste Erwachsene handelt. Laut Bundesdurchschnitt haben über 90% der Einwohner einen Kühlschrank.
Mr. T.
| #
Ist es hier irgendwo um durchgehende Öffnungszeiten gegangen? War ich da zu blöd zum Lesen oder doch jemand anders?
Franz Josef Avestruz
| #
@Mr T.
Eben!
Danke fuer den Einwurf.