Knackige alte Knacker
Ladies and Gentlemen: BLUE & LONESOME, The Rolling Stones.
Die Booklet-Legende will es so, dass sie also in diesem englischen Studio stehen, die alten Herren, bei Aufnahmen zu neuen Stücken, als es zu einem Stopp kommt:
“We were recording some new songs and we just hit a wall on that particular track. We needed to cleanse the palate (…) when Keith said “Let’s play ‘Blue And Lonesome’.” Thankfully Krish (…) kicked it into record.” – Don Was, Producer.
Drei Tage später waren die Aufnahmen zu “Blue & lonesome” beendet (Mick: “We’ve never done an album like this before; even our first had overdubs.”), und hier ist es, das erste Studio-Album der Rolling Stones seit elf Jahren, BLUE & LONESOME, seit letzter Woche im Verkauf. Ein Album voller Cover-Songs, alte Blues-Songs, die damit aber nicht allein auf die frühen Jahre der Band, sondern auf die Stones insgesamt verweisen: Das sind wir.
Eine Stimme, die nie besser war
Und bevor man noch denken könnte, man habe eine frühe Scheibe der Rolling Stones, vielleicht Aufnahmen aus den Chess-Studios, erwischt, hört man, dass Mick Jaggers Stimme hier viel zu: gut ist. Verblüffend; er ist über 70. Er beherrscht die meisten Aufnahmen mit einer Stimme, die nie besser war – und seinem Mundharmonika-Spiel. (Wahnsinn: “Little Rain”.) Dazu die – diese! – Band: überragend. Zurückhaltender als zu ihren Anfängen, nicht mehr ungestüm, dosierter, und manchmal kommt die Laid back-Seele von Charlie Watts – damit auch ein Jazz-Feeling – daher.
Aber keine Angst, es sind dann doch alles Stones-Songs; in diesem Moment der Musikgeschichte vereinnahmen sie die alten Werke und ehren sie damit. “I can’t quit you baby” ist der session-artige, fast “Midnight Rambler”-Intensität erreichende Höhepunkt und Abschluss des Albums, und es ist ein Triumph des Sängers (und davon, siehe “Everybody knows about my good thing”, gibt es viele.). Ein Genuss, wie das gesamte Album, das jeden Cent wert ist.
…ein verdammt cooles Album
Andere Altstars entdecken das Göttliche in sich und besingen Lebensweisheiten, die Stones aber bringen Dir ein verdammt cooles Album, mit historisch zu nennenden Blues-Bummern, die zu ihren eigenen Songs werden, einfach, weil sie es so verdammt gut können . Immer noch sind es die ewigen Themen, auch im Alter – Liebe, Hass, Verderben, Wahnsinn, Sex und was am nächsten Tage übrig bleibt – Beziehungen. Wie üblich leiden sie an den Frauen, sind aber immer bereit, diese für die nächste oder die Freiheit herzugeben (Song Nr. 1: “Just Your Fool”; Song Nr. 5: “I gotta go”.).
Hatte man nicht ohnehin in den letzten Jahren gerne die RnB-Nummern auf den Maxis, die oft auf den Alben nicht vertreten waren, zu den eigentlichen Höhepunkten der Stones gezählt? “Blue” war zum Beispiel für viele der Höhepunkt auf Jaggers Soloalbum “Goddess in the doorway”, herausragender allerdings die “So young”-Attacke auf der “Love is strong”-Maxi der Band von 1994; der “Fancyman Blues” auf der 1989 erschienenen Maxi “Mixed Emotions”, der irre “Cook cook blues” auf der Maxi “Rock and a hard place”, ebenfalls 1989, “Wish I’d never met You” von der 1990 erschienenen “Terrifying”-Maxi.
Jetzt gibt es ein ganzes Album davon. Chicago Blues, von den Stones. Besser: mit den Stones. Packend, einzigartig, und, der erzählerischen Vollständigkeit halber, Eric Clapton hat auch ein wenig mitgemacht, weil er im Studio nebenan war – was will man mehr. Klasse Songs, klasse Album, klasse Band. Alte Säcke, die den jungen zeigen, was das ist, eine Band, die sich blind versteht:
“Keith and I communicate when we were playing by looking at one another. We didn’t work out the parts prior to recording, we just seemed to pull it off.”- Ronnie.
Kaufempfehlung.
Hangover
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Schön ist vor allem, dass der liebe Ingo Knott wieder aus dem Limbus der verschollenen Redakteure aufgetaucht ist und jetzt für Regensburg Digital schreibt. Prima.
Gustav
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Im Booklet wird Charlie Watts mit den Sätzen zitiert: “It’s not technical, it’s emotional. One of the hardest things of all is to get that feeling acorss.” Genau das gelingt den Stones mit dieser Platte nicht. Sie spielen sehr professionell, aber das war’s dann. Die Aufnahme ist geeignet, alte Vorurteile zu bestätigen: Daß Weiße keinen Blues spielen können und daß digital wie klinisch tot klingt.