21 Okt2008
Klimawandel machts möglich: Bald neue Weinsorten in Regensburg?
In diesen Wochen wird überall in den deutschen Weinanbaugebieten fieberhaft gearbeitet. Auch in Regensburg, einem der kleinsten Weinanbaugebiete Europas, gehen Winzer der Weinlese nach. Derzeit wächst hauptsächlich Weißwein auf den knapp fünf Hektar großen Weinbergen in und um Regensburg die Müller-Thurgau Rebe. Das dürfte sich bald ändern, denn der Klimawandel wird auch den Regensburger Winzern bessere Erträge und eine höhere Qualität der Trauben bescheren.
Forscher gehen davon aus, dass die römischen Besatzer an den Hängen der Donau ihren Wein anbauten. Im Jahr 765 (andere Quellen sprechen von 685) wird Wein aus Regensburg erstmals urkundlich erwähnt. Der heilige Emmeram selbst erwähnte den Wein aus Regensburg in seinen Erinnerungen. Dieser und anderen Quellen zufolge, war der Tropfen von der Donau alles andere als schlecht! Nach dem Jahr 1600 trat eine Klimaverschlechterung ein. Der Weinanbau an der Donau ging immer mehr zurück. Pflanzenkrankheiten – eine Folge des Dreißjährigen Krieges – richteten an den Regensburger Weinhängen große Schäden an. Ab den sechziger Jahren ging der Weinanbau in der Region um Regensburg stetig zurück. Erst in den Achtzigern erlebte er eine Renaissance. Zuvor sah es so aus, als würden nur noch Flur- und Straßennamen, wie Weinweg oder Winzer, in der Domstadt an die Weinbaugeschichte erinnern.
Drastischer Klimawandel!
Das Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie stellte kürzlich seine Modellberechnungen zu den Auswirkungen des globalen Klimawandels der Öffentlichkeit vor. Angesichts der Szenarien, wie sich das Klima in Deutschland bis ins Jahr 2100 entwickelt, gibt es wenig Grund für Optimismus. Zwischen 2,5 und 3,5 Grad wird die Durchschnittstemperatur in Deutschland ansteigen. Die Folgen: Fehlende Niederschläge und ein damit verbundenes Absinken der Grundwasserspiegel. Insekten aus Südeuropa werden in Deutschland heimisch werden. Profitieren könnten in Deutschland aber die Winzer von der Erderwärmung. Auch in nördlicheren Regionen Europas und der Welt werden zukünftig Weinreben stehen. Experten gehen davon aus, dass sich die Grenze für den Weinanbau 500 Kilometer weiter nach Norden verschiebt.
Schon heute profitieren die deutschen Winzer von den steigenden Temperaturen: Bis zum Jahr 1987 gab es regelmäßig Weinjahrgänge in Deutschland von minderer Qualität. Es fehlten dem Wein die Sonnentage. Für die Winzer und Kellereien waren diese Jahrgänge ein wirtschaftliches Desaster. Seit 1987 war es in den deutschen Weinanbaugebieten immer warm genug für eine optimale Reife der Trauben. Die negativen Synergien der beständig warmen Witterung sind ein verstärktes Schädlingsaufkommen in den Reben. Kommen nasse Tage hinzu, besteht die akute Gefahr der Traubenfäule. Unberechenbar sind für die deutschen Winzer auch die plötzlichen Unwetter geworden. Mit großem Aufwand wurden Hagelnetze in den Weinbergen installiert, um die Trauben bei Unwetter zu schützen.
Der globale Klimawandel in Deutschland dokumentiert sich bereits heute im heimischen Weinanbau. Vier Wochen früher als noch vor einigen Jahren beginnt mittlerweile die Weinlese. Bisher erwiesen sich die in Deutschland populären Rebensorten Spätburgunder und Riesling als sehr resistent, was höhere Temperaturen angeht. Weinbauexperten gehen davon aus, dass selbst bei höheren Durchschnittstemperaturen diese Sorten in Deutschland sehr gut gedeihen und passable Ernteerträge erzielen.
Immer populärer: Deutscher Rotwein
Ein Profiteur der Klimaerwärmung ist der deutsche Rotwein. 1983 machten die Reben des Spätburgunders und Portugiesers in Deutschland nur zwölf Prozent aus. Aktuell werden knapp 30 Prozent der heimischen Anbauflächen für Rotwein genutzt. Ein Grund dafür ist die erhöhte Nachfrage an Rotwein aus Deutschland. Durch das mildere Klima verlor er an Säure. Dafür stieg der Alkoholgehalt. Auch wurde der heimische Rotwein schwerer und dichter, was für seine verbesserte Qualität spricht. Mittlerweile ist der deutsche Rotwein international konkurrenzfähig und gefragt.
In den deutschen Weinbergen fand eine stille Revolution statt. Nachwuchswinzer experimentierten mit Reben, die bisher eine Domäne der Winzer aus Südeuropa und Frankreich waren. Als in den achtziger Jahren erstmals Cabernet Sauvignon und Merlot in der Pfalz angebaut wurden, machte das Wort vom Misserfolg vorschnell die Runde. Die wagemutigen Winzer ließen sich von anfänglichen Rückschlägen nicht beeindrucken und begründeten eine neue Rotweintradition in Deutschland. Dank einem Klimaanstieg von 1,5 Grad in der Pfalz und einer größeren Anzahl an Sonnentagen gedeihen dort Reben, die bisher nur in Frankreich wuchsen. Rotwein aus Deutschland ist bei Sommelieres und privaten Weinfreunden sehr geschätzt. Er ist preiswerter als französischer Rotwein und qualitativ eben so hochwertig.
Der geographische Schwerpunkt des deutschen Weinanbaus liegt bisher im Süden der Republik. Von kleineren Ausnahmen abgesehen, wie den Rebflächen im sächsischen Meißen. Mittlerweile wird selbst in Mecklenburg Wein angebaut. Eine zügellose Expansion des Weinanbaus in Deutschland ist jedoch nicht zu befürchten. Das Weinwirtschaftsgesetz und diverse Verordnungen der Bundesländer beschränken die Rebflächen. Rechte für die Neuanlage von Weinbergen werden in Deutschland restriktiv abgelehnt. Mit einem Trick ist es jedoch möglich, eigene Reben legal zu pflanzen: Vereine von Privatwinzern dürfen Neuanpflanzungen anlegen. Ein Kontingent an Rebstöcken wird diesen Hobbywinzern von Seiten der Behörden zugestanden.
1992 legte das Gartenamt der Stadt Regensburg einen kleineren Weinberg an. Mittlerweile ist diese überschaubare Rebfläche auf einen halben Hektar angewachsen. Über 30 verschiedene Rebsorten wachsen in den Weingärten an der Donau. In ihrer Freizeit (!) sorgen Mitarbeiter des Stadtgartenamts mit Gartenamtsleiter Ernst Stösser an der Spitze für den Gedeih des Regensburger Salutaris-Weins. Vor allem die Rebsorten Müller-Thurgau, Regent, aber auch ein im Barriquefass ausgebauter Dornfelder werden abgefüllt und zu festlichen Anlässen verkostet und verschenkt (z.B. zum 90. Geburtstag). Gartenamtsleiter Stösser, erklärter Weinliebhaber, hat gemeinsam mit ein paar Mitstreitern die Regensburger Weintradition vor 13 Jahren wieder zum Leben erweckt.
Der Weinanbau profitiert allerdings nicht überall vom Klimawandel. In Spanien und Teilen Italiens könnte es langfristig zu heiß für die Reben werden. Ein weiteres Problem sind, besonders auf der iberischen Halbinsel, die langen Trockenperioden. Die Wasserspeicher sind dann zu leer, um sie für den Weinanbau nutzen zu können. Große spanische Weinhersteller zogen bereits die Konsequenzen und erwarben potenzielle Weinhänge in den Pyrenäen. Belgien und die Niederlande hingegen wurden von der EU als weinwürdig kategorisiert. Der Klimawandel wird nicht nur in Europa, sondern weltweit die Geographie des Weinanbaus nachhaltig verändern.
Ob der Regensburger Wein vom wärmeren Klima derart profitiert, dass er an die 40.000 Liter Wein herankommt, die im Mittelalter vom Kloster Prüfening gekeltert wurden, ist indessen fraglich.
tn
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Um Gottes willen, gibts im Knei kein Bier mehr?
tn
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Nachsatz:
Im MA waren:
Wein (damals ein schreckliches Gesöff)fürs Volk,
Bier für die Oberen.
beides Grundnahrungsmittel,
Suff ein Normalzustand,
die Donauhänge und die Landstriche stromabwärts entwaldet und die Landschaft von Weinbergen geprägt.
Es lohnt sich, mal eine Karte hervorzukramen und nach alten Weinbauorten (winzer,-weinting uvam.)zu suchen.
Klaus Wörle
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zum letzten Satz: Das Weinbaugebiet des Regensburger Landweins umfasst derzeit etwa 4 Hektar Rebfläche. Da der größte Teil dieser Fläche nach Quantität denn nach Qualität bewirtschaftet wird, kann man grob einen Hektarertrag von 100 hl ansetzen. Demnach wird bereits jetzt ein Ertrag von geschätzten 40.000 Litern erreicht. Inwiefern diese Anbaufläche ausgeweitet werden kann, hängt in erster Linie von der Genehmigung zusätzlicher Anbauflächen ab, wie in dem Beitrag angesprochen. In der EU wird aber angesichts der Überproduktion von Wein eine deutliche Reduzierung der Anbaufläche angestrebt, so dass nicht so bald mit einer nennenswerten Ausweitung weiter nördlich liegender Weinbaugebiete zu rechnen ist. Sinnvoll wäre allerdings bei den zu erwartenden günstigeren klimatischen Bedingungen für den Weinbau in Deutschland, den erlaubten Zuckerzusatz bei der Gärung abzuschaffen oder zumindest weiter einzuschränken.